Frauen hoffen auf neue Regierung in Spanien

Ralf Streck 09.04.2004 14:13 Themen: Gender Weltweit
Der Wahlsieg der Sozialisten (PSOE) in Spanien hat den Frauen Hoffnung gemacht. Ganz vorne steht die Geschlechterfrage bei der PSOE. Paritätisch sollen die Regierung und das Parlament besetzt werden. Das erste Gesetz soll dem Schutz von Frauen gegen häusliche Gewalt dienen und die Abtreibung soll freigegeben werden.
Viel haben die Frauen im spanischen Staat zum Wahlsieg der Sozialisten beigetragen. Viel hat sich die PSOE vorgenommen, um an den mörderischen Strukturen in dem Land der Machos etwas zu ändern. Ganz oben auf der Liste steht für den Wahlsieger José Luis Zapatero (PSOE) der Schutz der Frauen vor der Gewalt ihrer Lebenspartner.

Und das ist dringend nötig. In den acht Jahren unter ultrakonservativer Herrschaft der Volkspartei (PP) stieg die Zahl der Frauen, die von ihren aktuellen oder Ex-Partnern umgebracht wurden, jährlich um etwa 50 Prozent an. Auch offiziell schloss das Jahr 2003 erneut mit einem traurigen Rekord von 70 getöteten Frauen ab. Der Versuch der PP misslang, dem vor den Wahlen mit der „Verordnung zum Schutz der Opfer häuslicher Gewalt“ entgegen zu steuern. Lange hatten die Konservativen den Schutz blockiert. Genutzt hat die Verordnung bisher nicht viel, auch in diesem Jahr wurden erneut 14 Frauen Opfer ihrer Partner. Erst letzte Woche wurde Encarnación Rubio drei Mal von ihrem Mann in Granada überfahren. Sie befand sich im Schutzprogramm, ihr Mann durfte sich ihr wegen Misshandlungen nur auf 100 Meter nähern und hatte "Polizeischutz".

Solchen Vorgängen will die neue Regierung schnell begegnen. Das erste Gesetz dass von ihr verabschiedet werden soll, richtet sich gegen die sogenannte „häusliche Gewalt“, sagte Micaela Navarro, die seit Monaten an der Ausarbeitung des „Integralen Gesetzes gegen die Geschlechtergewalt“ arbeitet. Die Direktorin des Sekretariats für Gleichstellung der PSOE bekräftigt, dass es mit dem Schutz der Opfer und mit Strafen für die Täter nicht getan ist: „Die Geschlechtergewalt wird nicht über das Strafrecht abgeschafft, denn die Wurzeln sind tiefer und liegen in einer Gesellschaft, welche die Frau dem Mann unter ordnet“. Deshalb soll die Erziehung zur Geschlechtergleichheit sogar Prüfungsfach in der Schule werden: „Es soll zum Respekt vor den fundamentalen Rechten und Freiheiten erzogen werden“, kündigte Navarro an.

Zudem soll per Gesetz Werbung verschwinden die Frauen erniedrigt, in dem ihre „Körper mit einem Produkt verknüpft werden“, heißt es in dem Entwurf. Auch soll die Koordination zwischen den Verwaltungen der Regionen verbessert und eine unabhängige Einrichtung geschaffen werden, welche die Gleichbehandlung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt überwacht.

Angefangen haben die Sozialisten schon bei der Aufstellung ihrer Listen. Zwar wurde die angestrebte Parität noch nicht erreicht, aber 74 ihrer 164 Abgeordneten im Parlament sind Frauen. Im Kabinett hat Zapatero ernst gemacht und die Hälfte der Ministerposten mit Frauen besetzt. Das mit María Teresa Fernández de la Vega eine Frau Vizeministerpräsidentin und Regierungssprecherin wird, ist auch ein gutes Zeichen. Ein Gesetz soll auch dafür sorgen, dass die Parteien und die Führungsposten in der Verwaltung höchsten zu 60 Prozent von Männern besetzt werden dürfen. Damit fielen neben den Sozialisten alle Parteien außer den baskischen Nationalisten von der „Solidaritätspartei“ (EA) und Nafarroa Bai durch.

Besondere Unruhe bei den Konservativen und bei der mächtigen katholischen Kirche sorgt das Vorhaben, die Abtreibung in den ersten 12-14 Wochen ganz der Entscheidung der Frauen zu überlassen. Bisher können Frauen, ähnlich wie in Deutschland, nur in drei Fällen abtreiben: Wenn die physische oder geistige Gesundheit der Mutter in großer Gefahr ist, wenn die Schwangerschaft das Resultat einer Vergewaltigung ist oder wenn eine Missbildung des Fötus vorliegt. Auch die Freigabe der Abtreibung soll allerdings mit Aufklärung verbunden sein.

Für Navarro ist das aktuelle Gesetz „heuchlerisch und entspricht nicht der Realität“. Doch für die Rechte ist das Vorhaben ein „barbarischer Akt“. Die, denen der Schutz der Frauen bisher weitgehend egal war, führen nun das „Lebensrecht“ abgetriebener Föten ins Feld, wie der Erzbischof von Madrid Antonio María Rouco Varela oder der Sprecher der Volkspartei Mario Mingo. Das „Institut für Familienpolitik“ behauptet sogar, bald komme es zu „Abtreibungen alle fünf Minuten“.

Die Frauenorganisationen begrüßen dagegen die Ankündigungen der Sozialisten. „Das sind Maßnahmen, welche die Gleichheit der Frauen fördern“, sagte Ángeles Álvarez vom „Feministischen Netzwerk“. Enriqueta Chicano, Präsidentin der „Vereinigung Progressiver Frauen“, erklärte zur Abtreibung: „Die Reform ist notwendig, damit endlich die Doppelmoral beendet wird.“ Es bleibt abzuwarten, ob die Sozialisten alle Vorstellungen umsetzen, sollte dies geschehen, hätten Frauen in Spanien tatsächlich etwas gewonnen.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 09.04.2004
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