"Antifa" macht nationalistische Band hoffähig

AK Antifa 11.12.2003 03:01 Themen: Antifa
Ein ziemliches Ärgernis ereignete sich am vergangenen Samstag in Giessen:
Es gab sich an diesem Tag nicht nur die nationalistische Berliner Band "Mia" ein Stelldichein in einem alternativen Kultur- und Veranstaltungszentrum der mittelhessischen Universitätsstadt. Schlimmer noch: AntiFa-AktivistInnen des Giessener Infoladens/ autonomes Zentrum "ak44" machten diese scheußliche Band auch noch diskurs- und hoffähig, in dem sie zusammen mit den Mitgliedern der Band eine Podiumsdiskussion zum Thema "Pro und Contra deutsche Identität" bestritten.

Ärgerlich ist vor allem, dass die Band zuvor in verschiedenen Städten von den Veranstaltern Absagen erhalten hatte, nachdem bekannt geworden war, wes Geistes Kind diese Berliner Musiker sind. Doch jetzt verfügen sie über einen "Persilschein", können also darauf verweisen, dass sie ganz offen mit AntifaschistInnen über ihre Texte usw. diskutiert hätten - und diese auch mit ihnen!

So öffnet man dem Nationalismus in der alternativen Musik-Szene die Türen!

Hier ein ausführlicher Bericht zu den Vorfällen. Das Verhalten der "Antifas" und dessen Hintergründe werden gleichzeitig einer kritischen Analyse unterzogen.
Projekt ANGEKOMMEN: Akzeptierende Jugendarbeit in Giessen

Oder:

(Anti-)Nationalismus auf gut deutsch


Zum Auftritt Giessener Autonomer beim Konzert der nationalistischen Berliner Band Mia im Giessener MUK am 6.12.2003

das gegenteil von gut ist gut gemeint
kettcar

Die Autonomen, sagte einmal ein schlimmer Zyniker, sind so etwas wie das linke Pendant zu den Burschenschaften: Die Jugend lernt dort spielerisch, sich in ein Kollektiv einzuordnen, bestimmte Regeln und Umgangsformen einzuüben und sich die Parolen und Ideologeme anzueignen, über die verfügen muß, wer das Leben in der komplexen, modernen Welt mit dem Bewußtsein für die Probleme, die es überall gibt, und sattsam ausgestattet mit der Erfahrung diverser Formen der Konfliktbewältigung souverän meistern will. Wer's bieder und spießig mag und später hoch hinaus will, der geht halt zu Schüler-Union, Bundeswehr und danach zur Burschenschaft. Und wer mehr auf Rebellion und Nonkonformismus steht, Selbstverwirklichung und Weltverbesserung dem Einsatz für Häusle und Familie vorzieht und seine Moral eher im Kampf gegen Nazis als für eine Liberalisierung von Steuerrecht und der Privatisierung des Rentensystems verwirklicht sieht, der wählt halt lieber Volxküche und Black Block. Sich in der Gruppe durchsetzen und doch den Vorteil flacher Hierarchien schätzen, wenn's drauf ankommt auch mal "seinen Mann" als Kämpfer "stehen", aber eben auch niemals vergessen, daß das Geschlecht eigentlich eine soziale Konstruktion ist und sowohl den Wert und die Vielfalt unverfälschter, autochthoner Kulturen erkennen als auch den leisesten Anflug von Rassismus lautstark und entschieden zurückweisen können, das lernt man dort allemal. Und mal ehrlich: Ist man womöglich männlichen Geschlechts, "weiß" und entstammt der "Mittelschicht", so ist es heutzutage gar nicht mehr so einfach, den sozialen Status des Elternhauses zu reproduzieren. Außerdem will man ja auch was haben vom Leben und dennoch morgens noch in den Spiegel schauen können. Und so bringt der einstmals radikale Politaktivist vielleicht nicht unbedingt die richtigen Voraussetzungen für die Chefetage der Bank mit, der Aussicht auf den Job im alternativen Betrieb, im Kultur-, Sozial- oder Erziehungsbereich ist die linksradikale Vergangenheit aber auch nicht wirklich abträglich. Denn die Codes, die in bestimmten Milieus herrschen und das nötige "social and cultural capital" muß ja irgendwo auch erworben worden sein. Langer Rede kurzer Sinn: Autonome jenseits des 30. oder gar 35. Lebensjahres wurden noch kaum irgendwo gesichtet.(*)

Zuweilen hat man allerdings das Gefühl, die "autonom gelebte" Phase rebellierender Adoleszenz würde neuerdings immer kürzer. Das wäre auch nicht weiter verwunderlich, denn die Hochzeiten autonomer Bewegung sind längst vorbei, und für die selbstverwalteten Gebäude muß heutzutage - anders als früher - bekanntlich nicht gerade wenig Miete bezahlt werden. Und wenn das Leben "in Freiräumen" davon abhängt, daß ein paar Kommunalpolitiker, die mindestens mal bißchen was zu sagen haben, das autonome Wohnprojekt vor Ruin und Schließung bewahren, so scheint es nur natürlich, daß man um der lokalen Akzeptanz willen einen Gang zurückschaltet. So kommt es denn auch, daß man seine Kritik an der nichtautonomen Mehrheitsgesellschaft nicht mehr ganz so markig formuliert, mithin sich nicht mehr ganz so weit über die Balkonbrüstung hinauslehnt, denn diejenigen, die den brüchigen Altbau mit ihrer politischen Macht stützen, sollen schließlich nicht verschreckt davonlaufen.

Besteht aber der Preis dafür, inmitten der verabscheuten, von "Konsum-Terror" geprägten Zivilisation ein alternatives Zentrum inklusive "Umsonstladen", gelebter Solidarität und echtem Gemeinschaftsgefühl betreiben und bewohnen zu dürfen, nun einmal darin, irgendwie doch vom good will der Außenwelt abhängig zu sein, so muß letzterer eben auch regelmäßig signalisiert werden, daß die eigene, alternative Sache insgesamt doch ausschließlich für den Einsatz für das Wohl der Menschen, kurzum: für das Gute in der Welt steht. Weil die finstere Außenwelt diese hehren Absichten gerne verkennt oder gar vergißt, ist es deshalb nur folgerichtig, dies auch öffentlich immer wieder in Erinnerung zu rufen. Bei Antifa-Demos schallt es daher nicht selten im Chor: "Auch wenn Sie's nicht vermuten: Wir sind die Guten!" Eine andere, ebenfalls geschätzte und gern praktizierte Möglichkeit, die skeptische Mehrheitsgesellschaft von den lauteren Zielen der manchmal doch recht martialisch drapierten und mit radikalem Gestus daherkommenden autonomen Community zu überzeugen, besteht darin, an "Werte" zu appellieren, die nicht nur von der linksradikalen In-Group geteilt werden. Bei näherem Hinsehen wird dann aber schon mal deutlich, daß das, woran dabei appelliert wird, in Wahrheit gar nicht so verschieden ist von dem, was man selbst mit größter Entschlossenheit zu bekämpfen vorgibt.

Wie das in concreto aussieht, wurde vor kurzem in der mittelhessischen Universitäts(klein)stadt Giessen demonstriert. Was sich dort zutrug, kommt einem Lehrstück gleich, das der olle Bert vermutlich kaum besser zu inszenieren in der Lage gewesen wäre - V-Effekt inklusive, versteht sich. Charaktere: AktivistInnen des Antifa-Front-Cafes des autonomen Giessener Infoladens, der in der Regel unter dem selbst gewählten, an die Typenbezeichnung der legendären Kalaschnikow angelehnten Namen "ak44" firmiert. In weiteren Rollen: Das Giessener Kultur- und Veranstaltungszentrum "MuK", die Berliner "Elektropunk"-Band Mia und - ebenfalls nicht unbeteiligt - die Antifa Giessen, common name: "die Antideutschen" (i. e. die Verfasser dieser Zeilen). Denn letztgenannte war es, die zunächst in einem Text und mittels eines offenen Briefes an das Kulturzentrum MuK darauf aufmerksam gemacht hatte, wes Geistes Kind die Damen und Herren von der Gruppe Mia nun einmal sind, und mit welchem Gut die Punkrocker aus dem ‚dicken B.' just an Nikolausi die Skaterboots der jugendbewegten Musikszene der hessischen Provinz füllen sollten. Es wurde hierin dargelegt, daß es sich bei Mia um welche handle, deren künstlerisches Haupt-Anliegen darin bestünde, dem offenen Bekenntnis zur geläuterten und neuerdings friedliebenden deutschen Nation mittels nationalfarbenprächtiger ästhetischer Inszenierung und entsprechenden Textgutes endlich zum massenhaften, popkulturindustriellen Durchbruch zu verhelfen. Es soll an dieser Stelle nicht noch einmal aufgelistet werden, wie dies von den KünstlerInnen des Projektes namens ANGEFANGEN, deren avanciertesten Teil die Band Mia verkörpert, begründet und im Einzelnen in Szene gesetzt wird. Allein die Tourplakate, in deren Ästhetik die deutsche Nationalflage aufgehoben ist, sowie die zahlreichen Pressefotos, auf denen die Musiker in einer kultartigen Pose schwarzrotgoldene Devo(na)tionalien hochhaltend zu sehen sind, angesichts deren einer sich die Frage aufdrängt, ob es sich dabei um ein leicht abgewandeltes keltisches Sonnenrad-Symbol handelt, das bekanntlich einstmals die Vorlage fürs Hakenkreuz hergab, oder ob hier das aus Hippiezeiten bekannte Peace-Symbol mit den deutschen Farben überzogen wurde, zeugen hinlänglich vom Wesen dieses Projekts.

Vor Jahren noch reichte schon ein in schwarzrotgold gehaltener Schriftzug auf dem "Heilige Lieder"-Album der damals bereits offiziell "geläuterten" Böhsen Onkelz aus, um Spekulationen darüber anzuheizen, inwiefern die "Kehre" der einstigen Nazis auch wirklich glaubwürdig sei. Nicht so heutzutage, nach dem die "winds of change" inzwischen offenbar vieles davon gefegt haben und heute sich so manches erstaunlicher Beliebtheit erfreut, was gestern - wenn überhaupt - nur mit spitzen Fingern angefaßt worden wäre, denn das Giessener MuK nahm an dem neonationalistischen Kult der Berliner Chartbreaker keinerlei Anstoß und versuchte statt dessen die Warner von der Giessener AntiFa zu besänftigen. Kommt vorbei, schaut euch gratis das Konzert an, lernt die Leute von Mia erst mal persönlich in einem Gespräch kennen, schließlich kann man doch über alles reden, lautete ungefähr die lullige Antwort des MuK auf den offenen Brief der "Antideutschen". Diese aber lehnten dankend ab, denn erstens wolle man Mia nicht auch noch persönlich kennenlernen, man wisse über diese Combo bereits mehr als genug, zweitens halte man jedwede Form deutschen Nationalismus' für keine auch nur irgendwie verhandelbare Sache, und drittens, so sagten sie, wolle man nicht von Mia sondern von den Betreibern des MuK wissen, was sie vom Thema ‚Pop und Nation' halten würden.

An dieser Stelle endet nun schon der Gastauftritt besagter "Antideutscher", denn das MuK zeigte keine weitere Reaktion. Nun sollte vielmehr der glorreiche Akt der autonomen AntifaschistInnen von Infoladen und Zentrum "ak44" stattfinden, denn klar: ‚gegen Nation und so' war man dort schon immer, zwei drei Sätze zu Mia und Konsorten aufs Papier geschrieben, diese Zeilen noch schnell ergänzt um die Standardfloskeln und Phrasen, mit denen man für gewöhnlich das eigene Weltbild zum Zwecke der Vermittlung an die einen umgebende, nichtautonome Parallelwelt auf den Punkt zu bringen pflegt, und schon geht's los: Auf! Auf! Und geschwind voran zur konkreten Tat! Denn nichts haßt man in diesen Kreisen so sehr, wie das praxisferne Räsonnieren und die bloß theoretische, also seminaristische Kritik des Elfenbeinturms. "Wer denkt, der lenkt!" lautete konsequenterweise der bezeichnende Titel eines in dieser Szene entstandenen zornigen Pamphletes, in dem vor geraumer Zeit mal Klartext gesprochen und so richtig mit den fiesen "Antideutschen" abgerechnet worden war. Was also lag näher, als sich ins Zeug zu legen und auf dem Wege des Flugblattverteilens sich an die BesucherInnen ranzuschmeißen, die dem nationalen Hype der Berliner Musiker vor Ort beiwohnen wollten?

So weit so gut. Doch in einer rauhen mittelhessischen Spätherbstnacht stundenlang in lausiger Kälte auszuharren, das ist nicht schön. Um wieviel angenehmer verspricht dagegen die Atmosphäre zu werden, wenn der Konzertveranstalter zu einer Diskussion ins Warme hereinbittet und obendrein noch einen Gratis-Konzertbesuch in Aussicht stellt! Da kann man dann auch mal - Anti-Nationalismus hin oder her - die Fünfe grade sein lassen; und vielleicht gelingt es ja nebenbei auch noch, den einen oder anderen der begeisterten Mia-Fans dazu zu bewegen, dem scheußlichen Gift des Nationalismus abzuschwören und den allerorten so heiß und innig ersehnten Schlußstrich unter die Vergangenheit ein bloßes Wort sein zu lassen, das gemäß der neuen deutschen Rechtschreibung halt ganz furchtbar deppert ausschaut.

Und so wurde an diesem Abend erst einmal darüber diskutiert, ob man denn nicht zwischen Nationalismus auf der einen und Patriotismus auf der anderen Seite unterscheiden müsse und ob es nicht zum Beispiel im Sport was ganz anderes wäre, wenn da jemand stolz auf seine Nationalmannschaft ist. Und wenn man schon mal da ist und diskutiert, dann kann man ja auch gleich mal schauen, wie denn die Bühnen-Show der Berliner NationalistInnen so rüberkommt und ob es da überhaupt ordentlich rockt - außerdem kostet's ja nichts, man wirft den bösen Damen und Herren somit noch nicht mal nen einzigen Groschen in den Rachen, aus dem ja auch der deutschtümelnde Ton herauskommt. Und wenn man schon das Angebot bekommt, im Anschluß an das famose Konzert gemeinsam mit den NationalistInnen eine Podiumsdiskussion Pro und Contra deutscher Identität bestreiten zu dürfen, so muß man doch dankend annehmen - wo sonst erreicht die anti-nationale Agitprop ein solches Auditorium?

Das Ende vom Lied: Alle konnten zufrieden sein. Das Publikum, das sich nach dem als Zugabe gespielten Song "was es ist", dem neuen Smashhit zum Schlußstrich, gar nicht mehr einkriegen wollte, im Anschluß an die Show beim "talk on nation" sich sogar noch ein wenig länger als geplant enthusiasmieren konnte. Das MuK, das sich mit der Organisation der duften Disco über Deutschland den Ärger elegant vom Hals geschafft hatte, also fein raus war. Die autonome Antifa, weil sie sich endlich mal wieder Aufmerksamkeit verschafft hatte. Und keinesfalls zuletzt die Band Mia, die jetzt endlich die langersehnte Diskussion mit ihren Gegnern führen konnte, also genau das verwirklicht sehen durfte, was von Anfang an die Intention des Projektes ANGEFANGEN gewesen war: nämlich einen unbefangenen Diskurs über die Definition der deutschen Identität zu führen. Und siehe da, man war offenkundig gar nicht weit von einander entfernt. Einer der MuK-Verantwortlichen zeigte sich im Mia-Onlineforum sogar ganz erfreut, sei doch zumindest ein Ergebnis gewesen, "dass die Differenzen gar nicht so groß sind. In vielen Punkten herrschte ja geradezu Einigkeit." Nicht zu vergessen schließlich der V-Effekt: "ja, konzert war echt geil!! bei der diskussion war ich ne zeitlang dabei. etwas lustiges ist mir bei dem einen von der antifa (…) aufgefallen: die (…) sind ständig auf den farben schwarz-rot-gold rumgeritten - aber wie sah er aus? schwarze klamotten, blonde haare und ein roter strich aufm kopf. schwarz-rot-blond.... ironie (…)?!", schrieb ein Mia-Fan ins besagte Online-Gästebuch.

Fazit: Die mutigen Jungs und Mädels vom Giessener ak44 haben der anti-nationalen Sache mit diesem Auftritt ohne jeden Zweifel einen Bärendienst erwiesen. Um so mehr dürften sich dagegen die Berliner NationalistInnen gefreut haben, drohte ihr Projekt doch schon ins Straucheln zu geraten, nachdem sich die Absagen nach Bekanntwerden der Denke, die sie neuerdings transportieren, häuften. Doch nun können sie stolz auf die Diskussion in Giessen und das dort erworbene "von der lokalen Antifa für diskussionswürdig befunden"-Siegel verweisen. So macht man NationalistInnen hof-, bzw. diskursfähig!

Wie aber kann eine solche Tragikomödie zustande kommen? Allemal Grund genug, sich den "autonomen" Anti-Nationalismus der Damen und Herren aus Giessen einmal genauer anzuschauen!

Schon ein erster Blick in das anläßlich des Mia-Konzertes verteilte Flugblatt zeigt, was davon zu halten ist, wenn zukünftig seitens dieser AktivistInnen in Diskussionen über den sogenannten Nashostkonflikt wieder einmal vom Existenzrecht Israels daherschwadroniert wird. Denn diese für gewöhnlich mit generöser Haltung vorgetragene Floskel, häufig von AntisemitInnen als Eingangsstatement verwendet, nach dem dann das dicke "Aber" kommt, wird im hier interessierenden Flugblatt ein für alle mal weggewischt und für nichtig erklärt: "SAGEN WIR NEIN ZU DEUTSCHLAND, SAGEN WIR NEIN ZU ALLEN ANDEREN NATIONALSTAATEN!!" Okay, da hat halt wer nichts gedacht, als das formuliert wurde, könnte man freundlicherweise zugute halten und: Da hat man eben Israel und den weltweiten Antisemitismus für einen Moment vergessen, das meinen die aber in Wirklichkeit gar nicht so. Also geschenkt.

Doch was sagt man zu folgendem? "WIR WOLLEN WERTE VERMITTELN DIE SOLIDARITÄT UND GEMEINSCHAFTSGEFÜHLE BEINHALTEN- ALLERDINGS OHNE GRENZEN!" Dem Nationalismus also allen Ernstes auf den Leib rücken, indem man die heimelige Gemeinschaft einfach grenzüberschreitend beschwört?! We are the world - we are the children? Und dann die fiesen Machenschaften der Konzerne, Staaten und dieser fiese Krieg, gegen den man immer sein müsse, jedoch nicht, wie es heißt, "mit z. T. platten Inhalten demonstrieren" dürfe. Als ob gerade die deutsche Geschichte nicht zeigen würde, daß sich vor ihr jeder grundsätzliche Pazifismus ein für allemal blamiert hat. Doch im autonomen Weltbild gibt es eben auf der einen Seite nur das Schlechte und auf der anderen Seite ausschließlich das Gute. Nicht zu vergessen die deutschen Unternehmen, "die zur Verarmung in der Welt beitragen (…) statt den Hunger zu bekämpfen"! Nun plötzlich doch alles eine Frage der Moral, Entschuldigung, besser: der richtigen Werte, die bloß noch ihrer Vermittlung harren?

Interessant auch, was zum Nationalismus gesagt wird: "Dieser Mythos dient dazu, die realen Verhältnisse einer Gesellschaft zu verschleiern" - das klingt nach der vormodern-klassischen Auffassung vom Priestertrug. In der Prinzipienerklärung der anarchistischen FAU, einem Dokument, das zwar nicht von den hiesigen autonomen AntifaschistInnen verfaßt wurde, aber von diesen offenbar geschätzt und deshalb auf der Homepage des ak44 neben wenigen anderen Texten zur gefälligen Lektüre anempfohlen wird, heißt es diesbezüglich fast im selben Wortlaut, mit dem Nationalismus solle die Klassentrennung der Gesellschaft übertüncht werden. Die Herrschenden, so heißt es an anderer Stelle, aber in derselben verschwörungstheoretischen Manier, böten ihnen (den Unterdrückten) eine Ideologie an. Waren Fichte und Herder also in Wahrheit Agenten des Großkapitals? Ist es denn, ließe sich fragen, nicht auch denkbar, daß sich die Herrschaftsunterworfenen ganz freiwillig die Weltbilder zurechtlegen, in denen die Welt vor allem aus dem guten Kollektiv zu bestehen scheint, dem man selber angehören möchte und aus dessen Feinden? Allen, deren politische Sozialisation sich nicht darin erschöpft, im Kreise bärtiger alter Anarchisten in verrauchten Hinterzimmern Syndikate geschmiedet zu haben und all denen, die nicht "von Lenins Geist und von Stalin geschweißt" sind, sollte doch unmittelbar einleuchten, wie absurd eine solche Vorstellung von Ideologie als einem bloßen Instrument der Herrschaft irgendeiner "Klasse" ist: Die Nation ist ein Pfund mit dem viele wuchern, gerade die deutsche "Arbeiterklasse" konnte in dieser Sache bekanntlich eine Vorreiterrolle für sich beanspruchen. Wie im Flugblatt der autonomen Antifas wird jedoch auch im Text der anarchistischen FAU mit dem Bezug auf Gemeinschaften gegen die verhaßte Nation zu Felde gezogen: Denn die Grenzen des modernen Staates würden von "wirtschaftlichen und militärischen Kriterien bestimmt, nicht von kulturellen Gemeinsamkeiten". An einem Anti-Nationalismus aber, der im vorpolitischen Raum scheinbar homogene, substanzielle Gemeinschaften wie z.B. Ethnien oder Kulturen entdeckt und diese der abstrakten und "künstlichen" des bürgerlichen Nationalstaates vorzieht, so läßt sich ohne jede Ironie und Übertreibung sagen, hätte ganz gewiß auch Horst Mahler seine Freude.

Auch wenn es angesichts dieser unglaublichen, aber offenbar von den Giessenern für wertvoll befundenen Phrasen nicht den Anschein hat, so belegen einige Passagen im von den Autonomen selbst verfaßten Flugblatt, daß man sich scheinbar doch irgendwie mit der deutschen Geschichte auseinandergesetzt hat: Denn bei der deutschen Nation handle es sich um eine, "die vor allem in ihrer Vergangenheit, aber auch in ihrer Gegenwart viel Schaden angerichtet hat bzw. anrichtet", weshalb der Bezug auf sie auch nicht statthaft sei. "Viel Schaden angerichtet"?! Das klingt nach fahrlässiger Tötung oder Betriebsunfall. Und dennoch: Erkannt wird im gleichen Text an anderer Stelle immerhin, "dass Deutschland eine einmalige Geschichte in der Welt hat, die nie vergessen werden darf". Richtig! Aber dann geht es weiter: "und (die) endlich konstruktiv aufgearbeitet werden sollte". "Konstruktiv"!? "Auf-Arbeitung"!? Was zum Teufel meint man damit? Eine neue deutsche Identität konstruieren, die die Erinnerung an Auschwitz in sich aufnimmt? Vielleicht Geschichtspolitik a la Rot-Grün? Wohl kaum. Leider wird im ganzen Text gar nicht erst mitgeteilt, wie das bloß gehen soll und warum die deutsche Geschichte denn nun einzigartig sei, bzw. worin denn der "von Deutschland angerichtete Schaden" eigentlich besteht. Schlagen wir also statt dessen noch mal in der Prinzipienerklärung der von den Giessener Autonomen offenbar sehr geschätzten FAU nach, vielleicht findet sich in diesem Grundsatzpapier ja die Antwort. Doch auch hier werden die interessierten LeserInnen maßlos enttäuscht, ja man könnte eher auf die Idee kommen, in der radikalen Linken hätte überhaupt nie eine Auseinadersetzung mit dem von Deutschen begangenen Menschheitsverbrechen stattgefunden. Im Kapitel über den Rassismus - Auschwitz und der Antisemitismus tauchen in diesem Text gar nicht erst auf - liest man dann vielmehr folgendes: "Ihren extremsten Ausdruck findet diese Ideologie im planmäßigen Völkermord, wie z.B. an Juden, Armeniern und Indianern." Auch hiermit dürften so ehrenwerte Herren wie Horst Mahler und Günther Deckert keinesfalls Probleme haben, vor so knallhartem Geschichtsrevisionismus wird jedenfalls ein sich modern gebender Nazi - wenn auch nur aus taktischen Gründen - eher noch zurückschrecken.

Versuchen wir kurz zusammenzufassen, worin der autonome Anti-Nationalismus also wesentlich besteht: Nation hat mit kapitalistischem Staat zu tun. Die Staaten stehen im Wettbewerb und führen deshalb, wenn's sein muß, auch Krieg. Gegen Krieg muß man immer sein, aber mit den richtigen Inhalten. Zum Zwecke des Kriegführens aber auch zu anderen, stets die realen Verhältnisse verschleiernden, appellieren die Herrschenden an ein mythisches Gemeinschaftsgefühl, nämlich das der Nation. Irgendwie hat auch die einmalige deutsche Geschichte damit zu tun. Die zentralen Gegenmittel: Appell an Werte, welche Solidarität und Gemeinschaftsgefühle beinhalten sollen. Ablehnung aller Grenzen, Nationen und Kriege. Konstruktive Aufarbeitung der NS-Vergangenheit.

Nun kann es nicht mehr weiter verwundern, daß in der Diskussion mit Mia mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen zutage gefördert wurden. Die einzig relevante Differenz beläuft sich vielmehr auf Mias Bezug auf die Nation, während die Autonomen sich positiv auf noch herzustellende Gemeinschaften beziehen, die alle Grenzen zu überwinden hätten. Augenfällig ist also, daß es nur einer kleinen Korrektur bedarf, um das nationalistische Weltbild mit dem anti-nationalen zur Deckung zu bringen, und das hat seinen deutschen Grund: In beiderlei Weltbildern kommt ein Idealismus zum Tragen, der den Gang der Geschichte davon abhängig macht, daß die jeweils richtigen Kollektive die jeweils richtigen Werte vertreten. Weil demgemäß die richtige Politik prinzipiell machbar scheint, müssen nur noch genügend Leute von der guten Sache überzeugt werden. Doch dann gibt es auch die falschen Gefühle und diejenigen, die sie in sich tragen und nach ihnen handeln: Mia spricht sich gegen die niedere Lust auf die "materielle Befriedigung" aus; im Infoladen wie bei Mia wird der "Konsum-Terror" angeprangert; beim antinationalen Giessener Fußballturnier erregte eine Mannschaft öffentliches Ärgernis, weil für sie, wie es im Bericht der Veranstalter heißt, "GEGENEINANDER Spielen und Gewinnen wichtiger war als MITEINANDER Spielen"; die Unternehmen verursachen Armut statt den Hunger zu bekämpfen etc. pp. Konsequenterweise erfolgt der Kampf gegen diese Verfehlungen stets im Namen der Gemeinschaft.

Es gehörte nicht viel dazu, in diesem einfachen Weltbild das Ressentiment durchscheinen zu sehen, das sich potentiell überall da ausbreitet, wo die Einzelnen nicht Subjekt, sondern Objekt von Vergesellschaftung sind. Und doch ist die Hoffnung angesichts der momentanen, nicht nur hierzulande vorherrschenden Stimmung unbegründet, daß die Einzelnen auf den realen Grund der verspürten Ohnmacht reflektieren und sich nicht der bewußtlosen Auflehnung hingeben, die sich zuvörderst auf die Suche nach den konkreten Verursachern der Krise begibt. Subjektivität gerät der verrückten Erfahrung nicht selten zur bloßen Zumutung, der gegenüber scheinbar nurmehr die Flucht ins dumpfe Kollektiv den Einzelnen einen Ausweg zu bieten vermag, die sich damit aber doch nur als Einzelne inklusive all dem Besonderen, was erst in einer befreiten Gesellschaft zur Entfaltung gelangen könnte, selber durchstreichen.

War die bürgerliche Nation einst mit dem Versprechen angetreten, den Einzelnen größtmögliches Glück zu bescheren und hat die fortschreitende Kapitalisierung all die barbarischen Kollektive brutal zerrissen, innerhalb deren eine Vorstellung von Individualität noch nicht einmal denkmöglich war, so sortiert der moderne Betrieb die Einzelnen spätestens in der allfälligen Krise in nützliche und nicht weiter verwertbare. Dieser Gang, der das bürgerliche Glücksversprechen immer wieder aufs Neue in der Praxis dementiert, wäre zu durchbrechen. In Deutschland, wo sich weder die bürgerliche Revolution, noch das mit ihr traditionell einhergehende Verständnis von Nation jemals real durchsetzen konnte, hat man dagegen versucht, sich der krisenhaften Entwicklung dadurch zu entwinden, indem man die blinde "Rationalität" des Kapitals durch ein Ordnunsgssystem "höherer Rationalität" zu übertreffen suchte. Sortiert und selektiert wurde schließlich zum Wohle der Gemeinschaft und im Namen höherer Ideale. Das Ergebnis war Auschwitz. Seine Voraussetzungen existieren fort. Nichts ist daher zu bewältigen, und schon gar nichts ist konstruktiv aufzuarbeiten. Die Voraussetzungen - und mit diesen die deutsche Nation - sind vielmehr abzuschaffen.

Jeder Anti-Nationalismus ist nichts wert, der nicht auf diesen Zusammenhang zielt. Der der Giessener Autonomen befindet sich allerdings - so wie er im Moment leider gestrickt ist - in viel größerer Nähe zur deutschen Denke, als den anti-nationalen GenossInnen eigentlich lieb sein kann. Mit ihm ist allenfalls die Ankunft in der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu bewerkstelligen, womit bloß der eingangs skizzierten, zynisch überspitzten These von der sozialen Funktion der Autonomen zu ihrem Recht verholfen würde. Denn dieser Anti-Nationalismus verbleibt innerhalb des Banns der deutschen Misere, der doch besser heute als morgen durchbrochen werden müßte.


(*) Die ehrenfesten Carlo Roth und Detlev Hartmann sowie Wolf Wetzels rührige One-Man-Combo namens "autonome L.u.p.u.s.-Gruppe" seien ausdrücklich ausgenommen.


Hintergrundinformationen, Flugblätter, verschiedene Verweise und ein Pressespiegel zum Nationalismus der Berliner KünstlerInnen von Mia und ihrem Projekt namens "Angefangen" sind auf der Homepage der Antifa Giessen zusammengestellt.
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Ergänzungen

Kurze Korrektur...

ak antifa 11.12.2003 - 04:53
...zum einleitenden Text ganz oben: Ärgerlich ist natürlich nicht, dass eine Reihe von Konzerten in letzter Zeit abgesagt wurde, sondern es müsste heißen:
Vor dem Hintergrund der Absagen... ist es besonders ärgerlich, dass nun...

Da ist im Eifer des Geschehens also ein kleiner Verdreher passiert!

besagtes Flugblatt der R4

Antifa 11.12.2003 - 08:02
Anlässlich des MIA-Konzertes am 06.12.03 im MUK Giessen verteilt die AntifaR4 folgendes Flugblatt an die BesucherInnen:

ES GIBT KEINEN ‚GESUNDEN’ NATIONALSTOLZ!

MIA und das Projekt ANGEFANGEN

Die Berliner Band MIA tritt in ihrem neuen Song ‚Es ist was es ist’ für einen neuen Nationalismus ein, der alles andere als neu ist. Anlass für dieses Vorhaben eine „neue Identitätsfindung im eigenen Land“ zu konstruieren waren nach Aussage der MIA-Sängerin Mieze die Demos gegen den Irak-Krieg: „...weil 85 % der Deutschen gegen den Krieg waren, war das der erste Schritt. Da haben wir was Gutes gemacht. Da waren alle mal für ne gute Sache. Jetzt kann man sich kollektiv auf die Schulter klopfen und weiter machen“. Abgesehen davon, dass hier unhinterfragt bleibt warum plötzlich so viele auf die Strasse gegangen sind (wo waren alle kurz zuvor beim Krieg gegen Afghanistan oder ein paar Jahre zuvor beim Krieg in Ex-Jugoslawien, den die deutsche Regierung mitangezettelt hat?) und mit welchen z.T. platten Inhalten (wie z.B. Bush=Hitler usw.) demonstriert wurde, bleibt die Frage unbeantwortet warum sich positiv auf eine Nation bezogen werden soll. In diesem Fall auf eine die vor allem in ihrer Vergangenheit, aber auch in ihrer Gegenwart viel Schaden angerichtet hat bzw. anrichtet.
Eine noch deutlichere Sprache als Mieze spricht ein Mitglied des R.O.T. (respect or tolerate)-Künstlerkollektivs: "Was offensichtlich das Schönste an diesem Krieg ist: dass man endlich wieder ungehemmt für Deutschland sein darf". R.O.T. ist wie MIA auch ein Teil des Projekts ANGEFANGEN. Was genau ANGEFANGEN sein soll können die ProjektbetreiberInnen selbst nicht genau sagen, denn ANGEFANGEN soll Fragen stellen und keine Antworten liefern, es soll zur Diskussion anregen. Mit Schlagwörtern wie Respekt, Toleranz, Liebe, Mut u.ä. werden Werte angesprochen die „fester Bestandteil unserer nationalen Identität werden“ sollen, so ein Befürworter der Sache im Forum des Projektes. Werte stehen für sich und existieren ohne Bezug zu irgendeiner Nation. Dass von den BetreiberInnen der Rahmen Nation gewählt wurde, macht deutlich, wie tief nationalistisches Denken in unserer Gesellschaft verankert ist. Wenn man den „ANFÄNGERN“ keine Böswilligkeit in ihren Absichten unterstellen will (was angesichts des positiven Bezugs auf das Konstrukt Nation schwer fällt), so muss man sagen, dass ihre Herangehensweise äußerst ignorant, naiv und gefährlich ist.
Ignoriert wird u. a.:
- Dass Nationen Konstrukte von Gemeinschaften („Wir-Gefühl“) sind in denen Menschen ausgegrenzt werden, die nicht zur Gemeinschaft („Andere“) dazugehören. Auf diese Art werden Feindbilder und ‚Sündenböcke’ konstruiert, welche angeblich die nationale Gemeinschaft (da sie dieser nicht zugerechnet werden) ausnutzen bzw. gefährden würden. So werden Menschen ohne den jeweiligen nationenbezogenen Pass zu Menschen ‚zweiter Klasse’ degradiert.
- Dass Deutschland eine einmalige Geschichte in der Welt hat die nie vergessen werden darf und endlich konstruktiv aufgearbeitet werden sollte („frische Spuren im weißen Sand“ zu machen ist unmöglich, es gibt keinen unbetretenen Strand und es ist mehr als kontraproduktiv und unverantwortlich so zu tun als ob!).
- Wofür deutsche Politik heute steht: Militäreinsätze z.B. in Ex-Jugoslawien, Afghanistan: „Wir müssen deutsche Interessen auch am Hindukusch verteidigen“ (Verteidigunsminister Peter Struck); menschenfeindliche rassistische Abschiebe- und Ausgrenzungspolitik gegenüber MigrantInnen; kontinuierlicher Aufbau eines Überwachungsstaates; Sozialabbau (stärkere Belastung Lohnabhängiger und Bedürftiger und gleichzeitige Entlastung Besserverdienender und Unternehmer) usw.
-Dass der größte Teil der deutschen Bevölkerung deswegen dieser Politik zustimmt, weil über das Konstrukt der nationalen Gemeinschaft vermittelt bzw. angenommen wird, die oben genannten Punkte seien dadurch legitim, da sie dem Wohle des deutschen Volkes (und eben nur des deutschen) dienen würden.
Diese Liste zu vervollständigen würde den Rahmen sprengen.

Die Frage worin der positive Bezug zu Deutschland (und Nationen allgemein) liegen soll und was daran in Zeiten der Globalisierung fortschrittlich sein soll bleibt unbeantwortet. Wieso dieser positive Bezug auf vermeintliche gemeinsame Werte („eine Nation von KriegsgegnerInnen“?) statt einem positiven Bezug auf Werte die überall und von jedem Menschen oder einer sozialen Bewegung vertreten werden können. Der Glaube an ein homogenes Nationalempfinden ist ein Mythos und keineswegs wünschenswert. Dieser Mythos dient dazu die realen Verhältnisse einer Gesellschaft zu verschleiern und individuelle Interessen zugunsten einer konstruierten Scheingemeinschaft zurück zu setzen, deren nationale Grenzen die geographischen Grenzen der Solidarität und des Mitempfindens festlegen.
Wozu der positive Bezug auf Schwarz-Rot-Gold? Sich positiv auf einen Nationalstaat beziehen der im internationalen, kapitalistischen Wettbewerbskampf in den Krieg (Deutschland ist keine Anti-Kriegs-Nation!!) zieht, dessen Firmen (im Rahmen des internationalen Wettbewerbskampfes) mit zur Verarmung in der Welt (zum Wohle Deutschlands) beitragen statt den Hunger zu bekämpfen, dessen verschlossene Grenzen über das Schicksal von Flüchtlingen entscheidet, dessen „nette Jungs von neben an“ zum Wohle des Arbeitsplatzes von Papi Brandsätze auf MigrantInnen wirft? NEIN DANKE!

WIR WOLLEN EINE WELT OHNE NATIONALSTAATEN, KAPITALISMUS UND DISKRIMINIERUNG!
WIR WOLLEN WERTE VERMITTELN DIE SOLIDARITÄT UND GEMEINSCHAFTSGEFÜHLE BEINHALTEN- ALLERDINGS OHNE GRENZEN!
SAGEN WIR NEIN ZU DEUTSCHLAND, SAGEN WIR NEIN ZU ALLEN ANDEREN NATIONALSTAATEN!!

ach je,

mitdenker 11.12.2003 - 11:49
wenn sich jemand daran aufhängt, dass andere leute sich solidarität und gemeinschaftsgefühl ohne nationalstaatsgrenzen wünschen, dann weiß man wenigstens, dass es sich nicht loht den artikel dieser person ganz zu lesen (abgesehen von der stupiden angewohnheit israel aus der verdammung des nationalstaats ausnehmen zu wollen - schon mal darüber nachgedacht, dass die leute die dies formulierten auch von der hoffnung auf eine welt ohne diskriminierung sprachen? da brauchst du dann auch keinen jüdischen nationalstaat mehr als schutz vor antisemitismus. ist zwar ne nur schöne utopie, solls aber auch sein). was in aller welt ist denn an solidarität und gemeinschaftsgefühl schon wieder auszusetzen? das wort gemeinschaft? wenn es wirklich das ist, dann will ich in der welt die sich der autor / die autorin erträumt nicht leben müssen.
wenn man immer weiter um die ecke denkt, dann kommt man irgendwann wieder da an wo man losgedacht hat und hat garnichts erreicht.

Dogmatikeralarm!

schwarzbaer 11.12.2003 - 16:47
Sorry , aber...

Derartige sektiererische zero-tolerance Spinner ,die in wirklich jeder harmlosen Sache noch das "Böse" entdecken ,sind zum K.... .

Wann begreift ihr endlich das es keine "richtige" oder "falsche" Meinung gibt. Sondern immer nur eine Individual-Weltsicht eines Menschen die von anderen Menschen entsprechend ihres eigenen Weltbildes interpretiert und bewertet wird.

Derartige persönliche Bewertungen als gut , richtig und allgemeingültig zu erklären , ist der erste Schritt in Richtung eines autoritären (Staats-?)Gebildes.

Was genau wollt ihr also??
Würde mich einmal interessieren.


individuelle Grüsse
schwarzbaer

Korrektur eines Zitats, Kritik an Eurer Kriti

McS 11.12.2003 - 20:44
„Wir müssen deutsche Interessen auch am Hindukusch verteidigen“

Der genaue Wortlaut war folgender:
"Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt"
(Quelle:  http://www.bmvg.de/archiv/reden/minister/print/030807_struck_rede_mannheim.php)

Natürlich wird Struck deutsche Interessen unter dem Deckmantel der "Sicherheit" durchsetzen wollen, trotzdem solltet ihr bei Zitaten exakt bleiben.

Zudem finde ich auch nicht, dass es angesagt sein sollte, sich auf die Suche nach einer deutschen Identität zu machen - soweit gebe ich Euch recht. Bei der Beschreibung der Symbolik übertreibt ihr aber - ein Peace-Zeichen oder was weiß ich für ein Sonnenrad-Symbol zu halten und dann gar noch die Verbindung zum Hakenkreuz zu ziehen, ist doch etwas gewagt.

So wie ihr hier um Euch schlagt, da kann man sich nur wundern. Der Nationalismus muss natürlich als eine historische und kontingente Ideologie dargestellt werden. Alle anderen, die den Fokus ihrer Kritik aber nicht nur darauf beziehen (und auf Antisemitismus), aber derartig zu diffamieren, lässt Euch wirklich als Dogmatiker dastehen, die die Ränder ihre eigene Existenz wieder einmal durch übertrieben scharfe Abgrenzung zu anderen Linken sichern müssen.

Macht ruhig klare Ansagen, aber ab und zu muss doch auch mal differenziert werden, v.a. wenn man solch starke Worte wie ihr gebraucht.






Ergänzung zum Nationalismus der Band Mia.

Kritischer Ergänzer 12.12.2003 - 15:25
Hier wurde angezweifelt, dass es sich bei Mia um eine nationalistische Band handelt. Deshalb als Ergänzung ein Text, in dem zahlreiche weitere Hintergrundinfos geliefert werden:


Es ist, was es ist: Der Sound zum Schlussstrich

Zum Konzert der Berliner Band Mia am 6.12.03 im Giessener MUK


"Meine Damen und Herren, viele Menschen fordern uns als Deutsche auf, langsam den Mut zu fassen, unseren Freunden zu sagen: Mehr als zwei Generationen nach diesem riesigen Verbrechen fühlen wir uns sozusagen resozialisiert."
MdB Martin Hohmann in seiner Plenarrede vom 25.06.1999

"Es geht uns jetzt darum, die schwere Bedeutung der deutschen Farben neu zu belegen."
Mia-Gitarrist Andi in einem Interview mit der Zeitschrift ‚blond magazine', (Nr. 10/03)

Martin Hohmann und Mia…
Können der durch seine antisemitischen Äußerungen in die Schlagzeilen geratene Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann (CDU) und die Berliner ‚Elektro-Punk'-Band Mia irgendetwas gemein haben? Wohl kaum, denn die Gräben, die die Milieus voneinander trennen, in denen sich beide jeweils bewegen, könnten kaum tiefer sein: Hier die muffige Spießer-Community im erzkatholischen Fulda, einem Flecken in der hinterletzten hessischen Provinz, ein Ort, an dem sich Hohmann samt seiner nationalkonservativen, erzreaktionären, schwulen-, ausländer- und judenfeindlichen Parolen nicht gerade zufällig großer Beliebtheit erfreut. Und dort die weltoffene, urbane, schnelllebige und schrille Underground-Szene Berlins, in der feststehende Identitäten so verpönt sind wie sonst kaum irgendwo; in der mit den unterschiedlichsten Stilrichtungen experimentiert und nichts so sehr verachtet wird wie überkommene Traditionen, eindeutige Festlegungen und Zuschreibungen, wo die Anerkennung des Anderen zu den kulturellen Basics zählt und Heterogenität und Differenz nicht nur akzeptiert sondern vielmehr geschätzt werden. Handelt es sich schließlich nicht bloß um eine äußerliche Gemeinsamkeit, wenn nun scheinbar beide einen Tabubruch begangen haben: Hohmann indem er, wie es meist heißt, die Juden als Tätervolk bezeichnete und Mia indem sie, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, die Chiffre der Nation im Pop neu entdeckten? Und selbst wenn man zugestehen würde, dass es beides Mal - wie vermittelt auch immer - um die nationale Sache in Vergangenheit und Gegenwart geht: Ist es nicht so, dass Hohmanns gesellschaftspolitisches Paradigma das der Ausgrenzung und Verachtung ist, während die Band Mia bei einem Label unter Vertrag ist, das ganz explizit für Werte wie Respekt und Toleranz steht?

Zwei Seiten einer Medaille?
Und doch: Im Hinblick auf die bewusste oder auch unbewusste Motivlage des jeweiligen Umganges mit der NS-Vergangenheit und der daraus gezogenen Konsequenzen stellen beide Phänomene nichts anderes als zwei Seiten ein und derselben Medaille dar. Mehr noch: Beide Phänomene sind nicht nur nicht zu trennen von einer Entwicklung, die sich von der Stunde der Niederlage des Nazifaschismus bis in die allerjüngste Gegenwart erstreckt, sondern sie sind selbst noch in die Voraussetzungen verstrickt, die überhaupt erst das von den Deutschen begangene beispiellose Menschheitsverbrechen der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden haben möglich werden lassen. Denn wer sich in Deutschland wieder für die nationale Sache stark machen will, der hat notwendigerweise ein Problem mit jenen Jahren, in denen die Deutschen sich daran machten, die so genannte Endlösung der Judenfrage in die Tat umzusetzen. Wer wieder stolz sein will, der muss lügen, der muss aufrechnen, was nicht aufzurechnen ist, der muss projizieren, ausblenden und verdrängen. Und der muss vor allem an jene dumpfen Instinkte appellieren, die das psychologische Material erst lieferten, dessen die Entstehung der Volksgemeinschaft bedurfte. Es gibt keinen vernünftigen Grund, darauf stolz zu sein, einer bestimmten Nation anzugehören, also darauf, einen bestimmten Pass zu besitzen - nichts, aber auch gar nichts spricht dafür. Alles Humane aber spricht gegen die "höhere Idee" der Nation - und wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, so haben ihn die Deutschen mit dem jedweden Sinnes entbehrenden millionenfachen Mord erbracht.

Gutes Deutschland - böses Deutschland
Im Nachkriegsdeutschland sah und sieht man das anders. Das NS-Verbrechen und sein Ausmaß wurden jahrzehntelang erfolgreich verdrängt. Auch als sich die Generation der Söhne und Töchter der Täter 1968ff. daran machte, mit dem Muff der tausend Jahre abzurechnen, änderte sich hieran nichts. Stattdessen wurde in diesen Jahren gerade seitens der radikalen Linken allerorten ein "neuer Faschismus" entdeckt, nicht zuletzt in Israel, wo man im Zuge der entstehenden "Palästina-Solidarität" diagnostizieren zu können glaubte, dass die Juden auch nicht besser seien als die eigenen Väter und Mütter. Schon damals spielte der heimliche Wunsch, sich mit der Nation identifizieren zu können, eben sowenig eine unwichtige Rolle wie zu den Hochzeiten der Friedensbewegung, als man sich selbst stets als Opfer von Besatzung und Fremdherrschaft und drohendem "atomarem Holocaust" wahrnahm. Erst in den 80er Jahren wurde Auschwitz zu einem nennenswerten Gegenstand breiterer Debatten. Während aber in der politischen Rechten die Bestrebung zunahm, die Schwere des Verbrechens durch aberwitzige Vergleiche und Argumentationen zu verringern, entstand in sich aufgeklärt und linksliberal dünkenden Kreisen ein Betroffenheitskult, in dessen Mittelpunkt das regelrecht zelebrierte, hochemotionale "Leiden" an der schlimmen Vergangenheit stand, nicht aber die kritische Auseinandersetzung mit dem Vergangenen. Mit der so genannten Wiedervereinigung fiel endlich nicht nur die Mauer sondern auch alles, was der ungehemmten Entfaltung deutschen "Selbstbewusstseins" sonst noch im Wege stand. Seit damals ist es wieder en vogue, auch öffentlich patriotische Gefühle zu zeigen. Weil sich aber die Vergangenheit nicht weg lügen lässt, stört es die neue Stimmung nur, wenn irgendwo auf dieser Welt noch Jüdinnen und Juden leben - ihre bloße Existenz erinnert an die Vergangenheit. Kein Zufall also, dass gerade sie in das Fadenkreuz derer geraten, die wie die Walsers, Mölle- oder Hohmanns ein ganz besonders ausgeprägtes deutsches Selbstbewusstsein an den Tag legen. Es geht aber auch anders herum, die Nationalisierung der Erinnerung macht's möglich: In der neuen Mitte ist man stolz darauf, sich erfolgreich mit der NS-Vergangenheit auseinandergesetzt zu haben, das "Holocaust-Mahnmal" im Zentrum der Hauptstadt soll davon zeugen. Und gegen Jugoslawien sind die erfolgreich durch die Institutionen bis ganz an die Spitze marschierten einstigen Revolutionäre bekanntlich zur Verhinderung eines "zweiten Auschwitz" in den Krieg gezogen - "Vergangenheitsbewältigung" nach rot-grünem Muster. Ihren vorläufigen Höhepunkt fand diese Version des nationalen Hypes mit den Massendemonstrationen gegen den Irakkrieg am 15. Februar 2003. Hunderttausende zogen an diesem Tag gewappnet mit schwarzrotgoldenen Fähnchen und Flaggen und unzähligen Transparenten, auf denen Slogans wie "USA = 3. Reich", "Bush = Hitler" etc. zu lesen waren, durch die Hauptstadt. Jedem aufmerksamen Betrachter musste klar sein, dass es dem Gros der Demonstrierenden nicht um die Verhältnisse im Irak ging, sondern darum, dem Rest der Welt zu beweisen, dass das neue Deutschland friedfertig sei und Verbrechen gegen die "Menschlichkeit" heutzutage von anderen begangen würden.

Mia und das Projekt ‚ANGEFANGEN'
Die Erfahrung, dass Deutschland inzwischen zur "Friedensmacht Nummer Eins" mutiert ist, war es denn auch, die Mia zu ihrem nationalen Engagement inspirierten. Mia-Frontfrau Mieze dazu in einem Interview: "Es kamen 100000e zu den Demos hier in Berlin. Und weil 85 % der Deutschen gegen den Krieg waren, war das der erste Schritt. Da haben wir was Gutes gemacht. Da waren alle mal für ne gute Sache. Jetzt kann man sich kollektiv auf die Schulter klopfen und weiter machen. … Es geht um ´ne neue Identitätsfindung im eigenen Land, auf jeden Fall mit den Fokus darauf, was denn hier wichtig ist." Der Betreiber des R.O.T.-Labels (Respect or Tolerate) wurde noch deutlicher: "Was offensichtlich das Schönste an diesem Krieg ist: dass man endlich wieder ungehemmt für Deutschland sein darf." Und so nahm das Projekt seinen Lauf, das zu Mias bislang größtem Hit werden sollte, Mia wurde die Ehre zu Teil, die diesjährige Loveparade eröffnen zu dürfen: "die band lief mit einer blaskapelle vor der techno-parade und um die siegessäule. zwei szenen, zwei jugendkulturen an einem ort - um nicht in kategorien zu denken, als plädoyer für liebe…", heißt es in einer Selbstdarstellung. Geschmückt waren die Opener von Mia mit schwarz-rot-goldenen Gewändern, 30 Blechbläser in ihrem Tross. Gespielt wurde der Song "Es ist, was es ist", der inzwischen - nach der Veröffentlichung der gleichnamigen Single - in den Charts mühelos im Feld der ersten 10 Titel landen konnte. Und darin geht's richtig zur Sache: "Fragt man mich jetzt, woher ich komme, tu ich mir nicht mehr selber leid", lautet eine Textpassage des nationalistischen Songs. Die angestrebte "Neubelegung" der "schweren" deutschen Farben geht - als Refrain - folgendermaßen: "Ein Schluck vom schwarzen Kaffee macht mich wach / dein roter Mund berührt mich sacht / in diesem Augenblick es klickt / geht die gelbe Sonne auf." Eine schlichte Provokation könnte man meinen. Pustekuchen! Wer's "schön" findet, sich in Kriegszeiten ungehemmt zur Nation bekennen zu dürfen, der meint es todernst, wenn es heißt "Wohin es geht, das woll'n wir wissen und betreten neues deutsches Land", bzw. "Ich freu mich auf mein Leben, mache frische Spuren in den weißen Strand".

Was deutsch ist…
Dr. Motte, der Erfinder der Loveparade, dürfte von diesem Auftakt begeistert gewesen sein, fiel dem Raver der Nation doch schon vor Jahren, als das Sendungsbewusstsein kritisiert wurde, mit dem die friedliebenden Techno-Jünger traditionell vom Boden der deutschen Hauptstadt aus den Rest der Welt beglücken wollen, nichts besseres ein, als "den Juden" zu empfehlen, sie sollten "endlich mal ne neue Platte auflegen". Voll und ganz diesem Geiste verpflichtet fühlt sich auch das Kunst-Projekt ‚ANGEFANGEN', als dessen Teil sich Mia begreifen und das eben zum Behufe der Beglückung der Welt im Namen der deutschen Nation zur selben Zeit angetreten ist. Auf den Webseiten dieses neudeutschen Projektes stellt man ganz offen die Frage: "Was bedeutet es für Dich, deutsch zu sein"? "The Aim Of Design Is To Define Space", eine andere Berliner Band aus dem "Angefangen"-Konsortium, antwortet frank und frei: "Bilden und Erziehen". Auch Mia wollen ihr Engagement ganz selbstlos ausschließlich höheren Idealen widmen. Und ‚ANGEFANGEN' versteht sich "als plädoyer für liebe und nicht für materielle befriedigung", denn "Egoismus", "niedere materielle Interessen" und Eigennutz hatten in Deutschland bis dato so wenig Konjunktur wie die bürgerliche Revolution - die Menschwerdung der Deutschen steht nun einmal immer noch aus. Da wundert es denn auch nicht, dass man bei Mia des vielen Selbstmitleids so sehr überdrüssig ist, denn vor dem Leiden an der Geschichte der Nation steht die Identifikation mit derselben, letztere verstanden als Einfühlung in die "Schicksalsgemeinschaft". Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun, sagte einmal ein älterer Kunstschaffender (nicht aus Berlin sondern aus Bayreuth). Viele seiner Anhänger prägten später den durch und durch poppigen und - wie Mia zeigen - auch heute noch brandaktuellen Slogan "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen."

Kulturnation - Nationalkultur
Dass in Deutschland noch jeder reaktionäre Gedanke seinen künstlerischen Ausdruck fand, ist alles andere als neu, ist man hierzulande doch seit jeher so stolz auf seine bodenständige und ehrliche Kultur wie man über die Zivilisation als "künstliches" und "dekadentes" Konzept immer schon die Nase zu rümpfen weiß. Wenn es um die Verteidigung des nationalen Gedankens geht, machen auch Pop, Rock und Punk keine Ausnahme: "Keine Heimat - wer schützt uns vor Amerika?" intonierte man auf dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle und den Grönemeyer plagt bekanntlich seit Jahren nichts so sehr wie der Verlust der "inneren Heimat". Parallel zum Phänomen der "Neuen Deutschen Härte" und Scheußlichkeiten wie den Böhsen Onkelz und Rammstein existierte immer auch eine Softcore-Variante der Deutschtümelei. Seien es der Lindenberg, der Westernhagen oder auch die Toten Hosen: Alle halten ihre Arschgesichter spätestens dann in eine Kamera, wenn es gilt, im Namen des anderen, besseren oder eigentlichen Deutschlands ‚gegen Rechts' zu rocken, also dann, wenn wieder einmal eine Pogromwelle tobte, Häuser angezündet, oder Leute totgeschlagen worden sind und verbreiten somit die Lüge, es existiere kein notwendiger Zusammenhang zwischen nationaler Identität und Vernichtungswahn. Dass man nicht frei von nationaler Denke ist, gilt selbstredend ebenso für diejenigen, die schon mal voller Hass und mit geballter Faust "Deutschland muss sterben, damit wir leben können!" grölen. Wenn linke Polit-Punkbands - wie früher die legendären Slime - Songs wie "Yankees Raus!" anstimm(t)en, dann offenbart sich der tatsächliche Charakter ihrer Radikalität: Bis in die Wurzel deutschvölkisch war der Wunsch, die einstigen Sieger und "Besatzer" loszuwerden und ihnen die Scheußlichkeiten anzuheften, die doch in Wahrheit die Großelterngeneration der deutschen Bürgerschrecke begangen hat. Ganz zu schweigen von der - nur bei oberflächlicher Betrachtung seltsam und neu anmutenden - Einmütigkeit, die herrscht, wenn die Neonazi-Postille Junge Freiheit, Viva, Dieter-Thomas Heck, Heinz-Rudolf Kunze und diverse Strömungen der Anti-Globalisierungsbewegung zur Verteidigung der autochthonen Kulturen gegen die erdrückende Übermacht der US-amerikanischen MTV-Unkultur aufrufen.

Etwas besseres als die deutsche Nation…
Womit Mia nun "Angefangen" haben, ist also nicht wirklich neu. Neu ist lediglich die Offenheit, mit der dieser Nationalismus daherkommt, die man so nur aus dem traditionellen "Rechtsrock", in dieser Dimension nicht aber aus dem Mainstream oder gar dem "subkulturellen Untergrund" kennt. Deshalb ist auch die überregionale Presse schon aufmerksam geworden. Selbst in den Zeitungen, die ansonsten nicht anstehen, wenn es darum geht, eine neue deutsche Identität zu beschwören, findet das Projekt "Angefangen" aber noch kein großes Gefallen: In der Süddeutschen Zeitung ist man jedenfalls der Meinung, die popkulturelle "schwarzrotgoldene Lawine" gehöre in die "Altkleidersammlung". Die zum halbamtlichen Regierungsorgan aufgestiegene taz hält das Ganze sogar für "saudämlich". Wenn es nur das wäre! Es stellt sich jedoch die Frage, warum das Giessener MUK als Veranstalter des Mia-Konzertes sich überhaupt an der popkulturellen Variante dieses Projektes "deutscher Normalisierung" beteiligt. So was wie eine deutsche Identität braucht nämlich nicht nur überhaupt kein Arsch niemals nicht. Ganz im Gegenteil: Dort, wo man sie fühlt, wird vielmehr der Gang des Verhängnisses befördert, den niemand ernsthaft wollen kann, der wenigstens manchmal noch für einen Augenblick bei klarem Bewusstsein ist.

Der Arbeitskreis Antifa empfiehlt indessen als Gegenmittel zur kollektiven Regression das individuelle Studium der neueren und neuesten deutschen Geschichte. Angefangen bei den Voraussetzungen, die das Unsägliche haben möglich werden lassen, nämlich dem Willen der Mehrzahl der Deutschen, sich auf eine kollektive Identität einzuschwören.

Zum Abschluss erlauben wir uns, frei nach dem - auch international - renommierten Medien-, Kommunikations-, Kunst- und Musikexperten, Professor Theodor W. Adorno, der in diesem Jahr seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte, zu formulieren: Das Subjekt braucht die am samstäglichen TV-Abend unausweichliche Frage nach dem ‚besten Deutschen' nur zu stellen und ist schon verloren.

Denn: Die reine Identität, das ist der Tod.

weitere Infos/ Pressespiegel

r. gänzer 12.12.2003 - 15:29
Unter folgendem link sind 5 Artikel zu Mia aus unterschiedlichen Tageszeitung-, Wochenzeitungen und Magazinen gespiegelt.

 http://www.links-net.de/antibla/pressemia.htm

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Auweia! — Dr. Strange

@Klara — Till_Dawn

schön — andy deutsch

Antinationaler POP — Babuschka

Meine Fresse... — Nobody Left

gegen jede nation! — anarcho

@anarcho — hugo

ein bisschen totalitär ... — Projektwerkstätti

persönliche Meinung — CornedBeef