Autonomes Jugendhaus Bargteheide bleibt!

cotopaxi soundz (from abroad) 09.12.2004 01:59 Themen: Freiräume
Das hat es in Bargteheide noch nie gegeben: in dem kleinen Städtchen nahe Hamburg fand am Samstag,
den 4.12. schon die zweite Demonstration für das selbstverwaltete Jugendhaus in einem Jahr statt...
Aufmerksame indy-NutzerInnen werden sich erinnern: im März diesen Jahres fand die erste Demo für den Erhalt des Autonomen Jugendhauses Bargteheide (AJH) statt. (siehe:  http://de.indymedia.org//2004/03/77195.shtml)

Jugendhäuser zu Containern?

Nach dem Willen von Stadtverwaltung und -vertretung soll das seit 1984 bestehende selbstorganisierte Jugendhaus einem Neubaugebiet weichen. Sah es in den Anfängen so aus, als käme mensch den AktivistInnen von Seiten der Stadt entgegen - so wurden einige Gebäude inspiziert, die Idee von einem Neubau unter Beteiligung der Jugendlichen wurde erwogen - zeigte sie
vor einigen Wochen ein ganz anderes (ihr wahres?) Gesicht. Die Räumungsaufforderung zum 28.02.2005 flatterte ins Haus.
Die angeblich einzig mögliche Lösung soll nun der Umzug in drei für selbstorganisierte Jugendarbeit völlig unbrauchbare Wohncontainer sein, von denen nicht einmal gesichtert ist, ob sie noch über eine Aufstellgenehmigung verfügen und ob sie brandschutzrechtlich für Parties und andere Veranstaltungen ausgerüstet sind. So oder so stellen sie eine wesentlich kleinere Fläche als sie im aktuellen Jugendhaus zur Verfügung steht. (Ansicht des schnuckeligen Baus siehe unten.) Und die Fläche wurde in den letzten Jahren genutzt: für Parties, politische Veranstaltungen, Café-Betrieb, Vorträge, Filmabende, Kinowochenenden und Seminare - zuletzt im November diesen Jahres. Eine deutliche Antwort an die Frechheiten der Stadt war also gefragt, um den selbstverwalteten politische Raum AJH zu erhalten und ein Zeichen zu setzen für selbstorganisierte linke Strukturen.

Demonstration

Wie aus gut unterrichteten Quellen zu erfahren war, nahmen am ersten Dezember-Samstag wiederum um die 100 junge und alte Menschen an der Demonstration durch downtown Bargteheide teil. Auf dem Fronttranparent war diesmal die inhaltliche Verbindung zur wachsenden Gemeinde Bargteheide hergestellt, die gerade unheimliche Summen für die Aufbereitung ihrer zentralen (und einzigen) Einkaufsstraße ausgibt: "Bargteheide wächst - Wo bleiben wir - Autonomes Jugendhaus erhalten!" Gerüchte besagen, dass das
Fehlen einer konkreten Forderung auf dem Transpi kritisiert wurde. Vielleicht spiegeln die drei Zeilen auf einem Transpi hier einen
mühsam errungenen Konsens wieder... Gegen 12 Uhr setzte sich die Demo dann in Bewegung, um vor dem Rathaus eine erste Zwischenkundgebung abzuhalten. Die dort gehaltenen Reden sind der schreibenden Person leider nicht bekannt, es wurde aber kolportiert, dass in Anlehnung an eine us-amerikanische Vorabendserie über den Lauti nach dem Bürgermeister Herrn Mitsch gefragt wurde: "Ist hier jemand, der Mitsch heißt?" Nach einer Zwischenkundgebung und Konzert auf dem Marktplatz und einer weiteren Zwischenkundgebung vor dem Polizeirevier zog die Demo zum Autonomen Jugendhaus selbst.
Die regionale Presse berichtete wieder einmal überwiegend positiv (www.abendblatt.de/daten/2004/12/02/371189.html und
www.bagdadcity.de/nuke/modules.php?name=News&file=article&sid=147&mode=&order=0&thold=0)

Kampage in der Pampa

Auch nach der Demo rollt die Kampagne weiter: am heutigen Mittwoch, den 8.12., erschien im örtlichen Käseblatt "Markt" eine ganzseitige Anzeige für den Erhalt des Jugendhauses, die neben Pastor, Rektor des Gymnasiums, diversen Gestalten des öffentlichen Lebens einer Kleinstadt wie Bargteheide auch der Filmemacher Detlev Buck unterzeichnet hat. Das sollte Eindruck machen in einer Stadt, die sich einiges darauf einbildet, dass ihr Kino öfters mal Kleinkunstpreise bekommt.
(www.bagdadcity.de/nuke/modules.php?name=News&file=article&sid=148&mode=&order=0&thold=0)
Weitere Aktionen in der Vorweihnachtszeit sind geplant und es ist zu hoffen, dass der Elan und der Enthusiasmus, mit dem hier von jungen Menschen aus Bargteheide mir-nichts-dir-nichts ein weiterer Krawall im Kuhstall (siehe:  http://de.indymedia.org/2001/08/6833.shtml) organisiert wurde, nicht versiegt und so lange weiter Stunk gemacht wird, bis die Leute in der Stadtverwaltung uns das Rathaus rausrücken.

Das Autonome Jugendhaus Bargteheide ist nicht zufällig jetzt bedroht. Auch hier greifen die aktuellen politischen Ideologien und ökonomischen Entwicklungen, auch in der Provinz hat mensch den Sparzwang entdeckt. Die PolitikerInnen bemühen sich, Interesse am Erhalt des Hauses zu versichern, allerdings scheint so ein Satz, der mit einer Versicherung beginnt, zwangsläufig in einem Verweis auf die finanzielle Lage der Kommune zu enden. Dabei ist offensichtlich, dass hinter der neoliberalen Scheinheiligkeit keineswegs ein politischer Zwang steckt: für die Entwicklung von Infrastruktur werden Millionen verbretzelt; und die benachbarte Stadt Bad Oldesloe zeigt mit einem Zuschuss von 20.000 Euro für ein Jugendprojekt, dass Geld irgendwo her kommen kann. Aber das ist gar nicht der Punkt:
das Autonome Jugendhaus Bargteheide soll und wird bleiben - egal, ob die Stadt meint, sie hätte Geld oder nicht.
Das AJH ist von Jugendlichen aus Bargteheide gewollt und organisiert. Das Autonome Jugendhaus Bargteheide bleibt.

Im Folgenden Fotos des AJH und der Demo und der Text eines betont bürgerInnen-freundlich gehaltenen Flugis, dass zur Demo mobilisierte und auch dort an zahlreich rumstehende PassantInnen verteilt wurde.

An dieser Stelle liebe solidarische Grüße aus der Metropole an die unglaublich tollen Leute, die in der letzten Zeit Bargteheide auf die Füße gestellt haben. Rock on!


text flugblatt:
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wenn bargteheide wächst... ist kein platz mehr für jugendliche?

selbstverwaltete jugendarbeit in bargteheide

Im Autonomen Jugendhaus Bargteheide in der Lübecker Straße 45 machen nun schon seit 20 Jahren Jugendliche ihre eigene, für alle offene soziale, kulturelle und politische Arbeit.
Der Bebauungsplan 16 bietet der Stadt Bargteheide nun den Vorwand, diese selbstorgani-sierte und selbstverwaltete Jugend-arbeit in Bargteheide wegzu-kürzen. Das Haus soll weg, ein Ersatz sei nicht finanzierbar. In Bargteheides Stadtentwicklung spielen Jugendliche anscheinend keine Rolle. Ein selbstverwaltetes Jugendhaus in Bargteheide ist aber weiterhin möglich und dringend nötig.
Seitdem das „Autonome Jugendhaus Bargteheide“ (AJH) 1984 als ein selbstverwaltetes und eigenständiges (deshalb „autonomes“) Haus für Jugendliche aus Bargte-heide und Umgebung entstanden ist, fand dort ein für die Bargte-heider Jugendlichen und damit für Bargteheide wichtiges kulturelles und politisches Leben statt.
Der offene Raum AJH bot und bietet bis heute die Möglichkeit, werktags und am Wochenende die Zeit zu verbringen, FreundInnen zu treffen oder aber sich aktiv zu
beteiligen am Erhalt des AJH, das ganz ohne Betreuung durch Sozial-arbeiterInnen funktioniert. Das Haus geöffnet und am Laufen zu halten ist aber nur die eine Seite; seit 20 Jahren fanden und finden regelmäßig Veranstaltungen jeg-licher Art statt: Café-Betrieb, Film-Abende oder Kurzfilmfest-ivals, Konzerte und Parties, Spiel- und Themenabende, Seminare und Diskussionsrunden. Zuletzt Ende November diesen Jahres im Rahmen des „Aufbruch-Seminars“. Zudem bietet das AJH politischen Jugendgruppen Raum, die Veran-staltungen zu Antifaschismus, den weltweiten Kriegen, zu Friedens- oder Umweltpolitik und diversen anderen Gebieten organisiert haben und organisieren. Hier findet sie statt, die so oft geforderte Eigeninitiative. Das AJH ist ein zentraler und lebendiger Bestandteil der Jugendkultur Barg-teheides. Und es bietet - das ist ein Punkt, den die so sorgfältig rechnenden und kalkulierenden Menschen in Stadtverwaltung und -vertretung bedenken sollten - Jugendarbeit umsonst. Denn das AJH trägt sich durch Spenden und Partyerlöse selbst: unter anderem Strom, Heizung, Versicherungen, Telefon.

jugendhäuser zu containern?

Das erste, letzte und vorgeblich einzig mögliche Angebot, dass die Stadt Bargteheide in Person von Frau Clobes und Herrn Mitsch uns machte, betrifft drei der Container am Sportgelände des Sportvereins. Nach einer Ortsbegehung war klar: eine vernünftige, kontinuier-liche Jugendarbeit ist dort nicht möglich. Nicht nur, dass die drei Container selbst zusammengenom-men einen kleineren Raum ergeben als das aktuelle Haus bietet. Ein Büroraum, wie aktuell vorhanden und unter anderem auch als Archiv für Dokumente von 20 Jahren sozialen und politischer Arbeit genutzt, würde sich dort nicht einrichten lassen. Die Dauer der Standberechtigung der Container ist zudem noch ungeklärt.Dieses Angebot ist eher ein Witz als ernsthafte Politik. Einen Raum für Jugendarbeit durch Jugendliche selbst stellt es sicherlich nicht dar.

Das Autonome Jugendhaus zu erhalten - in einem anderen Gebäude, an einem anderen Platz - ist jedoch möglich und nötig.
Angebote und Zugeständnisse sind vom AJH gemacht worden - es ist an der Stadt Bargteheide, sich nicht hinter der großen Kürzungswelle an sozialen und kulturellen Bereichen zu ver-stecken, Jugendliche als Teil Bargteheides wahrzunehmen und so ihrem eigenen Motto gerecht zu werden: „Stormarns lebendige Stadt“ braucht ein lebendiges Autonomes Jugendhaus!
Klar ist, dass wir uns nicht mit drei Containern abspeisen lassen. Im Interesse selbstverwalteter Jugend-arbeit und im Interesse der Stadt Bargteheide fordern wir eine Lösung, bei der wir als Jugend-liche einbezogen werden und die diesen Namen auch verdient. Und wir rufen auf zur

DEMONSTRATION für den Erhalt selbstverwalteter Jugendarbeit in Bargteheide,
Autonomes Jugendhaus für die Ewigkeit!
SAMSTAG, 04.12.04, 11 Uhr BAHNHOF BARGTEHEIDE
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Ergänzungen

Geschichtsfälschung

Berufsdemonstrantin 09.12.2004 - 16:59
Dem Artikel ist hinzuzufügen das es bereits mind. eine weitere Demo in B. gab. Ich glaube die war gegen Rassismus. Vor ca. 11 Jahren. Naja, wollte das nur mal rechthaberisch zum besten geben und alle diejenigen Grüßen, die auch schon so lange dabei sind.
(Nicht den, der vor 11 Jahren sein Bier nicht aus der Hand legen wollte, aber der ist jetzt bestimmt schon bei den Alkies)

"Geschichtsfälschung leicht gemacht"

cotopaxi soundz (from abroad) 09.12.2004 - 17:29
...na ja: der Artikel sagt, dass das erste Mal zwei Demos in ein und demselben Jahr stattfanden. Das ist keine Geschichtsklitterung, sondern echt, wirklich und wahr. Das glaube ich zumindest. Und an die Demo erinnere ich mich auch, außerdem gab's mal so'n SchülerInnen-Demo gegen Kürzungen bei Schulen und LehrerInnen in Schleswig-Holstein... einiges los im Kaff.
Wir können das ja Weihnachten im AJH besprechen.
Chiffre "Geschichtsfälschung"...

Fragen

Fragen 09.12.2004 - 19:34
Welche Parteien/Politiker stehen dahinter? Sollten in einer Kleinstadt oder einem Kuhdorf nicht diese klar benannt und diffamiert werden? inwiefern iwst das ding autonom? was macht ihr bei einer raeumung?

Antworten @Fragen

cotopaxi soundz 09.12.2004 - 23:46
(Vorab sei hier angemerkt, dass ich nicht für das Plenum der momentan im AJH Aktiven spreche, sondern persönlich als sympathisierender Ex-Aktiver aus der Ferne.)

Die Verantwortlichen für die Haltung der Stadt gegen das AJH sind zum einen die im Magistrat der Stadt sitzenden KommunalpolitikerInnen. Der Magistrat besteht vordergründig aus Mitgliedern von CDU, SPD und der äußerst gesichtslosen Wählervereinigung WfB, inhaltlich allerdings gibt es dort zumindest in dieser Frage wenig Differenzen. Den konkreten Kontakt zum AJH haben in der Vergangenheit der Bürgermeister Werner Mitsch und Frau Clobes aus der Stadtverwaltung -deren genauen Titel ich grad nicht weiss - übernommen. Mitsch ist seit einigen Jahren Bürgermeister in Bargteheide und versucht, das Image einer wachsenden, innovativen und aufgeräumten Kleinstadt zu verkaufen - neulich wurde der 14.000ste Einwohner großartig begrüßt. (Der Blumenstrauß erinnerte so ein bißchen an das Moped für den millionsten Gastarbeiter...)
Gerade Mitsch ist in Bargteheider Kommunalpolitik so oder so der Kopf, auf dessen Mist Erfolge oder Misserfolge wachsen. Er wurde namentlich im Flugi genannt, eine differenzierte Diffamierung wäre meiner Ansicht nach angesichts der breiten Unterstützung im Magistrat fehl am Platz.
Die Sache ist im Bargteheider Stadtklatsch, nun muss weiterhin bürgerfreundliche Öffentlichkeitsarbeit gemacht werden.
Das AJH ist finanziell unabhängig und sozialpädagogisch unkontrolliert. Es ist rechtlich nicht besetzt oder geduldet, in einem metropolen-fixierten Sinn also nicht klassisch "autonom". Faktisch aber hat dort seit 20 Jahren -mal mehr, mal weniger- eine autonom organisierte politische Jugendarbeit stattgefunden. War "Autonomes" in den achtziger Jahren vielleicht noch Bezug auf eine soziale Bewegung oder Theorie, beschränkte sich der Bezug in den letzten Jahren auf die Wahrung konkreter Unabhängigkeit von städtischer Jugendarbeit. Durch das Neubaugebiet bedroht wäre das AJH
so oder so - besetzt oder nicht.
Was -wenn keine akzeptable Lösung gefundern werden sollte, was nicht unbedingt der Fall sein muß- bei einer Räumung Ende Februar passiert, kann ich nicht sagen. Ich kann nur anmerken, dass Bargteheide nur in der Nähe von, aber nicht Hamburg selbst ist...

Jedenfalls ist es sinnvoll, informiert zu bleiben und zumindest zur fulminanten Abrissparty zu erscheinen... stay tuned!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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äääääääääääähhmm... — cotopaxi soundz (from abroad)

nette bude — ;-)