Links-SPD - ja bitte?

Wal Buchenberg 05.07.2004 11:32
Mit den frommen Wünschen der neuen Parteigründer (einige von ihnen waren schon an etlichen Parteigründungen beteiligt), die sicherlich sympathischere Menschen sind als ein Clemens Münteschröder wird sich niemand zufrieden geben.
In der Financial Times Deutschland befasst sich eine Frau Margaret Heckel mit den möglichen Auswirkungen der neuen Linkspartei.
M. Heckel: „Das Programm der neuen Linkspartei liegt auf der Hand. Arbeit. Gerechtigkeit. Vermögensteuer. Vokabeln, die in der SPD noch immer Konjunktur haben. Auch ihr Personal kommt weitgehend aus SPD und Gewerkschaften. Die Sätze, die wir von ihnen hören werden, dürften so manches Herz an der sozialdemokratischen Basis höher schlagen lassen.“
ARBEIT hießt bei uns: Lohnarbeit. Lohnarbeit heißt acht Stunden am Tag oder länger einem fremden Willen unterworfen sein und für fremden Reichtum schuften. Lohnarbeit heißt, sich für fremde Interessen kaputt arbeiten mit der ständigen Gefahr aussortiert zu werden: Zu alt, zu langsam, zu krank, zu teuer. ARBEIT MACHT FREI! war der Nazi-Spruch, der ins Konzentrationslager und dann in den Tod führte. Zugegeben: Gute Sozialdemokraten sind keine Nazis und wollen die Lohnarbeit immerhin erträglich machen. Unser kapitalistisches Arbeitslager abschaffen will kein Sozialdemokrat.
Mehr Arbeitsplätze sollen wir bekommen, das soll der Staat richten. Ganz nebenbei wird der Staat immer fetter und teurer. Die Bundesanstalt für Arbeit („Arbeitsamt“) hat rund 80.000 festangestellte und 10.000 weitere Beschäftigte, insgesamt 90.000. Davon sind 22.500 Beamte. Nach Mitarbeiterzahl gerechnet liegt das Arbeitsamt zwischen dem Bayer-Konzern, mit 117.000 Beschäftigten das 15größte deutsche Unternehmen, und der Preussag AG, mit 70.000 Beschäftigten auf dem 18. Rang. Das Arbeitsamt ist eine riesige Jobmaschine – für sich selbst. Staats- und Beamtenstellen - das ist der Boden, auf sozialdemokratische Träume wachsen. Nebenbei werden die Steuern und Abgaben ständig erhöht.


M. Heckel: „Bei SPD-Chef Franz Müntefering und seinen Spitzengenossen dürfte die Nachricht von der Vereinsgründung unterdrückte Flüche hervorgerufen haben.
M. Heckel: „Müntefering weiß, welchen Anklang diese Umverteilungsrhetorik des vergangenen Jahrhunderts noch immer in seiner Partei findet. Er ist deshalb zu Recht besorgt über eine mögliche Spaltung seiner Partei, aber auch von SPD und Gewerkschaften.“
Die neue Partei ist ein Klon der alten SPD, sonst nichts. Das macht die Parteigründung für Altsozialdemokraten so ärgerlich, für uns Außenstehende wird es allerdings leichter werden, beide Flügel zu durchschauen, weil sie sich gegenseitig ihre Propaganda wiederlegen werden.
Die Neu-SPD ist keine soziale Opposition gegen eine unsoziale Regierung, sondern die Privatopposition von oppositionellen Sozialdemokraten gegen regierende Sozialdemokraten. Dieser innersozialdemokratische Streit geht um die Frage: Verschämter Kapitalismus oder unverschämter Kapitalismus?

M. Heckel: „Mit der Realität gut verdrahtete Sozis wissen das längst. Viele von ihnen trauen sich aber (noch?) nicht, dies auszusprechen. Einige wie der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Arbeitsminister Harald Schartau schon: "Wir helfen den Menschen nicht mit Geldzahlungen. Wir haben uns damit bisher nur freigekauft", sagt der frühere Spitzenfunktionär der IG Metall. Finde ein Ingenieur in seinem Beruf keine Arbeit mehr, sei es viel humaner als die Arbeitslosigkeit, wenn er als Taxifahrer wieder eigenes Geld verdiene. Bislang aber habe man ihn im Glauben gelassen, sein Status sei versichert - und so Illusionen geschürt, die den Betroffenen und sein Selbstbewusstsein erst richtig zu Grunde richten.“


Die Regierungs-SPD für den unverschämten Kapitalismus der Gegenwart, die Oppositions-SPD für den verschämten Kapitalismus der Vergangenheit:
M. Heckel: „Was hat sie inhaltlich anzubieten - außer gescheiterten Konzepten aus der Vergangenheit? Noch mehr Geld, um Arbeitslose ruhig zu stellen? Noch mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die die Chancen auf einen neuen Job eher verringern als verbessern? (...)

M. Heckel: „Wenn die "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" mehr sein will als das Sommertheater 2004, muss sie deshalb Oskar Lafontaine für ihren Kreuzzug gewinnen. Zu befürchten ist allerdings, dass der sich verweigern wird. Denn der frühere SPD-Chef und Bundesfinanzminister ist intelligent genug, um zu wissen, dass seine Thesen zwar - wie die der Linksparteiler - immer für eine gute Schlagzeile taugen. Der Überprüfung durch die Wirklichkeit aber halten sie kaum stand. (...)
Das wäre schade. Die Konfrontation mit einer Linkspartei im Westen Deutschlands wäre für die SPD der schnellste Weg, sich inhaltlich zu regenerieren. Aber auch der härteste. Und wahrscheinlich der einzige, dem 23-Prozent-Wähler-Ghetto in absehbarer Zeit wieder zu entfliehen.“


M. Heckel hofft also auf eine Frischzellenkur für die Regierungs-SPD. Ich sehe eher einen Faulungs- und Fäulnisprozess unserer gesamten Politiker- und Parteienlandschaft. Die politischen Duftwasser werden allmählich knapp, um den kapitalistischen Gestank zu überdecken.


Text in Normal aus der FTD vom 5.7.2004: http://www.ftd.de/pw/de/1088837539841.html?nv=skyx
Roter Kommentar von Wal Buchenberg, http://www.marx-forum.de
5. Juli, 04.
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Ergänzungen

Bundesanstalt für Arbeit („Arbeitsamt“)

bürohengst 05.07.2004 - 13:08
Das heisst doch jetzt Bundesagentur für Arbeit („Arbeitsagentur“)

Artikel zur gestrigen Vereinsgründung

Link-er 05.07.2004 - 13:24
Wahlalternative und soziale Bewegung (Kommentar)
 http://germany.indymedia.org/2004/07/86981.shtml

Pressekonferenz der "Wahlalternative" in Berlin (Bericht)
 http://germany.indymedia.org/2004/07/86956.shtml

Wahlalternative - Nein danke!

N.N. 05.07.2004 - 16:04
Begründung: Eine neu aufgelegte Sozialdemokratie – das hat gerade noch gefehlt!

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Ich bin — Lohnsklave