Es brodelt in den spanischen Werften

FAU-INFO 09.02.2004 21:49 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Andalusien, Anfang Februar: Zwei Tage lang lieferten sich mehrere Tausend Arbeiter des Werftenverbundes Izar S.A. in verschiedenen Orten der Bucht von Cadiz sowie im weiter nördlich gelegenen Sevilla stundenlange erbitterte Kämpfe mit der Polizei. Die Arbeiter sind wütend, weil sie mit ihrer Forderung nach einem neuen Tarifvertrag von dem halbstaatlichen Konzern seit Monaten hingehalten werden und die Firmenleitung jetzt auch noch Kurzarbeit von mindestens sechs Monaten für tausende Beschäftigte u.a. in Puerto Real und Gijón angekündigt hat. Gleichzeitig verkündete sie, dass die Firma nach Jahren der Verluste nun endlich wieder an der Schwelle zur Gewinnzone stehe. Als Reaktion werden jetzt, wie schon 1985 und 2000, "Raketenwerfer" und Zwillen geschweißt und der Protest auf die Straßen verlegt.

Dieser Beitrag besteht aus einer Übersicht über die Ereignisse in mehreren Städten, sowie einer Schilderung der Betriebsgruppe der CNT in der Werft von Sevilla zu den Auseinandersetzungen dort.
Astilleros Izar: Zwei Tage Hexenkessel in der Bucht von Cádiz und in Sevilla

Andalusien, Anfang Februar: Zwei Tage lang lieferten sich mehrere Tausend Arbeiter des Werftenverbundes Izar S.A. in verschiedenen Orten der Bucht von Cadiz sowie im weiter nördlich gelegenen Sevilla stundenlange erbitterte Kämpfe mit der Polizei. Die Arbeiter sind wütend, weil sie mit ihrer Forderung nach einem neuen Tarifvertrag von dem halbstaatlichen Konzern seit Monaten hingehalten werden und die Firmenleitung jetzt auch noch Kurzarbeit von mindestens sechs Monaten für tausende Beschäftigte u.a. in Puerto Real und Gijón angekündigt hat. Gleichzeitig verkündete sie, dass die Firma nach Jahren der Verluste nun endlich wieder an der Schwelle zur Gewinnzone stehe. Als Reaktion werden jetzt, wie schon 1985 und 2000, "Raketenwerfer" und Zwillen geschweißt und der Protest auf die Straßen verlegt.

Als Reaktion auf die angekündigten Maßnahmen haben am 5. Februar 2.000 Arbeiter der Werft von Puerto Real und mindestens eines Zulieferbetriebes mehrere Straßen in Puerto Real und die Nationalstraße 443, die einzige Straße, die nach Puerto Real und Cadiz führt, blockiert und dort Barrikaden errichtet und angezündet. In der Folge kommt es zu einer Straßenschlacht mit Aufstandsbekämpfungseinheiten, die sich in Cádiz und Puerto Real über 13 Stunden hinzieht und erst endet, als er es der Polizei gelingt, in einem Zangenangriff die Arbeiter auf das Gelände der Werft von Puerto Real zurückzutreiben.

Bereits am Vortag hatten mehr als 4.000 Arbeiter aus drei Werften der Izar (Puerto Real, Cádiz und Sevilla) und aus mehreren Zulieferern sich mit den Aufstandsbekämpfungseinheiten eine richtig gehende Schlacht um die Brücken nach Cadiz und San Fernando und um die Industriestraße geliefert. Mehrere Dutzend Arbeiter erlitten Prellungen, drei wurden schwerer verletzt.

Zeitgleich mit den Auseinandersetzungen in und um Puerto Real blockierten in Sevilla über 1.000 Werftarbeiter die Zufahrt zum dortigen Hafengelände und versuchten die Schleuse am Hafeneingang unter ihre Kontrollen zu bekommen. Nach einer dreistündigen Straßenschlacht gaben sie ihren Plan auf, sich zu einer Demonstration in die Stadt durchzukämpfen. Bei den Auseinandersetzungen erlitten mindestens 22 Arbeiter und ein Journalist Verletzungen durch Tränengas. Ein Arbeiter wurde festgenommen, kurz darauf aber wieder freigelassen.

Im galizischen Ferrol, wo die Izar zwei weitere Werften betreibt, demonstrierten rund 4.000 Werftarbeiter. Abgesehen von einigen kleineren Rangeleien blieb es dort aber zunächst relativ ruhig.

Bereits 1985 war es in Puerto Real zu wochenlangen Kämpfen zwischen den Arbeitern der von Schließung bedrohten Werft und hunderten von Polizisten gekommen. Als die Aufstandsbekämpfungseinheiten seinerzeit die Werft stürmten, zogen sich die Arbeiter auf ein im Werft liegendes Schiff zurück und verteidigten sich tagelang erfolgreich u.a. mit selbstgebastelten "Raketenwerfern" gegen die Staatsmacht. Die Schließung der Werft konnte damals, anders als die der Euskalduna in Bilbao, durch die militanten Proteste verhindert werden. Die Betriebsgruppe der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT spielte damals eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Schließung.

Nach zwei Tagen herrscht nun erst einmal gespannte Ruhe. Die Arbeiter sind in die Werften und Fabriken zurückgekehrt, die Straßen von Cadiz, San Fernando, Puerto Real und Sevilla sind voller Guardias Civiles und anderer Polizeieinheiten.

Im Laufe der nächsten Wochen sind weitere Streiks und Aktionen angekündigt, darunter eine zentrale Demonstration der Werftarbeiter in Madrid und ein 24-stündiger Streik am 5. März.

Die Betriebsgruppe der CNT hatte einige Tagen vor dem aktuellen Wiederaufflammen der Kämpfe ein längeres Flugblatt verfasst, in dem sie die Entwicklungen der letzten Monate analysiert und ein Scheitern der derzeitigen Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Konzernleitung in Aussicht stellt. Wir werden diesen Text in Kürze veröffentlichen.



Erklärung der Betriebsgruppe der CNT in der Werft von Sevilla

Die Ereignisse am 5. und 6. Februar

Die andalusischen Werften sind im Kampf. Es gibt keine Folgeaufträge für Schiffe und Gespenster von Arbeitslosigkeit, von Anpassungen im Werftensektor und von Kurzarbeit ziehen ihre Kreise. 80% der Werftarbeiter stecken in Zulieferbetrieben mit anderen Arbeitsbedingungen als denen bei "Izar S.A" (der ehemaligen zivilen "Astilleros Españoles, S.A.", die mit der militärischen "Bazan, S.A." fusioniert wurde).

Bei den Arbeitern beginnt das Bewusstsein zu wachsen, dass nur die Einheit, die weit über die Betriebsräte und die gewerkschaftlichen Delegierten hinausgeht und die Direkte Aktion einen Richtungswechsel erzwingen können.

Wir haben schon eine ganze Reihe von Aktionstagen mit Teilstreiks, Demos und Auseinandersetzungen mit den Repressionsorganen hinter uns gebracht. Sei es in Cádiz, Puerto Real, San Fernando oder Sevilla.

Wir wollen hier kurz schildern, was sich in den letzten Tagen in Sevilla zugetragen hat.

Sevilla, 5. Februar 2004

Es wurde ein zweistündiger Streik ausgerufen. Gegen 11.00 Uhr teilten wir ArbeiterInnen uns in zwei Gruppen auf. Während 500 von uns sich auf den Weg zum vorderen Tor der Werft Richtung Straße zur Schleuße machten (das ist die einzige Straßenverbindung in den Hafen), um der Riotpolizei der Policia Nacional den Zugang zu versperren, beabsichtigte eine zweite, gleich große Gruppe, von hinten an die Schleuse heranzukommen und damit den Schiffsverkehr während der Zeit des Streiks zu blockieren. Dabei trafen wir auf die Aufständsbekämpfungseinheiten der Guardia Civil.

Die Zusammenstäße sind sehr gewalttätig. Die Angriffe der Polizei werden mit Steinen, Sechskantschrauben usw. abgewehrt. Auf der Straße und an den Zugängen zur Werft werden Barrikaden errichtet. Die Polizei fährt alles auf: sie beschießen uns mit Gummigeschossen und mit grossen Mengen Tränengas. Wir vermuten, dass sie dabei neue, giftigere Tränengassorten ausprobiert haben. Mehrere Genossen, darunter zwei von der CNT müssen in einem nahegelegenen Krankenhaus wegen der Folgen des Gases und von Schlägen behandelt werden. Schließlich müssen wir uns in Werk zurückziehen, von wo aus wir die Polizei in Schach halten.

Gegen 12.00 Uhr wird ein Genosse vom Zulieferer "Mymain" verhaftet. Wir organisieren eine improvisierte Vollversammlung, wo beschlossen wird, der Guardia Civil vorzuschlagen, im Austausch gegen die Freilassung des Genossen die Auseinandersetzungen einzustellen. Um 13.00 Uhr kommt er raus.

Wir von der Betriebsgruppe der CNT in der Werft von Sevilla bewerten den Protesttag als positiv, weil er die Bande der Freundschaft und Solidarität zwischen den ArbeiterInnen gestärkt hat, bei denen das Bewusstsein dafür wächst, dass wir nur nur Direkte Aktionen aus der Situation, mit der wir konfrontiert sind, wieder herauskommen.

Sevilla, 6. Februar 2004

Um 10.00 Uhr veranstaltete der Betriebsrat von Izar S.A. (der ehemaligen zivilen "Astilleros Españoles, S.A.", die mit der militärischen "Bazan, S.A." fusioniert wurde) eine Pressekonferenz am Tor der Werft und rief die Arbeiter dazu auf, sich als Kulisse dazu einzufinden. Als die Pressekonferenz beendet war, beschließt eine Gruppe von rund 400 ArbeiterInnen spontan, sich nicht um die Anweisungen des Betriebsrates zu scheren und sich stattdessen auf den Weg zur 500-Jahr-Brücke zu machen. Da kein Streiktag ist, ist auch nirgendwo Polizei. Der Betriebsrat versucht die Aktion zu verhindern, die Stimmung ist äußerst spannungsgeladen. Schließlich kehren wir ArbeiterInnen in die Fabrik zurück. Die Sache wird ein Nachspiel auf der nächsten Vollversammlung haben.

Die CNT tritt für die Direkte Aktion ohne Vermittler und ohne Führer ein und für die Vollversammmlung, in denen der Wille der ArbeiterInnen unmittelbar zum Ausdruck kommt. Die CNT wird die Entscheidungen, die die ArbeiterInnen aus freien Stücken in der Vollversammlung treffen, immer respektieren.


Zum Weiterlesen:

Einige bunte Bildchen der Auseinandersetzungen:
 http://www.fau.org/artikel/art_040206-110416

Eine Einschätzung der Betriebsgruppe der CNT in der Werft von Puerto Real zur Situation in der spanischen Werftindustrie (auf Spanisch):  http://www.cnt.es/sevilla/astilleros.html
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Ergänzungen

Italien, Spanien, Germany

Jemand 10.02.2004 - 00:18
Fotos bei Indy.de:  http://de.indymedia.org/2004/02/73936.shtml


Auch in Italien eskalieren die Arbeitskämpfe


Genua, Stahlarbeiter besetzen Brignole
Zusammenstöße vor der Präfektur Genuas, dann die Besetzung der Bahngleise von Brignole. Die Arbeiter von Ilva machen nicht mehr mit.
 http://de.indymedia.org/2004/02/74458.shtml

Artikel dazu bei Indymedia.Italien, wo das Thema in der Mittelspalte zu finden ist:
 http://italy.indymedia.org/news/2004/02/478484.php
 http://italy.indymedia.org/news/2004/02/478533.php



Terni - Generalstreik der Stahlarbeiter
06.02.2004:
Ein historisches Datum, schreibt Terni.news.it. "Noch nie wurde eine so geschlossene Teilnahme an einem Generalstreik registriert. Politiker, Gewerkschafter, Geschäftsleute, Studenten, die ganze Stadt Terni kam aus den Häusern, um an der Seite der Arbeiter von AST zu sein. Auch aus der gesamten Region Umbrien strömten die Delegationen nach Terni, 92 Bürgermeister und es kamen Arbeiter aus Turin, Piombino und Taranto."
30.000 Menschen, die auf den Straßen der umbrischen Stahlstadt Terni gegen die Schließung des Thyssen Krupp Magnetstahlwerkes demonstrieren.
 http://de.indymedia.org/2004/02/74133.shtml




In Deutschland:
Am 1.Novermber demonstrierten trotz Boykott der staatstragenden Gewerkschaften 100.000 Menschen gegen Sozialabbau. Am 3.April will der DGB die soziale Bewegung wieder "einfangen", indem er die Demo zum eu-weiten Aktionstag leitet.
In Köln gabs im dezenber einen wilden Streik der Belegschaft von Ford, in Ostdeutschland sind 2003 mehrere Betriebe besetzt worden.

Heute weiterer Aktionstag in Andalusien

Diego 10.02.2004 - 13:46
Für den heutigen Dienstag ist in den andalusischen Werften ein weiterer Aktionstag angesetzt wurden. Nähere Infos dazu gibt es sicher bald auf www.fau.org

weitere Fotos und artikel

Meines Zeichens Ergänzer 11.02.2004 - 13:00
Fotos aus Cadiz vom 6.Februar bei Indy Uruguay
 http://uruguay.indymedia.org/news/2004/02/22306.php

Artikel auf spanisch mit Bildern und Karte in der EL Mundo Dinero
 http://elmundodinero.elmundo.es/mundodinero/2004/02/05/Noti20040205123754.html

Noch mehr Bilder
 http://madiaq.indymedia.org/news/2004/02/4037.php

Morgen langer Artikel in der Jungen Welt

Ralf 11.02.2004 - 16:19
Anbei ein alter Artikel ein neuer ab heut abend auf www.jungewelt.de

Werftenstreik in Spanien

Für mehrere Stunden haben am Donnerstag die Werftarbeiter der Izar-Gruppe gestreikt. Bei Konfrontationen mit der Polizei wurden in Sevilla 15 Arbeiter verletzt.

Es gibt viele Gründe, welche die Werftarbeiter am Donnerstag im gesamten spanischen Staat zu einem mehrstündigen Ausstand gebracht haben. Vor allem geht es ihnen um einen neuen Tarifvertrag, der schon im vergangenen Jahr ausgelaufen ist. Dazu kommt die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, denn die Werften in Spanien sind unterbeschäftigt.

\'84Es war an der Zeit“, sagte der Betriebsratsvorsitzende der Grupo Izar in Puerto Real bei Cadiz. Ramón Linares ist überzeugt davon, nur ein Tritt vors Schienbein könne die Firmenleitung in Bewegung bringen. Seit Monaten mache die sich über die Belegschaft lustig. Selbst neun Monate der Verhandlungen hätten bisher nicht ausgereicht, um einen Tarifvertrag zu verabschieden. Für die Belegschaft, nicht nur in Cadiz, sondern auch in Sevilla, Sestao, Gijon und Ferrol ist klar, dass die Firma, die von der Staatlichen Gesellschaft zur Beteiligung in der Industrie (SEPI) abhängt, die Arbeiter mürbe machen will. Letztlich gehe es darum, einen neuen Restrukturierungsplan durchdrücken, vermutet der Betriebsrat.

Deshalb werde der vor zwei Jahren ausgehandelte Industrieplan nicht umgesetzt, der die Beschäftigung in den spanischen Werften sichern sollte. Die Belegschaft bekräftigt, man habe die Bedingungen, wie termingerechte Fertigung und Verbesserung der Qualität erfüllt. Lange hatte sie für den Erhalt der Werftindustrie gekämpft, Straßenschlachten waren an der Tagesordnung, welche die kämpferischen „Astilleros“ schon aus der Diktatur kennen. Vier Restrukturierungspläne hat es seit deren Ende und der Privatisierung der Werften danach schon gegeben. 13.000 Arbeitsplätze in den Werften und mehr als drei Mal so viele bei Zuliefererbetrieben wurden vernichtet. Für Regionen, die wie Cadiz oder Gijon von den Werften abhingen, war es ein harter Einschnitt. Wegen dem Fehlen von Aufträgen seien in der letzten Zeit erneut 4000 Stellen bei Zulieferern der Werften gestrichen worden.

Auch für den Betriebsratsvorsitzenden im Werk von Sevilla, Ignacio Sánchez, ist die Lage Ernst. Noch bis Januar gäbe es Arbeit an zwei Transportern für Algerien, danach seien die Auftragsbücher leer und 1000 Arbeitsplätze bedroht. Wie für seine Kollegen in den anderen Werften stehen auch für Sanchez politische Gründe hinter der Auftragslage. Es werde nichts zur Auftragsbeschaffung getan. Die gingen statt dessen an die hoch subventionierten Werften in Korea.

Um ihren Unmut zu zeigen, zogen die Astilleros in Sevilla nach einer Betriebsversammlung demonstrierend vor das Tor. Beim Versuch den Zugang zur Werft zu blockieren, wurden sie von der Nationalpolizei eingekreist. Als sich Arbeiter umliegender Firmen solidarisierten, griff die Polizei an und schoss mit Gummigeschossen und Tränengas in die Menge. 15 Arbeiter wurden verletzt, einer verlor fast ein Auge. Die Arbeiter bauten daraufhin Barrikaden und warfen mit Steinen und Schrauben zurück. Kein Beamter wurde verletzt.

Aus Solidarität mit den Kollegen in Sevilla zogen daraufhin auch die Beschäftigten in Puerto Real auf die Straße. Mit brennenden Reifen blockierten sie eine Brücke über eine Bundesstraße und richteten ein Verkehrschaos an. Für den dortigen Betriebsrat war das nur der Auftakt von „überzeugenden Protesten“, wenn es in der nächsten Woche bei den Verhandlungen zu keinem Durchbruch kommt.

\'a9 Ralf Streck den 12.12.2003