EZLN äußert Kritik und Selbstkritik

Gruppe B.A.S.T.A. 31.08.2004 11:47 Themen: Globalisierung Weltweit
Subcomandante Marcos, Sprecher der Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN, sorgt aktuell in Mexiko mit einer Serie von Kommuniqués für Aufregung. Die EZLN distanziert sich darin scharf von der gesamten politischen Klasse, sie reflektiert die Entwicklung in den zapatistischen Gebieten und betont die Bedeutung der politisch aktiven Zivilgesellschaft, um positive Änderungen im Land zu erreichen.
Der sozialdemokratischen PRD wirft Marcos Provinzialismus, Korruption und Populismus vor. Der Ex-Staatspartei PRI werden massive Korruption im Kontext des Erdölunternehmens PEMEX, jahrzehntelanger Wahlbetrug und eine völlig unzureichende Aufarbeitung des "schmutzigen Krieges" gegen soziale AktivistInnen in den 70er Jahren zur Last gelegt. Die Partei der Nationalen Aktion (PAN) von Präsident Fox wird beschuldigt, sich an Stiftungen sowie an staatlichen Fonds zu bereichern.

Alle drei Parteien, so Marcos, kümmerten sich eher um Denunziation des politischen Gegners bzw. das eigene Image in den Medien, als um die Probleme des Landes. Die Rechte unterwandere die Parteien, greife verstärkt auf gewaltsame Repression zurück und "will der mexikanischen Gesellschaft Intoleranz statt Respekt für den Anderen, Rassismus statt menschlicher Werte und Almosen statt Gerechtigkeit aufoktroyieren. In der Summe: Das Mittelalter, aber mit Internet und hochauflösendem TV".

Besonders differenziert geht der "Sup" auf die zapatistischen Gemeinden im südlichen Chiapas ein, die sich seit einem Jahr selbst verwalten. Während die Partizipation der Frauen in den EZLN-Strukturen zwischen 33 und 40 % liege, müsse die Lage in den Dörfern weiter verbessert werden: "Wir können, was die Frauen angeht, immer noch keinen guten Bericht abliefern, bezüglich der Schaffung von Voraussetzungen für ihre Entwicklung und einer neuen Kultur, die ihre Fähigkeiten und Begabungen würdigt, die angeblich den Männern vorbehalten sind. Auch wenn uns klar ist, dass dies lange dauert, hoffen wir, eines Tages mit Zufriedenheit sagen zu können, dass wir zumindest diesen Aspekt der Welt in Unordnung gebracht haben. Allein dafür würde sich alles lohnen".

Marcos räumt ferner ein, dass der Einfluss der EZLN als politisch-militärische Organisation in den Gemeinden zum Teil noch zu groß sei: "Die Idee war, dass die EZLN die Gemeinden bei der Errichtung ihrer Autonomie begleiten und unterstützen sollte. Diese Begleitung verwandelte sich jedoch manchmal in Verwaltung, Beratung in Anweisungen und die Unterstützung in Behinderung".

Gegenüber der Kritik einiger Nichtregierungsorganisationen (NRO) an den neuen Selbstverwaltungsorganen, den "Juntas der Guten Regierung", bleibt Marcos jedoch beharrlich. Einige NRO hatten die wöchentliche Rotation dieser Gremien kritisiert, da stets alles wieder neu erarbeitet werden müsse. "Der Zweck ist, dass die Aufgabe des Regierens nicht ausschließlich einer Gruppe vorbehalten ist, und es keine 'professionellen' Anführer gibt, damit so viele Menschen wie möglich sie erlernen".

Im Bereich der Konfliktlösung seien Erfolge zu melden: "Anders als in den vorherigen Jahren, gingen die Konflikte zwischen Gemeinden und Organisationen in den Gebieten der Juntas zurück (...). Verbrechen werden gelöst, nicht nur bestraft".

Marcos betonte, dass die Basisstruktur auch den Vorteil habe, Korruption praktisch zu verunmöglichen und wies auf die Langfristigkeit zapatistischen Denkens hin: "Eine gründliche Analyse wird zeigen, dass dies ein Prozess ist, in dem ganze Gemeinschaften lernen zu regieren".

Die dritte Analyse betrifft die 'Zivilgesellschaften', die dabei seien, ein globales horizontales Widerstandsnetzwerk aufzubauen und in der zapatistischen Philosophie der Selbstverwaltung einen zentralen Hoffnungsträger verkörpern. " Von Anbeginn an erhielt unsere Bewegung die Unterstützung und Großherzigkeit Hunderttausender Personen aus fünf Kontinenten".
Die Unterstützung habe trotz großer Schwierigkeiten angehalten. "Trotz alledem arbeiteten die 'Zivilgesellschaften' wegen, für, und mit uns, (...) weil sie (...) eine Sache als die Ihre annahmen, die für uns noch immer größte Bedeutung hat: die Errichtung einer Welt, in die alle Welten passen".

Gruppe B.A.S.T.A., 1.9.2004

PS: Vielen leben Dank an Dana für die Übersetzung der Kommuniqués!

Dies ist nur eine kurze Zusammenfassung! Die vollständigen Comunicados gibt es z.B. unter www.gruppe-basta.de
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Ergänzungen

Film über die Situation in Mexiko

IndyKino Duisburg 18.11.2004 - 14:55
Dienstag, 21.12.2004 - 20:30, im Djäzz (Börsenstr.11 - Duisburg)

Panteon Rococo

(BRD, 2003, 53 min) Der Film portraitiert die mexikanische Ska-Punk-Helden Panteon Rococo und beleuchtete außerdem die politischen Verhältnisse in Mexiko.
Der Film ist eine hochexplosive Mischung aus Live-Mitschnitt, Politreportage und Reiseführer. In zahlreichen Interviews wird neben der Bandgeschichte auf die sozialen Probleme der mexikanischen Gesellschaft und auf den Kampf für die Rechte der indigenen Bevölkerung eingegangen.
Zu Wort kommen unter anderem Mitarbeiter von Indymedia Chiapas, ein Bandmitglied, das sich für ein autonomes Kulturzentrum einsetzt und ein Vertreter der Menschenrechtsorganisation Chiapas Zudem werden die Ziele der Zapatistas beleuchtet und ein kurzer Überblick über die Geschehnisse indegenen Bewegung seit 1994 gegeben.

Weitere Infos:
 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/indykino-du/