Sächsische Schweiz: Wahlauswertung

Antifaschistische Aktion 13 [AFA13] 19.06.2004 14:34
Die Wählerinnen in der Sächsischen Schweiz haben sich entschieden: Sie wollen sich von Nazis in den Kommunalparlamenten und im Kreistag vertreten lassen.
"Vielleicht kann Leichsenring (NPD) ja auch Vorschläge für die Stadt machen, die besser sind als unsere" [1]
"In Königstein war ein Protestwählerpotential vorhanden, das hätten wir genauso gewinnen können." [2]


Diese Verharmlosung und die Ignoranz der bürgerlichen Parteien gegenüber der rassistischen Programmatik der NPD und der in der eher ländlich geprägten Region in allen Bevölkerungsschichten ausgeprägte rassistische Konsens führte zur Kommunal- und Europawahl in der Sächsischen Schweiz zu Wahlergebnissen für die NPD, die deutlich machen: Die Sächsische Schweiz hat ein massives Naziproblem. Zur Kommunal- und Kreistagswahl am 13.06.2004 erreichte die NPD ingesamt 17 Mandate, davon allein 5 Mandate im Kreistag des Landkreises Sächsische Schweiz. Die NPD hat damit die Ankündigung von Uwe Leichsenring zur SZ-Podiumsdiskussion im Berufsschulzentrum Pirna, mit Fraktionsstärke in den kommenden Kreistag einzuziehen, zur Realität werden lassen. Im Einzelnen erzielte die NPD folgende Ergebnisse:

Kreistagswahl:

CDU 40,7 % = 25 Mandate
PDS 22,3 % = 13 Mandate
NPD 9,1 % = 5 Manadate
FW 8,1 % = 5 Mandate
FDP 7,2 % = 4 Mandate
SPD 7,1 % = 4 Mandate
Grüne 4,7 % = 2 Mandate
UWVGK 0,8 % = 0 Mandate

Gemeinderatswahl Reinhardtsdorf-Schöna:

WV94 38,6 % = 5 Mandate
NPD 25,2 % = 3 (2) Mandate*
PDS 20,1 % = 2 Mandate
CDU 16,1 % = 2 Mandate
*da die NPD nur zwei Bewerber aufstellte, kann sie nur zwei Mandate wahrnehmen

Stadtratswahl Königstein:

CDU 38,8 % = 6 Mandate
NPD 21,1 % = 3 (2) Manadate*
VBI 18,7 % = 3 Mandate
SPD 16,2 % = 2 Mandate
FDP 5,1 % = 0 Mandate
*da die NPD nur zwei Bewerber aufstellte, kann sie nur zwei Mandate wahrnehmen

Ortschaftsratswahl Ostrau (Bad Schandau)

EV Zwehn 34,3 % = 1 Mandat
NPD 18,8 % = 1 Mandat
EV Wustmann 15,9 % = 1 Mandat
EV Heiser 10,9 % = 0 Mandate
EV Krumbiegel 4,2 % = 0 Mandate

Stadtratswahl Sebnitz:

CDU 49,5 % = 10 Mandate
PDS 14,8 % = 2 Mandate
NPD 13,2 % = 2 Mandate
MSSeb 11,6 % = 2 Mandate
SPD 5,4 % = 1 Mandat
FDP 5,4 % = 1 Mandat

Stadtratswahl Neustadt:

NfN 33,7 % = 8 Mandate
CDU 33,3 % = 8 Mandate
PDS 15,2 % = 3 Mandate
NPD 7,8 % = 1 Mandat
PWV 5,9 % = 1 Mandat
SPD 4,2 % = 1 Mandat

Gemeinderatswahl Struppen:

CDU 44,8 % = 7 Mandate
SPD 13,3 % = 2 Mandate
FW 13,2 % = 2 Mandate
PDS 11,7 % = 1 Mandat
FFLW 9,8 % = 1 Mandat
NPD 7,2 % = 1 Mandat

Stadtratswahl Pirna:

CDU 31,5 % = 10 Mandate
PDS 23,2 % = 8 Mandate
FW 17,2 % = 5 Mandate
PB 8,4 % = 2 Mandate
SPD 7,1 % = 2 Mandate
NPD 6,6 % = 2 Mandate
AZ 4,2 % = 1 Mandat
BK 1,8 % = 0 Mandate

„Ich vermute, dass sich PDS und NPD gegenseitig hochgeschaukelt haben.“ [3]
„Ich erwarte im Gemeinderat keine Schwierigkeiten.“ [3]
"Der Bürgermeister von Reinhardtsdorf-Schöna, Arno Suddars (CDU), erwartet sogar, dass die Ratsarbeit mit den zwei NPD-Abgeordneten leichter werden wird als mit der PDS." [4]
„Völlige Ausgrenzung halte ich für den falschen Weg.“ [5]
„Ich weiß nicht, vielleicht die Ausländer? [...] Ich meine allgemein. Dass die jetzt alle nach Deutschland reinkommen.“ [6]
„Ist ja nichts los hier, viele sind arbeitslos. [...] Aber auf eine Weise ist das auch ganz gut: Da bekommen die mal einen Anstoß nachzudenken." [7]

Diese Wahlergebnisse und die Zitate zeigen es deutlich. Die Stimmen für die NPD kommen nicht von ungefähr. Gerade in Reinhardtsdorf-Schöna, wo die NPD mit Michael Jacobi einen Kandidaten stellte, der fest in die Strukturen der SSS integriert war, was den Einwohnerinnen im Dorf bewußt ist [8], erzielte die NPD von Null auf 25,2% ihr bestes Kommunalwahlergebnis in Sachsen. Das Ergebnis macht außerdem deutlich: Die NPD wurde in der Sächsischen Schweiz nicht gewählt, weil sie kompetente Kandidaten hatte. Die Kandidaten wurden gewählt, weil sie für die NPD kandidierten. Michael Jacobi bekam zur Gemeindaratswahl 1999 als Kandidat der "Freien Wähler" nicht annähernd soviele Stimmen. Ingesamt bekam die NPD im Landkreis Sächsische Schweiz zur Kreistagswahl 15.208 Stimmen, zur Kommunalwahl 7.235 Stimmen, trotz des peinlichen Auftretens der in den Kreis- bzw. Stadttagen vertretenen Mandatsträger aus der vorangegangen Wahl. Diese Stimmen hat die NPD auch bekommen, trotzdem in der Öffentlichkeit bekannt ist, dass die NPD-Funktionäre und ein Großteil der Mitglieder der NPD in der Sächsischen Schweiz Verbindungen zur militanten Kameradschaft Skinheads Sächsische Schweiz hatten bzw. selbst Mitglied waren. Das kann nur eines heissen: Hier haben überzeugte Nazis und Rassisten gewählt und der Landkreis Sächsische Schweiz wird daran nun nicht mehr vorbeikommen, geschweige denn diese Ergebnisse ignorieren können.

„Das Problem NPD darf jetzt nicht mehr verharmlost werden. [...] In Auswertung der Wahl sollten sich alle demokratischen Kräfte überlegen, was die Ursachen für das NPD-Ergebnis sind“ [9]
"[...] alle demokratischen Kräfte jetzt ihre Anstrengungen mehr als verdoppeln. Ich befürchte schlimme Auswirkungen für den Ruf der Sächsischen Schweiz im gesamten Bundesgebiet.“ [10]
„weil das Problem Rechtsextremismus lange Zeit totgeschwiegen wurde und viele davor die Augen verschlossen“ [11]

Andre Hahn spricht vom Verharmlosen der NPD. Wir auch! Uns stellt sich aber die Frage, warum gerade der PDS-Spitzenkandidat sich nicht am Samstag auf der Antifa-Demo gezeigt hat. Andre Hahn, stellvertretender PDS-Fraktionschef im Sächsischen Landtag hat nach Aussage von Zeugen schon im Vorfeld der Demonstration in Pirna gegen die Veranstalter Stimmung gemacht und sich vehement gegen eine Unterstützung seitens der PDS-Fraktion ausgesprochen. Das ist kein Rundumschlag gegen die PDS an sich. Wir danken Strukturen der PDS und einzelnen Landtagsabgeordneten für ihre Unterstützung der Demo, vor allem der PDS-Jugend Sachsen. Wir sehen aber mit Besorgnis, wie sich einzelne PDSler gegenüber Autonomen Antifaschistinnen verhalten, deren Protest und ihre Intervention gegenüber den bestehenden Verhältnissen als Randale abtun und sich in ihren Wahlkreisen wie "Fürsten" gebahren.

Wir waren und sind seit jeher bereit, uns in Bündnissen gegen Nazis zu engagieren. Dabei werden wir aber nicht unser Verständnis vom Autonomen Antifaschismus aufgeben und auch nicht mit unserer Kritik an den bestehenden Verhältnissen zurückstecken. Unser Angebot an Engagierte besteht weiterhin. Unsere Kritik am Kapitalismus und unser Forderung an der Überwindung desselben werden wir aber auch in Zukunft nicht aufgeben. Wir werden weiterhin Fehler benennen und Alternativen aufzeigen. Es liegt jetzt an der sogenannten Zivilgesellschaft, inwieweit diese in der Sächsischen Schweiz bereit ist, mit uns gegen Nazis vorzugehen. Das aber nicht, um den "Ruf der Sächsischen Schweiz im gesamten Bundesgebiet" wieder herzustellen, sondern um den Menschen eine dem Lebensbedürfnissen entsprechende Systemalternative ohne Ausbeutung, Unterdrückung, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und Krieg aufzuzeigen.


[1] [der Königsteiner SPD-Stadtrat Ivo Teichmann zum Kommunalwahlergebnis 1999 in "Die Zeit" vom 19.08.1999]
[2] [der PDS-Kreisverbandschef, Hans-Peter Retzler zum Kommunalwahlergebnis 1999 ebenda]
[3] [2 mal: der CDU-Bürgermeister Arno Suddars in der "Sächsischen Zeitung" am 15.06.2004]
[4] ["Rechtsextreme im Parlament - was ist zu tun?" Quelle:  http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=615011 ]
[5] ["Rechtsextreme im Parlament - was ist zu tun?" Der Landrat Michael Geisler (CDU) auf die Frage, wie er im Kreistag mit der NPD umgehen wird. Quelle:  http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=615011 ]
[6] [Ein Reinhardtsdorfer Einwohner auf die Frage nach der Ursache von 25,2 % NPD-Stimmen. Statistisch gibt es in Reinhardtsdorf-Schöna keineN einzigeN sog. Ausländer. Quelle: "Sächsische Zeitung" vom 15.06.2004]
[7] [Eine Einwohnerin aus Reinhardtsdorf-Schöna, mit der Bemerkung "vor allem die Jungen hätten die Rechten gewählt". Der Anteil der 18-30jährigen unter den Wahlberechtigten beträgt lt. Statistischem Landesamt in der Sächsischen Schweiz ca. 16 %. Reinhardtsdorf-Schöna wird da keine Ausnahme sein. Quelle: "Sächsische Zeitung" vom 15.06.2004]
[8] ["Sächsische Zeitung" vom 15.06.2004]
[9] [Andre Hahn, PDS-Spitzenkandidat in der "Sächsischen Zeitung" vom 14.06.2004]
[10] [SPD-Unterbezirkschef Rainer Maus in der "Sächsischen Zeitung" vom 14.06.2004]
[11] [der Pirnaer Oberbürgermeister Markus Ulbig auf die Frage nach der Hauptursache für das Ausbreiten der NPD. Quelle:  http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=615091 ]
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Ergänzungen

Vorschlag zu Aktionen

ich nochmal 19.06.2004 - 15:45
siehe hier:

Lächerlich

abc 19.06.2004 - 23:57
Statt reißerischer Überschriften sollte der Verfasser dieser "Analyse" mal lieber bei der Wahrheit bleiben. Die NPD und andere rechtsextreme Gruppen hatten und haben keinen Einfluss auf nennenswerte politische Entscheidungen. Dass einzelne Hochburgen der Rechten herausgepickt werden, um die eigenen Theorien zu belegen, ist peinlich und kontra-produktiv. Einen Wahlsieg der Rechtsextremen herbei reden zu wollen, ist unverantwortlich.

Niemand redet vom Wahlsieg

Pirnaer Antifaschistin 20.06.2004 - 03:35
@abc

Wo verwendet die [AFA13] eine reißerische Überschrift und redet vom Wahlsieg? Wenn du dir eine Karte der Sächsischen Schweiz, das ist im Südosten der BRD, östlich von Dresden, zur Orientierung, nimmst, wirst du feststellen, dass die Sächsische Schweiz nicht viel mehr Städte/Verwaltungsgemeinschaften hat. Die NPD hat in allen Gemeinde-/Stadträten, bei denen sie sich zur Wahl gestellt hat, Mandate geholt. Wenn du dir noch die Mehrheitsverhältnisse in den einzelnen kommunalen Parlamenten anschaust, die Region hier kennst, wirst du sehr schnell feststellen, dass die NPD in einzelnen Parlamenten Mehrheitsbeschafferin geworden ist.

im Übrigen ...

Pirnaer 20.06.2004 - 11:59
... hat das Wort "Wahlsieg" seine Berechtigung. Und zwar deswegen, weil die NPD die einzige Partei ist, die Prozentual und Stimmenmäßig zugelegt hat. An "Lächerlich": Es ist unverantwortlich, die Situation zu verkennen!!! Diese Gegend hat ein massives Problem, da gibt es nix kleinzureden. Das Problem besteht auch nicht ausschließlich in den Nazis, sondern in weiten Teilen der "Bevölkerung" ... Und es ist auch nicht in irgendeiner Weise besser geworden, in den letzten Jahren, wie so manche(r) behaupten möchte. Alles, was in letzter Zeit von "zivilgesellschaftlichen Antifaschismus" gekommen ist, sollte Aufgrund dieser Wahlergebnisse mal gründlich überdacht werden! Verschiedene Organisationen loben sich in der Sächsischen Schweiz ununterbrochen ihrer "Erfolge" wegen ... was soll denn das?? Das hier mal 18 SSS'er mit Bewährungsstrafen im 129 Prozess bedacht wurden, was ist daran bitte so toll? Eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem "Rechtsextremismus" (wie ihr ihn nennt) hat es nie gegeben, lediglich einige Urteile gegen "Straftäter" ... das als Erfolg zu werten, ist mehr als fraglich, denn da wo am Amtsgericht, wöchentlich (oft mehrere) Prozesse gegen Nazis geführt werden, ist die Situation abends auf der Straße klar.

Ih wünsche den staatlichen "Anti-Rechts-Initiativen" endlich mal eine "Eingebung" von ganz oben, damit sie sich mal mit den Wurzeln des Faschismus auseinandersetzen :-))