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Berlin Antifas mobilieren nach Pirna

kapist 16.11.2004 12:00
Am 27.11. findet in Pirna / Sachsen eine Antifa Demo unter dem Motto: Schöner leben ohne Naziläden! im Rahmen der gleichnamigen Kampagne statt. Sie richtet sich gegen die rechtsextreme Infrastruktur in der Region, bisher vor allem gegen den Laden »Backstreetnoise« und das Plattenlabel »PC Records« in Chemnitz. Die Auftaktdemonstration in Chemnitz wurde von bis zu 200 Nazis angegriffen; dabei drangen einzelne Schläger bis in die Demo vor und bewarfen die TeilnehmerInnen mit Steinen, Stöcken u.ä. Unter dem Eindruck des Angiffes auf die Demo und den Wahlerfolgen der neonazistischen NPD mobilisieren Berliner Antifagruppen zur Demo nach Pirna.
Aufruf des Berliner Vorbereitungsbündinsses zur Demo:
"Schöner leben ohne Naziläden!" in Pirna am 27.11.04

Wir hören nicht mit der Scheiße auf, bis die Scheiße aufhört!
Die jüngsten Wahlergebnisse für DVU und NPD in Sachsen und Brandenburg markieren eine Zäsur. Das strategische Vorhaben, der Zersplitterung der extremen Rechten durch Kooperationen und Wahlbündnisse entgegenzuwirken, scheint trotz der Befindlichkeiten ihrer profilneurotischen Parteivorsitzenden zumindest vorerst zu einem Erfolg geführt zu haben.
Mit dem Wiedereinzug der Brandenburger DVU in den Potsdamer Landtag wurde trotz eines desolaten Außenbildes der Partei in sämtlichen Prognosen gerechnet; das Abschneiden der NPD in Sachsen löste allerdings kurzfristig hektische Aktivität in Politik, Wirtschaft und Medien aus. Der gebetsmühlenartig wiederholten Befürchtung, ein Einzug von NPD und DVU in die Landesparlamente würde ausländische Investoren abschrecken und so dem Standort Deutschland enormen Schaden zufügen, folgte - leider - nichts. Kein Investor hat sich aus politischen Gründen aus der Region zurückgezogen oder dies auch nur angekündigt. Warum auch. Es ist eine alte Weisheit, dass dem Kapital Herrschaftsverhältnisse relativ egal sind, solange die reibungslose Durchsetzung seiner Interessen dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Der per offenem Brief verbreiteten Erklärung sächsischer Politiker und Wirtschaftsvertreter, "das Wahlergebnis (sei) in vielen Fällen als Protest- und Warnsignal...von Menschen, die sich mit ihren Problemen und Ängsten allein gelassen fühlen" zu werten, bleibt nur hinzuzufügen, was alle eigentlich schon immer wussten: die ersten und eigentlichen Opfer der Nazis sind die Deutschen selbst.
Die entpolitisierenden Erklärungsversuche nahmen kein Ende. Der Chef des regionalen Tourismusverbands scheint aber in der Lage, die Situation in der Sächsischen Schweiz genauer zu erklären: "Eine Region, die vom Fremdenverkehr lebt, kann nicht fremdenfeindlich sein". So wird im Namen des Standorts seit Jahren das Ausmaß der Verankerung rechtsextremer Strukturen in der Region verharmlost oder verleugnet. Denn eine Überraschung waren diese Ergebnisse nicht: schon bei den Gemeindewahlen im Mai hatte die NPD in einigen Orten der Sächsischen Schweiz bis zu 25 % der Stimmen erhalten.
Der mit ihrem Einzug in den sächsischen Landtag einhergehende Geldsegen wird den Ausbau der NPD-Strukturen auch in anderen Regionen Deutschlands enorm erleichtern. Die durch ihre parlamentarische Immunität vor einer Beobachtung durch Verfassungsschutz geschützten Abgeordneten bringen weitere NPDler als Mitarbeiter der Landtagsfraktion mit sich; während ihr der wahrscheinliche Sitz im Verfassungsschutzkontrollausschuss erleichterten Zugang zu Informationen sowohl über den politischen Gegner als auch zu den Ermittlungen gegen die Partei selbst bringen wird.
Vor der Drohkulisse des von der Bundesregierung angestrengten Verbotsverfahrens engagierten sich die militanten Nazis der Partei landesweit zunehmend in der schwerer zu kriminalisierenden Kameradschaftsszene. Diese in der Sächsischen Schweiz relativ starke Szene konnte sich seit dem Zusammenbruch der DDR - vor allem aufgrund des fehlenden politischen Willens antifaschistische Projekte und Basisarbeit zu unterstützen - lange ungestört entwickeln.
Während das Scheitern des Verbotsverfahrens der NPD das juristische Gütesiegel einer nicht-militanten, quasi-demokratischen Partei verlieh, wurde auf den Straßen und in den Dörfern eine rechtsradikale Dominanzkultur durchgesetzt, die die Bedingungen für antifaschistisches Engagement zunehmend verschlechterten. In einigen Orten der Sächsischen Schweiz werden Nazis mittlerweile nicht mehr als Bedrohung angesehen, sondern als gleichberechtigte Akteure innerhalb der politischen Sphäre gesellschaftlich akzeptiert. Die Forderung eines von SPIEGEL-TV interviewten Einwohners der Sächsischen Schweiz, man möge doch bitte "zwischen der NPD und den Braunen unterscheiden", macht deutlich, wie stark es den Nazis bereits gelungen ist, sich der Bevölkerung als wählbare Alternative zu den sogenannten "Systemparteien" zu präsentieren.
Die PDS, der es in den Jahren nach dem Zusammenbruch der DDR und der darauffolgenden Wiedervereinigung gelungen war, als parlamentarisches Ventil für das diffuse Unbehagen der sich zu kurz gekommen wähnenden Bevölkerung zu dienen, hat ihre Identität als Protestpartei weitgehend verloren, weil sie sich durch die Beteiligung an Regierungen und damit einhergehend einer Mitverantwortung unpopulärer Maßnahmen unglaubwürdig gemacht hat. 15 Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR gilt die PDS mit ihrem realpolitischen Kurs mittlerweile Vielen eher als Exekutorin der Verhältnisse denn als Interessensvertretung.
Mit antikapitalistischer Rhetorik und antidemokratische Programmatik und dem positiven Bezug auf in der Bevölkerung weitverbreitete rassistische Ressentiments gewinnt dagegen die NPD verstärkt an Authentizität als oppositionelle Kraft "von hier". In der Sehnsucht der ostdeutschen Modernisierungsverlierer nach einer sie vor den Zumutungen der kapitalistischen Transformation schützenden Gemeinschaft und einer Ordnung der als undurchschaubar empfundenen ökonomischen Prozesse, greifen sie die völkischen Angebote der Neonazis dankbar auf. Die Enttäuschung über das uneingelöste Glücksverspechen des Kapitalismus, die realen Ängste vor einem ökonomischen Absturz und die Frustration über die immer geringere Aussicht auf Partizipationsmöglichkeiten am gesellschaftlichen Reichtum verstärken den Wunsch nach einfachen Lösungen. Einen nicht unerheblichen Teil ihres Stimmenzuwachses von über 130.000 Stimmen (davon mehr als die Hälfte Nichtwähler) dürfte die NPD durch ihre Antwort auf die soziale Frage erreicht haben - den starken Staat und das völkische Kollektiv.
Während die Akzeptanz des politischen Systems rasant sinkt, füllen die Identifikationsmöglichkeiten rechtsextremer Weltanschauungen vor dem Hintergrund einer als bedrohlich und fremdgesteuert wahrgenommenen Veränderung der kapitalistischen Welt und einer weitverbreiteten nationalistischen Stimmungslage eine soziokulturelle Lücke. Unterdessen werden gerade in strukturschwachen Regionen unrentable soziale Angebote mit Verweis auf Haushaltslage und knappe Kassen abgebaut. Die subkulturelle Basis der NPD nutzt diese Entwicklung effektiv aus und organisiert Rechtsrockkonzerte, Heimatabende, Kinderfeste. Sie hilft bei der Freiwilligen Feuerwehr, führt Jugendklubs, forscht für die Dorfchronik, richtet den Maibaum auf und stellt bei größeren Veranstaltungen den Ordnerdienst. Abgesehen von den national befreiten Jugendzentren spielen für die weitere Rekrutierung neuer Sympathisanten und Mitglieder vor allem auch Plattenläden und rechtsextreme Versände eine wichtige Rolle. Neben szeneüblichen Bekleidungsmarken wie "Thor Steinar" und Propagandamaterialen werden hier insbesondere Tonträger mit Nazimusik an den jungen Nationalisten gebracht. Der Konsum einer eigenen, radikalen und unabhängigen Musik stiftet hier nicht nur kulturelle Identität, sondern dient auch der Finanzierung weiterer Projekte.
Die seit der Wende regierende CDU hat vor dieser Entwicklung nicht die Augen verschlossen - sie hat ihren eigenen Umgang mit dem Problem gefunden. Zum Erstarken der NPD erklärte ein Landtagsabgeordneter der Regierungspartei: "Für...die schnellere Abschiebung oder die Bekämpfung der Mafia brauchen wir die NPD nicht. Das fordert auch die sächsische CDU."
Doch in ihren Hochburgen bekämpft man Nazis nicht etwa, indem man ihnen ihre logistische Grundlage entzieht, Präventionsprojekte und Aufklärungsarbeit (nicht nur) an Schulen fördert oder die Opfer rechter Gewalt schützt und unterstützt. Vielmehr werden Aktionsbündnisse gegen "Extremismus und Gewalt" gegründet, deren großartigen Erfolge sich vor allem im Dulden und Verharmlosen der größten rechtsextrem geprägten Jugendsubkultur Deutschlands äußern. Man dürfe die jungen Leute nicht abschreiben, da sie sonst noch weiter (sic!) in die rechtsradikale Szene abrutschen würden, fordern die Vertreter der sich zivil nennenden sächsischen Gesellschaft, als ob ihr als "irgendwie auch gerechtfertigte Kritik" fehlgedeutetes Bekenntnis zu Rassismus, Sozialdarwinismus und Antisemitismus durch einen fehlenden Jugendklub entstehen würde. Und wenn der CDU-Bürgermeister der NPD-Hochburg Reinhardtsdorf-Schöna ungestraft bemerken darf, mit den Abgeordneten der NSDAP-Nachfolgepartei könne er besser zusammenarbeiten als mit der PDS, wird das Ausmaß der kommunalpolitischen Barbarei in der Sächsischen Schweiz noch etwas deutlicher.
Wenn wir am 27.11. dahin fahren, wo die Nazis und ihre WählerInnen versuchen, ihre beschissene kleine Volksgemeinschaft umzusetzen, sind wir uns der Tatsache bewusst, dass das Einfordern demokratischer Mindeststandards kaum geeignet ist, unserem Anspruch auf eine aus dem Koordinatensystem der bestehenden Geschäftsordnung ausbrechende Kritik am großen Ganzen einen geeigneten Ausdruck zu verleihen. Als logische Konsequenz einer kommunistischen Gesellschaftskritik aber muss dort, wo der Aufstand der Anständigen nie angekommen ist und das notwendig falsche Bewusstsein munter barbarische Weltanschauungen produziert, die Negation der sächsischen Verhältnisse zuvorderst eine antifaschistische sein. Eine Ideologisierung derartiger Interventionen scheint da wenig sinnvoll; nicht zuletzt, weil eine Kritik der bürgerlichen Gesellschaft nicht mit einem moralisch-empörten Verweis auf ihre Schwachstellen zu haben ist.
Antifaschistische Praxis verstehen wir an diesem Punkt als reinen Selbstzweck, was ihrer Legitimität nicht im geringsten widerspricht. Als radikale Linke, als KommunistInnen oder AnarchistInnen sehen wir es als leidige Pflicht, der hegemonialen Widerwärtigkeit in der Sächsischen Schweiz etwas entgegenzusetzen. All jene gilt es zu stärken, denen das bessere Argument und die Vernunft, eine Mindestmaß an Humanismus oder gute Musik wichtiger sind als Ahnenerbe und Heimatverbundenheit. Ein Ansatzpunkt antifaschistischer Intervention muss daher sein, linke Strukturen vor Ort darin zu unterstützen, dem Klima der Angst ein Ende zu bereiten. Aus Antifa wieder Angriff werden zu lassen bedeutet auch, der rechtsradikalen Dominanz eine linke, emanzipatorische Jugendkultur entgegenzusetzen. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, gelang es dort, wo es eine starke antifaschistische Bewegung gab, die Nazihegemonie zu brechen. Für Pirna bedeutet dies, den GenossInnen dort in ihrem Kampf um ein antifaschistisches Jugendzentrum beizustehen.
Faschisten bekämpfen.
Deutschland auflösen.
Kapitalismus abschaffen.
Für ein antifaschistisches Jugendzentrum (nicht nur) in Pirna!
Antifa heißt Angriff!

 http://www.kp-berlin.de
 http://www.pirnaurlaub.tk (berliner bündnis)
 http://www.stoppnazilaeden.de.vu
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Ergänzungen

Bus aus Köln

gelesen 16.11.2004 - 14:25
abseits der verbalmilitanz einiger kommentare hier, gibt es ab köln auch einen bus, ich glaube diese mad gruppe organisiert den: www.mad.antifa.net

noch ein aufruf...

pirnachen* 16.11.2004 - 16:49
...aus berlin zur demo gibt es unter  http://www.antifau7.tk zu lesen.

auf nach pirna!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Nazikommentare löschen — deutschland? nie wieder!