Russland: Gerüchte um Rybkins Verschwinden

Jens Steiner 10.02.2004 18:29 Themen: Repression Weltweit
Russische Politiker nutzen Tragödien wie den Anschlag auf das Nordost-Musical, die Bergwerg-Katastrophen, den Brand im Moskauer Studentenwohnheim und alles was die russische Öffentlichkeit erschüttert als willkommene PR für ihre eigene Person. Nach dem Anschlag auf die Moskauer Metro am vergangenen Freitag war dies nicht anders. Die Kameras und Mikrofone von RTR, NTW und CNN richteten sich gleichermaßen auf Opfer und Anzugträger, die der Welt ihr Bedauern verkündeten. Einer, der es ganz nach oben schaffen will, fehlte: Iwan Rybkin.
Seit der Nacht zum fünften Februar gilt der Präsidentschaftskandidat aus dem Umfeld von Jelzin und dem Exil-Oligarchen Berezowskij als vermisst. Sein Fahrer habe ihn zuletzt gesehen. Am Telefon habe er sich auch nochmals bei seiner Familie gemeldet.

Nachdem er am Sonntag nicht zu einer Pressekonferenz erschienen war, gab seine Frau Albina eine Vermisstenanzeige auf. Nicht nr die Moskauer Kriminalpolizei, auch der Inlandsgeheimdienst FSB und die Staatsanwaltschaft nahmen die Fahndung nach dem Putin-Kritiker Rybkin auf und machten den Fall somit zur föderalen Angelegenheit.

Die russische Presse überschlägt sich seither mit Gerüchten. Boris Beresowskij habe aus dem britischen Exil mitgeteilt, Albina hätte ihm gesagt, ihr sei zugesichert worden, dass ihr Mann wieder auftauchen würde. Andere Quellen gingen bereits von einem Mord an Rybkin aus.

Doch wer ist dieser Ivan Petrovitsch Rybkin?
Unter Jelzin war er Duma-Sprecher, Vize-Regierungschef und Chef des Sicherheitsrates. Zudem hat er einen der ranghöchsten Jobs innerhalb der Liberalen Partei der Russischen Föderation inne. Kein sicherer Job.
Der Mitbegründer und Duma-Abeordnete Sergej Juschenkow wurde im April 2003 am hellerlichten Tage erschossen. Den unter Korruptionsverdacht geratene Liberale Vladimir Golovjev erschoss man im August des Vorjahres. 1994 wurden 10 Duma-Abgeordnete ermordet.

Der nun so kurz vor der Präsidentschaftswahl verschwundene Rybkin gilt als harscher Kritiker der Putinschen gelenkten Demokratie, der Tschetschenien-Politik und der Inhaftierung des westlich orientierten Yukos-Oligarchen Chodorkowskij, der ursprünglich auch in diesem Jahr für das Präsidentenamt kandidieren wollte.

Nach den derzeitigen Umfragewerten hätte Rybkin mit weniger als 1 Prozent eh schlechte Karten gegen Putin mit seinen 70 Prozent. Welches Interesse sollten Putin und dessen Anhänger haben, gerade ihn aus dem weg zu räumen?
Auch ein PR-Gag des Wahlkampfstabes um Rybkin wäre eher ein Schnitt ins eigene Fleisch. Handelt es sich um eine parteiinterne Intrige? Igot Bunin, Mitarbeiter des Moskauer Think Tanks Center for Political Technologies, hat seine eigene Variante parat. Dem schüchternen Rybkin fehle einfach die Courage, weiterhin gegen Putin aufzustehen. Deshalb habe er sich nun so zurückgezogen.

Am Dienstag, den 10. Februar war am Nachmittag auf polit.ru zu lesen, dass sich Rybkin in Kiew in der Ukraine aufhalte und dort nicht, wie in mitteleuropäischen Medien behauptet, mit ein paar Freunden, sondern mit Oppositionellen, mit Gegnern von L. Kutschma treffen würde. Davor habe er auch mit Beresowskij in England Kontakt aufgenommen. Geradezu putzig erscheint die Erklärung des PR-Chefs der Hauptverwaltung des Inneren, Kirill Masurin:

"Die Suche nach Rybkin wird fortgesetzt, da für die Einstellung ein entsprechender Antrag seiner Frau, die die Anzeige aufgegeben hat, oder Rybkins Rückkehr notwendig ist."

Am Dienstag Abend schien nun eingetreten zu sein, was der Sicherheitssprecher der Gosduma, Gennadi Wladimirowitsch Gudkow bereits am Montag bei einer Pressekonferenz verkündete und noch am gelichen Abend wieder dementieren ließ: "Rybkov zhiv i zdorov". Rybkov ist am Leben und gesund.

Rybkin meldete sich am Dienstag per Handy bei seiner Wahlkampf-Managerin und telefonierte auch gleich mit Beresowskij, der gleich über den Radiosender Echo Moskvy verkünden liess, dass Rybkin kein Abenteurer sei, da das auch das Ende seiner politischen Karriere sein würde. Rybkins Stimme habe am Telefon auch ganz normal gewirkt, wie es Russland von ihm kenne. Beim FSB, der Staatsanwaltschaft und der Hauptverwaltung des Inneren gehen die Ermittlungen jedoch solang weiter, bis Rybkin tatsächlich wieder aufegtaucht ist. Angeblich solle er heute Abend gegen 21 Uhr mit dem Flugzeug aus Kiew nach Moskau zurückkehren.
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Ergänzungen

ist wieder da

127.0.0.1 10.02.2004 - 19:03
Rybkin ist mittlerweile wieder aufgetaucht, er ist in Kiew.

Siehe zB auch  http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E1A0CF0A43DA245D198E9A5636B62248A~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Ist einfach das erste, was ich gefunden habe, soll keine Sympathie mit dieser Zeitung darstellen...

127.0.0.1: Text immer zu ende lesen :-)

Wer 10.02.2004 - 19:25
Im Artikel von Jens Steiner steht:

"Am Dienstag Abend schien nun eingetreten zu sein, was der Sicherheitssprecher der Gosduma, Gennadi Wladimirowitsch Gudkow bereits am Montag bei einer Pressekonferenz verkündete und noch am gelichen Abend wieder dementieren ließ: "Rybkov zhiv i zdorov". Rybkov ist am Leben und gesund.
Rybkin meldete sich am Dienstag per Handy bei seiner Wahlkampf-Managerin und telefonierte auch gleich mit Beresowskij..."