HH: Polizei randaliert auf Schanzenfest

warnennettesfest 30.08.2004 13:20 Themen: Freiräume Repression
Im Verlauf des Schanzenveirtelfestes kam es zu einem schweren Wasserwerfereinsatz durch die Polizei. Sieben Leute wurden laut Presse vorübergehend festgenommen. Zahlreiche BesucherInnen des Festes verletzt. Zumindest eine Person so schwer, das sie stationär behandelt werden muß. Laut Taz Hamburg sind noch in der Nacht mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden bei der ansässigen Lerchenwache eingegangen.
Das Straßenfest im Schanzenviertel findet schon seit Jahren statt. Diesmal wurde es nicht angemeldet. Laut eines Flugblattes verstand sich das Fest als Ausdruck der Solidarität mit den Kämpfen gegen das Mövenpick Hotel im Wasserturm und den Erhalt der Wagenplätze, z.B. des Wendebeckens, diesem droht ab Dienstag die Räumung. Ausdrücklich bezog es sich auch auf das Karofest im benachbarten Stadtteil. Dies wurde vor ca. zwei Monaten verboten und von einem großen Polizeiaufgebot unterbunden.

Bereits seit 7 Uhr morgens belagerten kleine Trupps der Bereitschaftspolizei die Straßen in denen gefeiert wird (Schulterblatt, Susannenstraße, Bartelsstraße). Anfangs wurden Flohmarktstände auf dem Gehweg toleriert, aber sowohl Getränkestände als auch der Aufbau auf der Straße unterbunden. Am Vordereingang der Roten Flora wurde gegen 11 Uhr mit dem Bau einer Bühne begonnen. Gegen 11.30 rückte daraufhin eine Hundertschaft der Polizei vor und versuchte zur Bühne zu gelangen. Zahlreiche Personen bemühten sich dies zu verhindern und ein gröberes Gerangel entstand. Die Polizei hatte sichtlich Mühe den Abbau der Bühne durchzukämpfen. An der Bühne angekommen zerlegten sie die Unterkonstruktion und beschlagnamten das Kleinholz und übriggebliebene Bühnenteile. Noch während der Beschlagnahme ging ein Soundsystem mit Redebeiträgen vom Vordach der Flora in Start.

Zu diesem Zeitpunkt waren bereits überall Flohmarkt und Infostände und über 1000 FestbesucherInnen wackelten über die verschiedenen Straßen. Kurze Zeit darauf hatte die Einsatzleitung ein einsehen, das an der Sperrung der Straßen aus Sicherheitsgründen kein Weg vorbeigeht. Danach füllte sich schnell der restliche Platz und das Fest ging ungestört seinen, weiteren Gang. Vor der Flora wurde derweil eine neue Bühne aufgebaut und in Betrieb genommen. Die Polizei hielt sich daraufhin zurück und das Fest ging in ruhiger und gelassener Stimmung seinen weiteren Gang.

Auf einem Redebeitrag der Sopo (Sozialpolitische Opposition) wurde Bezug von den Kämpfen um selbstorganisierte und unkontrollierte Stadtteilfeste, zu den Auseinandersetzungen um Wagenplätze und vor allem die soziale Frage hergestellt. Hartz4 und Sozialabbau wurden kritisiert und zu weiterem Protest aufgerufen, unter anderem zu einer sozialrevolutionären Demo in Wilhelmsburg.

Auf dem Fest selber waren zahlreiche Infostände und Initiativen vor Ort. Von Mieter helfen Mietern, über Wagenplätze, FSK, der Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und migrantischen Organisationen hatte sich ein breites Spektrum selbstorganisiert beteiligt. Neben dem politischen Programm gab es auch wieder einen Flohmarkt und zahlreiche private Soundsysteme. Mehrere tausend Leute (die genaue Zahl ist schwer zu schätzen) besuchten das Fest den Tag über.

Gegen 21 Uhr endete das Bühnenprogram und an der Flora gab es ein kleines Feuerwerk, danach gab es eine nette Performance mit Feuershow und Parolen für das Wendebecken. Gegen 21.30 Uhr kam es zu ersten abendlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Einige Leute hatten an der Kreuzung zur Susannenstraße aus Pappkartons und Holzresten ein Lagerfeuer auf der Straße errichtet um das aus der Menge von ca. 2000 Leuten noch etwa 300 Leute standen. Die Polizei erschien daraufhin mit einer Hundertschaft, die Feuerwehr löschte unter Empörung der Anwesenden das Feuerchen und beide zogen sich wieder zurück. Nach einiger Zeit loderte wieder ein Feuerchen auf der Straße. Draufhin zog die Einsatzleitung alles zusammen was sie hatten. Mehrere Hundertschaften und vier Wasserwerfer fuhren auf.

Durch einen wilden Wasserwerfereinsatz wurde nicht nur die Straße geräumt, sondern auch gleich noch die gesamte Piazza samt den umliegenden Kneipen gewässert. Erst während diesem Einsatz flogen dann auch einige Flaschen gegen die eingesetzten Bullen und andere Leute versuchten mit Ketten die Räumung der Straße zu verhindern. Angesichts der eingesetzten Kräfte war dies leider ein relativ erfolgloses Unterfangen und veranlaßte die Bullen lediglich zu einer väterlichen "Das bringt doch nichts" Ermahnung per Lautsprecherdurchsage, während der Einsatz unverändert heftig weiterging.

Nach fünf Minuten war alles erledigt und die Schergen standen massiv aber relativ planlos auf dem Schulterblatt. "Gebracht" hatte vor allem ihr Einsatz nichts. Das Schulterblatt war kurze Zeit zwar fast vollständig abgeriegelt, aber die Zahl der Leute hatte eher wieder zugenommen und Feuerchen brannten nun teilweise in den Nebenstraßen. Stundenlag rührte sich wenig und irgendwann ging dann auch die Party in der Flora an den Start. Gegen 12 räumten die Bullen ein letztes Soundsystem und ca. 200 Tanzende aus der Rosenhofstraße. Dabei kam es nochmals zu einem schweren Einsatz. Während die Menge von den Bullen aus der Rosenhofstraße Richtung Schulterblatt gedrängt wurde, wurde sie gleichzeitig von den den Cops auf dem Schulterblatt angegangen, hierbei kam es zwangsläufig nochmals zu zahlreichen verletzten.

Bis ca. vier Uhr morgens blockierten die Schergen dann die Straße während der restliche Mob um sie herum weiter feierte. Die Stimmung bei den Cops, die sich müde auf allem was ihnen eine Sitzgelegenheit bot, niederließen war entspechend schlecht.

Das Fest selbst war meiner Meinung nach super und hätte ohne die sinnlosen Angriffe der Bullen auch ohne inszenierte Straßenschlacht der Innenbehörde stattgefunden. Seit drei Jahren sind solche ollen Lagerfeuer immer wieder der Anlaß zum einschreiten gewesen. Die im Polizeijargon "erlebnisorientierte" Menge ist dabei schon immer sehr heterogen. AnwohnerInnen, Kiddies und FestbesucherInnen befeuern in gutgelaunter Stimmung das spotane Lagerfeuerchen. Anlaß zur Eskalation ist lediglich der unverhältnismäßige Polizeieinsatz. Dennoch gab und gibt es weitere politische Gründe für die angespannte Stimmung.

Die angekündigte Räumung des Wagenplatzes Wendebecken überschattet das Schanzenfest ebenso, wie der geplante Hotelneubau im Wasserturm. Dies wurde von Teilen der Lokalpresse auch erkannt. Die Bild titelte "Bambule Chaoten zündeten die Schanze an" und stellte einen direkten Bezug zu den Aktionstagen gegen die Auflösung des Platzes her und prognostizierte düster "Sie sind wieder da: die Bambule Chaoten!". Im Hamburger Abendblatt wurde Bezug auf die Wendebecken Demo vom Vorabend genommen und in der Welt wurde angemerkt "das Phänomen" der "erlebnissorientierten Jugendlichen" habe es schon bei den "Bambule-Demonstrationen gegeben" und "die Szene" setze angeblich auch "weiterhin darauf, diese Klientel für ihre Zwecke zu mobilisieren". Der Senat und die Regierungspresse sollten sich jedoch vorsehen, die Auseinandersetzung als Jugendphänomen oder Instrumentalisierung abzutun. Beides ist falsch.

Die Stimmung ist durchaus schlecht, was nicht nur an der lokalen Politik liegt, sondern auch an den bundespolitisch bestimmten Lebensverhältnissen. Wer an der Existenzgrenze lebt und sich tagtäglich anhören muß was weiter auf ihn zukommt hat allen Grund dazu auf den Saat wütend zu sein. Noch am Vorabend des Festes wurde eine Demo für das Wendebecken per Wasserwerfer aufgelöst. Wenn Bullenspalier und Wasserwerfer sich zu einem normalen Bild der sozialen Realität entwickeln, dann brauchen sich die Verantwortlichen auch nicht zu wundern, das sich irgendwann niemand mehr von diesem ganzen Playmobil Gehabe beeindrucken läßt. Der Ärger über das auftreten Bullen war bei vielen verschiedenen Leuten spürbar und hat mit den politischen Veränderungen der letzten Jahre zu tun.

Termine:
31.08. Wendebecken Räumung verhidern - Kommt zum Platz!
04.09 Naziaufmarsch in Winterhude stoppen!

Presse:

TAZ: "Die Schanzen-Wasserspiele"
 http://www.taz.de/pt/2004/08/30/a0289.nf/text

Welt: "Schwere Ausschreitungen bei Fest im Schanzenviertel "
 http://www.welt.de/data/2004/08/30/325910.html

Abendblatt: "20 Stunden Randale: Chaos im Schanzenviertel!"
 http://www.abendblatt.de/daten/2004/08/30/335007.html

Mopo: "Warum könnt ihr nicht friedlich feiern?"
 http://www.mopo.de/nachrichten/102_panorama_64530.html
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Ergänzungen

Noch ein Feuer

. 30.08.2004 - 13:54
Nachdem die Bullen das Soundstystem in der Rosenhofstr. abgeräumt und sich zurückgezogen hatten, brannte vor der Flora auf der Strasse wieder ein beachtliches Feuerchen. Die Bullen rasten daraufhin mit 2 Wawes dorthin und wurden von einem kurzen, aber heftigen Flaschen, Böller und Steinhagel empfangen. Daraufhin zogen sich die Leute unter heftigem Wasserbeschuss zurück (teilweise Flora und in den Park dahinter.

Bullen verarschen

irgendeiner 30.08.2004 - 16:42
Ich sehe die die Vorgänge beim Schanzenfest und bei der Demo am Abend vorher aus einer etwas anderen Perspektive:

Die Polizei will (oder muss) beweisen, dass sie absolut Herr der Lage und Hüterin der Sicherheit dieser Stadt ist. Dabei hat sie nur ein Mittel: Gewalt - und setzt dieses ein, wie man es etwa von einem 15 jährigen leicht angetrunkenen Teenager kennt: "Entweder ihr tut, was wir wollen, oder wir bringen Euch mit Gewalt dazu. Hört Ihr dann immer noch nicht auf uns, erhöhen wir die Dosis."

Dabei stellt sie absolut lächerliche Regeln auf: bei der Demo durfte weder gehüpft, noch gerannt werden und Lagerfeuer mitten auf einer Kopfsteinpflasterstrasse sind nun auch nicht wirklich gefährlich.

Bessere Vorbagen gibts nicht.

So lächerlich diese Regeln sind, so einfach ist es dann, die Polizei zu immer wilderen Einsätzen zu treiben:

- Einfach ein bischen rennen und die ganze Demo steht, die Knüppelcops machen auf "wir schlagen Euch gleich alle zu Brei" und der Einsatzleiter plärrt böse durch seinen Lauti. Und das alle 10 Minuten. Dass die Polizei wirklich heftig reagiert wegen ein wenig Gerenne ist nicht zu erwarten und so ist das Spiel relativ ungefährlich.

- Oder noch einfacher: Als einzelne Person ein paar herumliegende Pappen anzünden und 2 Minuten später rasen 2 Wasserwerfer mit Vollgas heran und gleich stehen da 200 böse Cops. Das kann man dann auch den ganzen Abend lang machen - es gibt deutlich langweiligeres. 500-1000 Leute haben zugeschaut und sich halb totgelacht.

Randale gab es nicht und die Schanze hat auch nicht gebrannt - statt dessen wurde die sowas von lächerlich agierende Polizei ein um das andere mal verarscht. Schliesslich sogar vor 2 Fernsehkameras mit Federn (aus einem rumliegenden Kissen) übergossen. Und mögen die einzelnen Einsatzcops sich auch geschämt haben - ihre Vorgesetzten schoben offensichtlich einen ganz anderen Film. Und kommen da auch nicht runter.

Wie sollten sie auch: Wer 530 Cops und 4 Wasserwerfer gegen ein paar Lagerfeuer und 100 tanzende Leute einsetzt, muss sich nachher auch rechtfertigen. Wer hohen Sachschaden und verletzte Personen riskiert, um etwas Ruhe wieder her zu stellen, macht sich strafbar.

Und so sind die Springer- und Mopo-Artikel nur Schutzbehauptungen von Einsatzleitern, gegen die noch am Abend Anzeigen wegen Körperverletzung eingegangen sind. Denen die Cops in den letzten Wochen reihenweise zu hohen Bewährungsstrafen weggeurteilt wurden.

Und es geht noch um mehr - je öffentlicher dieses absolut durchgeknallte Verhalten der Hamburger Polizei wird - desto schneller verliert sie das letzte bischen Glaubwürdigkeit, dass sie vielleicht in bürgerliche Kreisen noch besitzt. Und unter Öffentlichkeit verstehe ich auch die 100 Yuppies, die tanzend und mit Cocktails trinkend aufs Übelste weggespritzt wurden.

Und Glaubwürdigigkeit ist grad hoch vonnöten - ein neues Polizeigesetz soll schliesslich her. Und wer gibt ein paar wildgewordenen Möchtegern-Sheriffs schon mehr Kompetenzen. Aber das ist ein anderes (aber auch sehr wichtiges) Thema.

spannend am (und die eigentliche intention

der nestscheißer 30.08.2004 - 16:59
des abendblattartikels) ist die überschrift: "20 Stunden Randale: Chaos im Schanzenviertel", alles was sich (scheinbar oder tatsächlich?) der kontrolle der gegenseite entzieht ist randale, unangemeldet zu feiern inbegriffen. was unkontollierbar ist/scheint muss dieser logik nach polizeilich bekämpft werden. ansonsten halluziniert die bürgerliche presse wieder einmal die legende einer überall zuschlagenden autonomen krake herbei, vor welcher die unbescholtenen bürger/innen schutz beim bürgerlichen staat suchen sollen.

bleibt ansonsten zu hoffen, dass vielleicht wieder einmal das funktionieren könnte, was in den 1980er jahren klappte - reißerische medienberichte, welche gerade bei jungen menschen mit diffusem unbehagen interesse an der radikalen linken wecken, mal sehen ...

Party in der Flora

Schanzen-Fan 04.09.2005 - 19:06
nachdem sich diel age vor der flora erholt hatte, sind wir durch den flora park in die flora gegangen und haben da noch mitgefeiert. wir lassen uns doch nich die laune und den spass von den bullen verderben!!!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Immer wieder... — Interessant

Wieso wird denn... — ...hier...

Seltsam... — GrafRozz