Clement und die Linkspartei

Jens Steiner 05.07.2004 15:30 Themen: Soziale Kämpfe
SPD-Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement diskreditiert im Deutschlandradio die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit als chancenlose "linke Linkeste". Seine Partei werde wieder mehr Zuspruch gewinnen, wenn die Zwangszuweisung von Ausbildungsplätzen für unter 25-Jährige Erfolge zeigt.
Am Montag war im Deutschlandradio ein Interview mit dem SPD-Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement zu hören. Im letzten Teil des Gesprächs wurde er nicht nur auf die Stimmung im Land angesprochen, sondern auch auf die Stimmung, mit der sich die SPD konfrontiert sieht, nachdem Parteichef Franz Müntefering einen stärker werdenden Verlust des Zuspruches der Bevölkerung zur SPD registrieren muss und am Wochenende mit der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit e.V. die Weichen für die Bildung einer neuen Linkspartei gestellt wurden.Dazu sagte Clement wörtlich:

Ich sorge mich wegen der zur Zeit nicht ausreichend vorhandenen Zustimmung zur SPD. Das, was sich dort auf der linken Linkesten tut, das ist nicht mein Problem und das hat auch keinerlei Chance, das wissen wir doch alle, darüber haben wir viel Erfahrung. Das beschäftigt mich nicht. Mich beschäftigt die nicht ausreichende Zustimmung zu meiner Partei, zur SPD, das wird sich ändern, wenn sich zeigt, das der Weg, den wir eingeschlagen haben, Erfolg verspricht und ich gehe davon aus, dass wir mit dem, was wir jetzt auf den Weg gebracht haben, gerade im Arbeitsmarktbereich, dass wir dort in überschaubarer Zeit auch entsprechende Veränderungen erkennbar machen können, zuallererst bei den Jugendlichen, bei der Jugendarbeitslosigkeit, und zwar in Ostdeutschland wie in Westdeutschland, wenn jeder junge Mann und jede junge Frau ohne Ausbildung und Arbeitsplatz zur Zeit unter 25 Jahren auf jeden Fall ein Angebot bekommt, allerdings auch von einem solchen Angebot dann Gebrauch machen muss. Wenn das kommt, glaube ich, dass die Stimmungslage sich verändert. Jawohl, der neue Aufbruch, von dem ich spreche, den ich vor Augen habe, der wird hoffentlich dann auch irgendwann meiner Partei zugute kommen. Da werden Sie verstehen, dass ich diese Hoffnung nicht aufgeben werde.

Damit erkennt Clement an, dass die SPD viel Back up in der Bevölkerung verloren hat. Er diskreditert den neuen politischen Gegner als nicht ernst zu nehmenden äusseren Rand der Linken in Deutschland und betont, dass dies für ihn nicht relevant sei. Die SPD wird wieder Zustimmung finden, wenn sich die Erfolge zeigen. Zum Beispiel wenn die Zwangszuweisung von Ausbildungsplätzen durchgesetzt ist.

Interview als MP3 zum Download hier

Interview als Textversion hier
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Ergänzungen

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Max 05.07.2004 - 16:31
Pressekonferenz der "Wahlalternative" in Berlin (Bericht vom Sonntg mit Fotos)
 http://de.indymedia.org/2004/07/86956.shtml

2 Kommentare gabs auch:
 http://de.indymedia.org/2004/07/86981.shtml
 http://de.indymedia.org/2004/07/86984.shtml


Die SPD wettert dabei immer heftiger gegen die Wahlaternative und einige Medien scheinen sich auch auf SPD-Kurs zu begeben.
Sprüche wie "Tot geborenes Kind" oder "weltfremden und unsozialen Gewerkschaftsfunktionären" beherrschen heute die Schlagzeilen. Interessantweise steht die PDS zur Wahlaternative wie die anderen Parteien vor 5 Jahren zur PDS: "Für den thüringischen PDS-Fraktionschef Bodo Ramelow kommt eine langfristige Kooperation mit der «Wahlalternative» nicht in Frage."


Ansonsten empfehle ich unter dem Artikel  http://de.indymedia.org/2004/07/86981.shtml den Kommentar von weist "@ungültig-wähler"
- der analysiert ziemlich treffend die Bedeutung dieses Vereins.

@max

weist 05.07.2004 - 19:34
Danke für die Blumen! Aber unter uns: Kritik finde ich interessanter, wenn sie ins Detail geht. Eine Sache, die jeder Mensch selbst lernen muß und wo ihm kein anderer auch nur das kleinste Fitzelchen Hilfe geben kann, ist, seiner selbst Herr zu sein, und so unabhängig wie möglich zu der unter Auswertung aller Informationen *für sich* besten Meinung zu kommen. Sonst klappt das nie mit der Anarchie ;-) Und wenn die Leute am Ende Faschos sind, nun, dann waren wir Linken nicht überzeugend genug und müssen daran arbeiten. Ich geh halt davon aus, daß so 75% der Leute theoretisch für irgendeine Form linker Ideologie oder besser: Philosophie zu gewinnen sein müßten (also alle außer Hardcore-Faschos, -Reaktionären und -Kapitalisten, und da das alles elitäre Ideologien sind, sind sie zwangsläufig arm an Massenappeal). 75% sollten reichen, um einen grundlegenden Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in die Wege zu leiten, wenn man das konkrete Ziel offen läßt und flexibel mit der jeweiligen Entwicklung arbeitet. Undogmatisch also. Aber das ist der Vorteil eines anarchischen Ansatzes: daß er, wenn er aufrichtig ist, sich immer mit dem Problem derer auseinandersetzen muß, die keine Anarchie wollen.

Klar ist die PDS dagegen: die Wahlalternative ist das, was definitiv und endgültig verhindert, daß sie jemals mehr als eine sich allmählich in Regierungsbeteiligungen selbst verbrauchende Ostpartei werden kann. Ein Nagel mehr im Sarg einer greis geborenen Partei, der mitlerweile kaum eine Anpassung zu schäbig ist, um einen letzten Frühling an den Fleischtrögen der Macht zu ergeiern.

re Medien: der dieswöchentliche 'Spiegel'-Titel 'Warum die Deutschen wieder mehr arbeiten müssen'... zusammen mit der Anti-Kiffer-Hetze letzte Woche haben wir hier ein selbst für die Hauspostille der pseudolinken Besitzstandswahrer extrem reaktionäres Geschreibsel. Kurz zusammengefaßt: von wegen diese Globalisierung da. Weil nämlich der Stundenlohn eines deutschen Industriearbeiters höher ist als der eines chinesischen. Reaktionär also deshalb, weil hier ein Problem der Postglobalisierungsära (wie gesagt, für mich fand die Globalisierung von 1492-1999 statt, von Kolumbus' Landung auf Guanahani bis zum Battle of Seattle als erste global sichtbare Reaktion auf die Folgen ihres sich-selbst-in-den Arsch-beißens, obwohl letzteres Datum wegen der geringen historischen Distanz sehr subjektiv ist. Späte 1990er halt, whatever) versucht wird, mit Methoden der vergangenen Epoche, sprich: national(istisch)em Protektionismus zu lösen. 'Die Deutschen überaltern', ja, klar, weil wir immer noch kryptorassistisch nicht die Menschen, die aus armen Ländern zu uns kommen wollen, mit offenen Armen aufnehmen, soviele wies nur geht, und alles daransetzen, dies zu einem Land zu machen, in dem sie sich wohlfühlen können, diese Gesellschaft zu einer machen, derer sie gern Teil sind und in die sie gerne, seis durch Arbeit oder kulturelle Gaben, bereichern!
Seltsamerweise sind diese Propheten der Grenzzäune bis zum Himmel dann wieder so globalfanatisch, Binnenkonsum (der unabhängig von Staatsgrenzen immer als regionale Nachfrage eine Rolle spielen wird, wegen der niedrigeren Transport- und anderen logistischen Kosten) offenbar für irrelevant zu erklären...

'Wir brauchen mehr Kinder...' ist die Antwort der meisten Massenmedien auf die ökonomischen und sozialen Probleme, '...mehr Kinder deutschen Geblüts!' Nur schade, daß die Nazis die Idee mit dem Karnickelorden schon hatten; damit ist das ja pfuibah. Wenn wir uns stattdessen Emma Lazarus' ''Give me your tired, your poor,/Your huddled masses yearning to breathe free..'' zu Eigen machen könnten, dann wäre das nicht nur eine echte Anerkennung der Realitäten, sondern auch ein Beweis, daß diese Gesellschaft endgültig begonnen hat, sich vom Gift des Nazismus zu befreien. Zeit wäre es ja.

Aber stattdessen nur halbgare Repetitionen fauler Slogans, vorgetragen von Fossilien des vergangenen Jahrhunderts; Deutschmensch viel faul, Deutschmensch mehr rabotiy. Leute, die über 'Besitzstandswahrung' schimpfen und selbst gepeinigt aufjaulen, wagt man es vorzuschlagen, sie mögen von ihrem zusammengestohlenen Besitz ihren Teil zum Wohlergehen der Gesellschaft beitragen. Leute, die von 'Leistung' faseln, deren eigene Leistungen sich aber primär durch Abwesenheit auszeichnen. Leute, die lang und breit erklären, warum die Glo-Ba-Li-Sierung weniger für alle außer ein paar wenigen bedeuten MUSS, die aber als Antwort darauf mit 'Lösungen' kommen, die schon im späten Zeitalter der Nationalstaaten am Freiheitswillen der Menschen scheitern mußten.

Möllemann war ein gutes Vorbild für die Mitglieder seiner Zunft.

Sommerpanik

saul 06.07.2004 - 10:40
Die Reaktionen zeigen das die SPD mit Grund die Panik bekommt. Wie deren Agenda ankommt ist ihnen ja nicht entgangen. Umfragetief und die Europawahl waren ja auch deutlich genug. Auch wenn sich niemand von der Linkspartei nun die Revo erwartet, jede Form der Ablehnung der Hartzschweinerei kann derzeit nur willkommen sein. Auch den Indyusern von denen sicher einige davon betroffen sind, denk ich mal oder bekommt ihr alle Bafög.

PS: Was den Spiegel betrifft, die € für das Pissblatt kannst dir mittlerweile sparen.

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SPD ist tod — karl