Pressekonferenz der "Wahlalternative" in Berlin

hab da mal vorbeigeguckt 04.07.2004 15:56 Themen: Medien Soziale Kämpfe
Bei einem internen Treffen gestern in Berlin haben sich die Organisationen "Wahlalternative" und "Initiative ASG" zur "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit e.V." zusammengeschlossen. Im Herbst soll es eine Urabstimmung über die Gründung einer neuen Linkspartei geben. Heute stellte sich der neue Verein auf einer Pressekonferenz in Berlin-Mitte vor.
Mehr als 70 Ortsvereine existieren bereits. Getragen wird der Verein maßgeblich von Gewerkschaftsfunktionären, die sich von der SPD nicht mehr vertreten fühlen, SPD- und PDS-Mitgliedern und anderen. Bereits 10.000 Menschen haben die Aufrufe unterzeichnet.
Der Verein will sich als parlamentarischer Arm der sozialen Bewegungen verstehen, obwohl Vertreter sozialer Bewegungen bisher kaum teilnehmen.
Ein konkretes Programm für den Verein soll noch heute verabschiedet werden. Die wesentlichen Eckpunkte stehen aber schon fest: soziale Gerechtigkeit, Rücknahme von Praxisgebühren, Zuzahlungen und Rentenkürzungen, Arbeitszeitverkürzung, Bürgerversicherung, Chancengleicheit, ökologischer Umbau, Besteuerung von Konzernen, Abrüstung, Demokratisierung und so weiter. Wahlforscher gehen davon aus, daß eine Partei "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" auf Anhieb 5% erreichen könnte. Erstmals will die im Herbst zu gründene Partei an den Landtagswahlen 2005 in Nordrhein-Westfalen teilnehmen.
Auf der Pressekonferenz erklärte Thomas Händel, daß die Wahlalternative im Gegensatz zu den Grünen aus den sozialen Bewegungen stamme. Eine Angleichung an Wirtschaftsinteressen gäbe es nicht - wie ja im Programm zu lesen sei. Den größten Raum nahm das Thema "SPD und Wahlalternative" ein. Entsprechendes spiegelt sich in den Berichten der Mainstream-Presse wieder.
Auf der Pressekonferenz wurde deutlich gemacht, daß vor allem Nichtwähler angesprochen werden sollen und bei der SPD mit ihren wenigen noch verbliebenen Prozenten eh nichts zu holen sei. Wichtig sei aber auf jeden Fall die Bewegungen auf der Strasse zu stärken, um etwas der Lobbyarbeit der großen Konzerne entegegenzusetzen. Als Sprachrohr der sozialen Bewegungen strebe die Wahlalternative keine Regierungsübernahme an.
Der neugegründete Verein wird von vier gleichberechtigten Sprechern geführt: Klaus Ernst, Thomas Händel, Axel Troost und Sabine Lösing. Klaus Ernst und Thomas Händel sind aus aus der SPD wegen der Grüdnung der "Wahlalternative" ausgeschlossen worden, Sabine Lösing ist Attac-Funktionärin. Dem Bundesvorstand gehören 14 Mitglieder an, unter ihnen der Initiator Helge Meves.
Die Reaktionen der SPD auf die Linkspartei sind seit Wochen hysterisch: mit Parteiausschlüssen, verbalen Angriffen, Drohungen, Erpressungen oder Statements, denen zufolge Kritik am Kanzler undemokratisch sei. Münterfering erklärte sogar, daß die Wahlalternative die "Einheit der Arbeiterklasse" gefährde. Viele Linke reagieren dagegen eher nüchtern und verweisen auf die Anpassung von Grüne und PDS. Nicht bestimmte Politiker und Parteien seien das Problem, sondern das System selbst.


Auf Bitte des Autors ergänzt (5.7.04 - 2:43)

- Webseite der Wahlalternative:  http://www.berliner-wahlalternative.de

- die Ideologie der Partei ist - ähnlich der ver.di-Führungsspitze - neokeynesianisch.
Begriff Keynesianismus:  http://de.wikipedia.org/wiki/Keynesianisch

- Kurz nach der Wiedervereinigung gründeten sich überwiegend in Ostdeutschland "Komitees für Gerechtigkeit". Sie sollten den Protest bündeln. Obwohl viele lokale Komitees noch Jahre später und teilweise bis heute existieren, verschwanden sie nach einem halben Jahr wieder in die relative Bedeutungslosigkeit.
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Ergänzungen

Lustiges aus dem Info-Radio

Radiohörer 04.07.2004 - 16:09
Während die meisten Medien eher auf das SPD-Thema herumreiten, durfte sich eben im Inforadio eine Journalistin ein bischen im Wahlaternative-Bashen üben. Dabei hat die Frau jede Menge Behauptungen aufgestellt, die sehr unglaubwürdig klangen.
Ich selbst habe auch meine Kritik an der Wahlaternative (aber allgemein eher weil ich Parteien und Funktionäre scheisse finde), aber diese Art der Berichterstattung im Inforadio ist auf Springer-Niveau angekommen.

wahlalternative in berlin

münte 04.07.2004 - 16:09
hier die homepage der wahlalternative in berlin:

 http://www.berliner-wahlalternative.de

heute abend ist der initiator klaus ernst (ig metall fürth) bei christiansen zu gastund wird den neoliberalen hoffentlich ordentlich einheizen!

bericht in der ARD-Tagesschau

. 04.07.2004 - 16:10
die tagesschau um 20 uhr hat am sa. 3.7. in ihrem ersten bericht ueber diese initiative berichtet.

Taugt nichts!

N.N. 04.07.2004 - 16:25
Die regierende SPD verlangt von Mitgliedern wie Wählern die „Einsicht“, dass die Partei sich wegen der Ziele, die sie schon immer verfolgt, heute von der Not der ‚Schlechterverdienenden‘ auch ideologisch nicht mehr beeindrucken lassen darf – und wieder einmal steht eine Opposition auf der Matte, die nichts Besseres zu tun weiß, als ausgerechnet die alte Lebenslüge retten zu wollen. Und das genau so matt und in so bescheidener Fassung, wie das „Linke“ in der SPD schon immer tun und wie es zu Schröders SPD genauso passt wie die alten Jusos zu Helmut Schmidt.

Die Argumente dafür, warum auch dieser neue Sozi-Verein nichts taugt, sind nachzulesen in dem Artikel:
Eine neu aufgelegte Sozialdemokratie – das hat gerade noch gefehlt!

nachgefragt

grete 04.07.2004 - 17:51
"Auf der Pressekonferenz erklärte Thomas Händel, daß die Wahlalternative im Gegensatz zu den Grünen aus den sozialen Bewegungen stamme."

das stimmt so nicht. die grünen sind bzw. waren eine "bewegungspartei". hat sich händel versprochen oder der/die schreiberin verhört? vielleicht mag ja jemand dagewesenes noch mal einen satz dazu schreiben.

Hallo Grete

Autor des Berichts 04.07.2004 - 18:02
Das mit den Grünen wurde wirklich so gesagt. Deshalb hab ich es im Text extra erwähnt. Eigentlich weiss jede/r, daß die Grünen direkt aus den "neuen sozialen Bewegungen" der 70er und 80er kamen und die ersten 10 Jahre sogar linksradikale Politik vertreten haben. Die Wahlalternative ist dagegen wesentlich bürgerlicher und konservativer als die Grünen nach 10 Jahren.
Die Bemerkung mit den Grünen kam auf meine Frage, ob und wie die neue Linkspartei eine ähnliche Entwicklung wie die Grünen bei sich verhindern will.
Fand ich ganz schön dreist, diesen Satz. Der Rest hat aber erst mal einen vernünftigen Eindruck auf micht gemacht - dafür daß es eine bürgerliche Partei ist.

Die Geschichte wiederholt sich...

Drusus 04.07.2004 - 20:20
Eine USPD gab es schonmal. Sie führte insgesamt zur einer Schwächung der Linken in der Weimarer Republik und bereitete so den Faschisten langfristig den Weg ins Parlament. Meiner Meinung nach erweisen die Begründer der SPD und der gesamten in- und außerparlamentarischen Linken einen Bärendienst.

Wahlalternative

gs 2-04 05.07.2004 - 01:25
„Initiative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit“

Eine neu aufgelegte Sozialdemokratie – das hat gerade noch gefehlt


liest man hier:

 http://www.gegenstandpunkt.com/gs/04/2/spdlinke.htm

Links sind die Etiketten - der Inhalt wird ?

egal 05.07.2004 - 03:41
Weil hier gerade mal wieder ne Menge Legenden und Unwahrheiten verbraten werden, ein wenig Fakten.

Was die "Wahlalternative" betrifft zeigt die Geschichte der Grünen,
der SPD und auch der PDS was von hierarchischen Parteien, Parteilinien, Sachzwängen, Anpassungdruck, Reformgesülz, Primat der Wirtschaft etc
zu halten ist.
Das dann auch noch Linksruck bei der "Wahlalternative"
mitspielt sollte zu denken geben.
Es gebe noch ne Menge mehr, u.a. zu den ProtagonistInnen der "Wahlalternative" zu schreiben. - Ein ander Mal.

Nun zu einem Satz von "Autor des Berichts" bezüglich der Grünen
Zitat:
"Eigentlich weiss jede/r, daß die Grünen direkt aus den "neuen sozialen Bewegungen" der 70er und 80er kamen und die ersten 10 Jahre sogar linksradikale Politik vertreten haben."

Wenn`s mal so einfach wäre.
Jedenfalls ist die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft auf diesen Mythos hereingefallen.
Es gibt viele Bücher, Texte und wohl auch webseiten zu den auch völkischen, Heimat/Naturschutz Wurzeln der Grünen die durchweg ignoriert oder als nicht so wichtig abgetan werden.
Sei es von Jan Peters, Oliver Geden, Jörg Bergstedt, Peter Bierl etc.

Ich copier hier deshalb mal einen aktuellen von der anderen Seite, aus der "Deutschen Stimme" der NPD, der nicht alle, aber doch einige der braunen Gründer der Grünen erwähnt.
So fehlen zum Beispiel Rudolf Bahro oder Alfred Mechtersheimer.

Auch wird in dem Artikel auf das " teilweise nationalrevolutionäres Gedankengut vertretenden Anführer Rudi Dutschke und Bernd Rabehl" hingewiesen, mit dem sich auch das Magazin der Süddeutschen Zeitung vom Freitag 2.7.04 ausführlich beschäftigt hat. (leider nicht online)
Mit einem, in schwarz rot gold illustriertem Rudi Dutschke Kopf.
Auch dieses Faktum wird hartneckig geleugnet, wie so vieles im Nachhinein verdreht wird ( http://www.freitag.de/2004/28/04281101.php)

ES IST WIE SO OFT, WER DIE INHALTE DER PROTAGONISTINNEN ERNST UND GENAU NIMMT KANN WISSEN WOHIN EINES TAGES DIE REISE GEHEN WIRD.
NUR LEIDER WERDEN SOLCHE MENSCHEN IMMER NUR ALS STÖRENFRIEDE DER HARMONIE, DES NEUAUFBAUS, DER BÜNDNISSPOLITIK, ALS DESTRUKTIVE MIESEPETER WARGENOMMEN, GEMOBBT UND AUSGEGRENZT

ALSO AUGEN UND OHREN ZU UND WEITER SO MIT GESCHEITERTEN SOZIS, PDS lern UND LINKSRUCKERN
DIE WEDER MIT PARTEIEN AN SICH NOCH MIT "VOLK" ODER "`NATION" IRGEND WELCHE SCHWIERIGKEITEN HABEN

Nun also der Artikel von Hugo Fischer erschienen im NPD Zentralorgan
"Deutsche Stimme" Juni 2004

Parteiengeschichte
Ökokonservative Wurzeln und neoliberale Gegenwart
Vor 25 Jahren entstanden die »Grünen«, an deren Spitze sich nach ersten Erfolgen Marxisten setzten

Der Historiker Gerd Koenen bezeichnet die Jahre vom Beginn der Studentenrevolte 1968 bis 1978 als das »rote Jahrzehnt«, da in dieser Zeit der mächtige Aufstieg einer außerparlamentarischen linken Fundamentalopposition zum prägenden Epochenphänomen wurde. Ein Produkt dieser Zeit waren die programmatisch anfangs noch offenen »Grünen«, die sich 1979 gründeten und im gleichen Jahr an der ersten Wahl zum Europaparlament teilnahmen. Die Geschichte der Grünen ist ein Lehrstück bundesrepublikanischer Parteienentwicklung.
Das »rote Jahrzehnt« hinterließ zahlreiche zerstörte Biographien und eine in der Geschichte der Bundesrepublik vorher und nachher nie dagewesene Spur der politischen Gewalt. Innerhalb der »Neuen Linken« konkurrierten dabei die verschiedensten politischen Ansätze um Einfluß und Anhänger. Die »Kommunarden« Rainer Langhans, Fritz Teufel und Dieter Kunzelmann gründeten in den Großstädten offene Wohngemeinschaften, in denen Drogen konsumiert und freie Sexualität praktiziert wurde, um so die bürgerliche, von ihnen als »faschistisch« bezeichnete Gesellschaft in ihren Grundfesten zu erschüttern. Der »Sozialistische Deutsche Studentenbund« (SDS) um die teilweise nationalrevolutionäres Gedankengut vertretenden Anführer Rudi Dutschke und Bernd Rabehl verfolgte in den Jahren 1967 und 1968 den Plan, West- und Ost-Berlin als »Räterepublik« zu vereinigen und so einen revolutionären Transmissionsriemen zur Vereinigung von BRD und DDR zu schaffen. Dieser Plan war spätestens im April 1968 hinfällig geworden, als auf den Charismatiker Dutschke ein Attentat verübt wurde. Die sich in den Jahren 1969 und 1970 konstituierende »Rote Armee Fraktion« schließlich versuchte den Umsturz mit terroristischer Gewalt herbeizuführen.
Doch knappe zehn Jahre später konnte die Neue Linke in all ihren Ansätzen als gescheitert betrachtet werden. Dies lag hauptsächlich daran, daß sie sich einerseits – von der »nationalrevolutionären Fraktion« um Dutschke und Rabehl abgesehen – zu stark an der Sowjetunion orientierte, was teilweise bis hin zu offener Kollaboration mit der östlichen Besatzungsmacht ging, und sich andererseits in maßlosen Vorwürfen gegen die Vätergeneration erging und so erst die von den Westmächten angestoßene Umerziehung ganz verinnerlichte und zu Ende führte. Ende der siebziger Jahre machte die aus der Studentenrevolte hervorgegangene Neue Linke eigentlich nur noch in ihren abstoßendsten Erscheinungsformen von sich reden, nämlich im Terror der RAF und einem unüberschaubaren Gewirr an sektenartigen »K-Gruppen«, kommunistischen Kleinstformationen, die kaderförmig organisiert waren und sich in ihrer grenzenlosen Theoriegläubigkeit exotischen Kommunismen albanischer oder chinesischer Provenienz unterwarfen. Weder K-Gruppen noch RAF hatten im deutschen Volk eine soziale Basis, die über meist studentisch geprägte Unterstützerkreise hinausging. Somit waren sie von vornherein zum Scheitern verurteilt.
In dieser für die Neue Linke völlig verfahrenen Situation war die Gründung der »Sonstigen Politischen Vereinigung Die Grünen« als Listenbündnis zur erstmalig abgehaltenen Europawahl vor rund 25 Jahren (März 1979) durch knapp 500 Delegierte in Frankfurt am Main ein vielbeachteter politischer Neuanfang, insbesondere weil dieses politische Projekt in seinen Anfangsjahren offen war nicht nur für linke, sondern auch für konservative und nationale Positionen.

Nationale und ökologische Positionen

In der Tat waren die in den Jahren 1977 und 1978 gegründeten Anti-Atomkraft- und Umweltschutzgruppen, aus denen später die Grünen hervorgingen, oftmals von Nationalen oder Ökokonservativen initiiert worden. So wurde das erste grüne Kreistagsmandat in der Parteigeschichte im März 1978 von der »Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher«, einer genuin nationalen Gruppierung um den Nationalneutralisten August Haußleiter, in Erlangen errungen. Auch bei der ersten Bundesversammlung der sich konstituierenden Grünen im Jahr 1979 konnte die nationale und ökologische Fraktion ihre starke Stellung behaupten, denn ihre zwei wohl bekanntesten Repräsentanten, August Haußleiter und Herbert Gruhl, wurden in zwei von insgesamt drei Sprecherposten gewählt, die die Geschicke der Partei gleichberechtigt an Stelle eines Bundesvorsitzenden lenken sollten.
August Haußleiter war der wohl bekannteste »Nationalneutralist« in der frühen Geschichte der Bundesrepublik. Nach dem Krieg rasch zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der CSU aufgestiegen, verließ er 1949 nach einem Streit mit Adenauer über die Wiederbewaffnung Deutschlands die Union, weil er eine Verfestigung der deutschen Teilung wegen der Einbindung der BRD in die westlichen Militärstrukturen fürchtete. Durch die Gründung der »Deutschen Gemeinschaft« im Jahre 1949 (die später in »Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher – AUD« umbenannt wurde) versuchte er zwar, im Bunde mit der deutschen Neutralitätsbewegung der drohenden Fehlentwicklung zur endgültigen Spaltung Deutschlands entgegenzuwirken, konnte jedoch nach dem Beitritt der BRD zur NATO im Jahre 1955 an den vollzogenen Tatsachen nichts mehr ändern.
Herbert Gruhl war von 1970 bis 1976 Vorsitzender der Arbeitsgruppe Umweltvorsorge in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und vertrat dort ökologische Positionen von einem dezidiert nationalen und ökologischen Standpunkt aus. Allgemeine Aufmerksamkeit erregte er 1975 mit der Veröffentlichung des später weitverbreiteten Buches »Ein Planet wird geplündert«, einer schonungslosen Bilanz der Raubbau- und Zerstörungspolitik gegenüber den natürlichen Lebensgrundlagen. In der Folgezeit und insbesondere nach seinem CDU-Austritt wurde Gruhl zu einer Kristallisationsfigur der sich formierenden Umweltbewegung.
Für die Europawahl wurden auch noch andere Prominente wie Petra Kelly, Carl Amery, Joseph Beuys und der Pionier der deutschen Umweltschutzbewegung, Baldur Springmann, der bis kurz vor seinem Tode im vergangenen Jahr auch gerngesehener Redner auf Veranstaltungen der nationalen Opposition war, nominiert. Mit 3,2 Prozent verfehlte die Liste bei ihrem erstmaligen Antreten den Einzug ins Europaparlament nur knapp, dafür flossen etwa 4,5 Millionen D-Mark Wahlkampfkostenerstattung, die den weiteren, in der bundesdeutschen Parteiengeschichte einmaligen Aufstieg der Neugründung begünstigten: Schon bei den Bremer Bürgerschaftswahlen im Oktober 1979 erreichte die »Bremer Grüne Liste« 5,1 Prozent und gewann ihre ersten Landtagsmandate, und bei der Bundestagswahl am 6. März 1983 erhielten die Grünen 5,6 Prozent. Mit der Bildung der ersten rot-grünen Koalition nach den Landtagswahlen in Hessen im Oktober 1985 und der Vereidigung Joschka Fischers zum Umweltminister am 12. Dezember 1985 in Wiesbaden ist der Weg der Grünen in höchste Staatsämter nur sechs Jahre nach ihrer Gründung erfolgreich abgeschlossen. Sie waren damit auch die erste, nicht von den Besatzungsmächten lizenzierte Partei, der der Einbruch ins Kartell der etablierten Parteien gelang.

Machtübernahme von Antideutschen

Alle Hoffnungen auf eine Nationalisierung der westdeutschen Linken über die Ökokonservativen und die Nationalneutralisten wurden jedoch auf bitterste Art und Weise enttäuscht. Schon wenige Jahre nach Gründung der Grünen waren diese von dogmatischen Marxisten und orthodoxen Linken aus allen relevanten Positionen verdrängt worden. In der Führung der Partei setzten sich sogar dauerhaft Personen wie Jutta Ditfurth, Rainer Trampert und Horst Ebermann fest, für die die Negation alles Nationalen zum quasireligiösen Selbstzweck und zum Dreh- und Angelpunkt ihres politischen Bekenntnisses wurde und die somit als die Urväter der »Antideutschen« gelten können, die in den neunziger Jahren über Zeitungen wie »Jungle World«, »Bahamas« und »Konkret« einen beträchtlichen Einfluß innerhalb der politischen Linken gewinnen konnten.
Bei dieser Entwicklung der Grünen Anfang der achtziger Jahre spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen gab es schon 1979 eine von der Zeitschrift »Stern« mit einem Großartikel über »rote Nazis« angeführte Pressekampagne, mit der nationale Grüne und nationalrevolutionäre Theoretiker wie Henning Eichberg und Alain de Benoist getroffen werden sollten.
Weitaus schwerwiegender wirkte aber die Wühltätigkeit von Einflußagenten der Stasi innerhalb der Grünen, deren Auftrag es war, nationale Positionen innerhalb der Partei als »rechtsextremistisch« erscheinen zu lassen und sie so zu stigmatisieren. Wie nach dem Mauerfall belegt werden konnte, trieben mehrere »Informelle Mitarbeiter« (IM) der Stasi innerhalb der Grünen ihr Unwesen, teilweise an hoher Stelle, wie der deutschlandpolitische Sprecher der Partei Dirk Schneider in den Jahren von 1983 bis 1985, und beeinflußten auf diese Art und Weise massiv die Entstehung einer Oppositionspartei. Schneider verriet an die Stasi beispielsweise eine 1983 gemeinsam mit DDR-Friedensgruppen geplante Aktion der Grünen-Abgeordneten Petra Kelly; potentielle Teilnehmer aus den Reihen der mitteldeutschen Friedensbewegung konnten daraufhin noch vor Beginn der Veranstaltung vom MfS festgenommen werden.
In einem Artikel für die Zeitschrift »Sezession«, deren neuestes Schwerpunktheft dem Thema »Links« gewidmet ist, zog Bernd Rabehl, ehemals neben Rudi Dutschke einflußreichster Führer des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS), 25 Jahre nach Gründung der Grünen eine vernichtende Bilanz: »Dutschke bemühte sich 1979 eine grüne, demokratische Partei auf kommunaler Basis zu gründen. Das imperative Mandat der Abgeordneten sollte vermeiden, daß diese im politischen Geschäft ihre Sonderinteressen wahrnahmen oder sich einbinden ließen in die korrupten Netzwerke der Politik. Darin waren sich die konservativen Grünen um Herbert Gruhl mit Dutschke, Petra Kelly und Gerd Bastian einig. Der Realismus einer innerparteilichen Demokratie und des imperativen Mandats sollte die Konstruktion der bestehenden Machtparteien unterlaufen. Dutschke bestand darauf, daß die grüne Partei nicht die Kader der unterschiedlichen kommunistischen Gruppen und Parteien aufnehmen sollte«, so der Zeitzeuge und -akteur Rabehl.

»Führerpartei« und Machtreserve der SPD

Mit Blick auf die kommunistischen Kader stellte Rabehl fest: »Durch die Absorption der Organisationsprinzipien dieser Parteien und Gruppen fand über die grüne Partei eine ,Kooptation‘ ehemaliger Revolutionäre und Desperados statt. Sie besetzten diese Partei und bildeten als ein internes Machtbündnis eine Partei in der Partei. Die radikalen demokratischen und ökologischen Positionen wurden herausgedrängt. (…) Heute sitzen in den einzelnen Ministerien die Kader der ML-Parteien oder die Kämpfer der ,Putztruppe‘. Sie bestimmen in dieser Obhut als Staatssekretäre oder höhere Beamte die Fraktionsarbeit in der Partei, die alle radikaldemokratischen oder radikalökologischen Interessen ausgrenzte.
Heute ist diese Partei nicht nur Staat und Machtreserve der herrschenden Sozialdemokratie. Sie besetzt zugleich proimperialistische Positionen. Der Revolutionismus erlangte das endgültige Format von Opportunismus. Die grüne Partei als eine mehrheitliche ,Frauenpartei‘ wurde von einer radikaldemokratischen Organisation in eine subtile Kader- und Machtpartei transformiert, die als einzige Partei heute die Züge einer ,Führerpartei‘ ohne Opposition, Fraktionen und Alternativen trägt. In dieser Ausrichtung übersteigt sie die SPD und definiert sich nicht zufällig selbst in die Nähe der FDP, einer Partei der Neureichen und Börsenspekulanten«, so Bernd Rabehl.
Ein Vierteljahrhundert nach ihrer Gründung sind die Grünen, die sich ursprünglich als Fundamentalopposition gegen das System verstanden und heute die zweite neoliberale Partei neben der FDP sind, ein Paradebeispiel für den Opportunismus in der Parteiendemokratie. Doch während sich die FDP eindeutig positioniert und auch im breiten politischen Bewußtsein als »Partei der Besserverdienenden« präsent ist – also klar als Vertreterin eines politischen Sonderinteresses agiert –, haben die Grünen eine zwitterhafte und schizophrene politische Identität entwickelt.
Der Großteil der 68er, deren Generationspartei die Grünen sind, zählt nach dem gelungenen »Marsch durch die Institutionen« gesellschaftlich wie auch finanziell zu den großen Gewinnern. So besteht die Klientel der grünen Partei heute gerade aus den Autofahrern und Vielfliegern und aus den Großverdienern und Aktienbesitzern, die die Grünen in ihren Anfangsjahren so vehement bekämpfen wollten. Da die Partei aber auch heute – zumindest rhetorisch – nicht von dem sozialistischen und ökologischen Gedankengut ihrer ersten Jahre lassen will, setzt die Partei in der Regierungsverantwortung bizarre Umverteilungsaktionen zugunsten sexueller und ethnischer Minderheiten in Gang, die der eigenen Klientel das Gefühl geben, sich noch immer in einer Position hoher moralischer Überlegenheit zu befinden. Für das mittlerweile abgewirtschaftete und von der Substanz lebende Land ist dies aber unbezahlbar und von selbstmörderischer Konsequenz.

QUELLE:
www.deutsche-stimme.com/Ausgaben2004/Sites/06-04-Gruene.html

Kleine Anmerkung zu "egal"

Bla 05.07.2004 - 03:54
Seine Behauptungen stimmen so nicht. Die Grünen bildeten sich damals aus den sozialen Bewegungen und wären ohne sie nie zu Bedeutung gekommen.
Die völkischen Wurzeln kamen zum großen Teil erst durchs Schlucken öko-esoterischer Gruppen, waren aber nicht von Beginn an vorhanden und haben nie dominiert, wie "egal" suggeriert.

Aber was hat das mit dem Thema "Wahlalternative" zu tun?

"egal" scheint sein Wissen aus selektiver Wahrnehmung ideologischer Schriften zusammengestückelt zu haben, ohne je irgendwo dabei gewesen zu sein. Bei Indy fällt "egal" eigentlich immer durch seine ständigen Pöbeleien und "alles sind Nazis"-Behauptungen auf, die er nie konsistent belegt.

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