Neue Protestwelle im Iran - Tote und Massenverhaftungen

... 12.07.2003 04:07 Themen: Bildung Repression Soziale Kämpfe
9.7.1999: Nach dem Polizei-Überfall auf ein Studentenwohnheim in Teheran mit kam es erstmals seit 1979 zu Protesten gegen das Regime. 6 Tage braucht es, um die Bewegung blutig niederzuschlagen. 1979 gelangten Islamisten an die Macht und liquidierten die gesamten sozialen und politischen Bewegungen im Iran. Zehntausende wurden umgebracht und noch mehr verließen das Land.
9.7.2003: Die neue Protestbewegung begann im Juni als Reaktion auf ein neues Gesetz, welches Teilprivatisierung der Unis und Sudiengebühren bedeutet. Seitdem kommt es fast täglich zu neuen Demonstrationen. Gerade der Aspekt der Privatisierung stellt auch eine Brücke zur "Globalisierungskritischen" Bewegung her, welche im Iran noch sehr wenig bekannt ist. Inzwischen war zu erfahren, daß im Teheraner Evin Gefängnis bis zu 5000 Jugendliche aufgrund der Proteste inhaftiert sind.(Bericht)
Am 9.Juli waren zum 4.Jahrestag der Revolte Massenproteste im ganzen Land geplant. Im Vorfeld kam es zu massiven Einschüchterungsversuchen seitens der Regierung, alle Veranstaltungen wurden verboten. Viele Städte glichen Heerlagern. Polizei, Militär und fanatische Regimeanhänger trieben Menschengruppen auseinander, blockierten Straßen, schlossen die Universität, es gab Massenverhaftungen.
Am Abend des 9.Juli sagte eine Studentenorganisation ihre Demo kurzfristig ab. Trotzdem gingen Zehntausende im Iran auf die Strassen und riskierten dabei ihr Leben. Bei den folgenden Auseinandersetzungen wurden mindestens 5 Menschen getötet und viele verletzt. (Berichte: 1 | 2 | 3 | 4, Demo in Berlin)
In der ganzen Welt demonstrierten Menschen in Solidarität mit den Regimegegnern vor islamischen Botschaften. Allein in Rom demonstrierten mehr als 10.000. Allerdings ist auch die rechte monarchistische und nationalistische Opposition stark an den Aktionen beteiligt.
Unterdessen setzten sich am Donnerstag, den 10.7. und der darauffolgenden Nacht die Proteste und Zusammenstöße fort... Bericht

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Ergänzungen

berliner und andere asten, was ist los?

bernd 12.07.2003 - 04:57
sind hier irgendwelche studivertreter am lesen? wann gibt es mal wenigstens eine fünfzeilige solierklaerung fuer die kommilitonInnen im iran? wann meldet ausser der attac hochschulinitiative mal eine nicht-iranische gruppe eine solikundgebung an?

Medien verzerren

Mr.X 12.07.2003 - 05:05
Die deutschen Mainstreammedien haben nur knapp und meist verzerrt berichtet. Die Toten, die Massenverhaftungen wurden genausowenig erwähnt, wie die Fortsetzung der Proteste am Donnerstag/Freitag.
Das mag zumeist Desinteresse und schlechte Recherchen als Grund haben. Aber wohl auch mehr: Iran ist wichtiger Handelspartner für Deutschland und so wird versucht in der Öffentlichkeit versucht, Chatami als "Reformer" hinzustellen und die Brutalität des Regimes herunterzuspielen.

Zur Frage des Vorgängers: Vom FU-AStA gabs eine Erklärung, war auch nicht die einzige. Ich halte das Schielen auf Institutionen wie ASten auch nicht für richtig. Die Solidarität sollte direkt von Aktionsgruppen und besonders von den einzelnen Menschen kommen, nicht von irgendwelchen festen Strukturen oder Führungsgremien.

Infos zur Opposition

... 12.07.2003 - 06:05
Es gibt aus den verschiedensten Ecken Opposition gegen das Regime. Nicht die gesamte Opposition ist progressiv. Es gibt Schah-Anhänger, es gibt Saddam-Anhänger usw.
Bei Indy-Österreich hab ich diesen Text gefunden:

"...einiges über rechte und linke Gruppen, die in Opposition zum Khatami-Khamenei-Regime stehen..."
 http://austria.indymedia.org/front.php3?article_id=27093&group=webcast

bitte

danke 12.07.2003 - 14:15
X-Berg-Artikel bitte auch noch verlinken:  http://x-berg.de/article.pl?sid=03/06/20/1613227&mode=thread

islamische Botschaften

ana 12.07.2003 - 15:07
"islamische Botschaften"
muß es nicht vielmehr "iranische Botschaften" heißen?

oder was sind islamische Botschaften?

"islamische Botschaften"

meint 12.07.2003 - 15:17
wohl Botschaften islamistischer Staaten. Iranische Botschaften ist sicher das Hauptziel dieser Proteste, aber Iran ist nicht die einzige islamistische Diktatur, die kritisiert wird.
In Berlin wurde einmal vor dem Bundestag und einmal vor der iranischen Botschaft demonstriert.

aktionsmöglichkeiten hierzulande

bernd 12.07.2003 - 16:32
Mr X hat natürlich recht, dass einzelne erklaerungen von fuehrungsgremien nicht alles sein koennen. Und doch denke ich, dass eine gemeinsame erklaerung moeglichst vieler stupas, asten und studiorganisationen, wenn sie gut oeffentlich gemacht wird (und da scheint bei der erklaerung des asta fu wohl was schief gelaufen zu sein), erstens den studis im iran und exiliranern weltweit einigen mut machen wuerde. Ausserdem koennte man dabei sehr schoen den hiesigen kritischen dialog dissen.

Beim naechsten anlass im iran, oder bei anstehenden iranischen staatsbesuchen hier waere vielleicht mal ein rechtzeitiges buendnis vieler linker gruppen mit exiliranern anzustreben.
An weiteren aktionsmoeglichkeiten hierzulande bieten sich die deutschen wirtschaftsinteressen aber auch staatlich iranische institutionen z.b. fuer kundgebungen an. Hier ein paar background-infos:


Über den Stand der deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen gibt es einen aktuellen Bericht von einer high level Tagung des „Nah- und Mittelost-Verein e.V.“ (der zentrale deutsche Wirtschaftslobbyverein für die Region, der außerdem stolz ist auf seine Kontinuität seit der Gründung 1934! www.numov.de) in der Europäisch-Iranischen Handelsbank (Depenau 2, Hamburg)
“Recent developments in the business environment in Iran and its impact on bilateral economic relations with Germany”
 http://www.nah-undmittelost.de/wf42003.pdf


Zu staatlich-iranischen Aktivitäten in der BRD schreibt der VS Hamburg 2001:

>Für die Propagierung eines islamischen Gottesstaates nach iranischem Vorbild spielt in der Bundesrepublik das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH Foto) - Träger der "Imam-Ali-Moschee" - eine wichtige Rolle: Beispielsweise als Einrichtung zur Verbreitung von islamistischem Gedankengut und als europaweit hochrangige Verbindungsstelle der Islamischen Republik Iran. Die jeweiligen Leiter der Moschee bzw. des IZH werden im Iran bestimmt. Zum Umfeld gehören verschiedene Vereinigungen, die die Ziele des IZH fördern und von IZH-Funktionären dominiert werden. Es gibt darüber hinaus Anhaltspunkte für Versuche des Iran, auch andere Moscheen in Deutschland durch finanzielle oder organisatorische Unterstützung zu beeinflussen.

Regierungstreue Iraner und Muslime anderer Nationalitäten (wie Anhänger der libanesischen Hizballah) besuchen das IZH zu Versammlungen, Gebeten, Vorträgen, Seminaren, Lesungen, islamischen Festen und Trauerfeiern. Obwohl offiziell Toleranz und Offenheit bekräftigt wird, ist eine anti-westliche Agitation unverkennbar.

Das IZH ist Mitorganisator der jährlich im Bundesgebiet stattfindenden Großdemonstration zum "Jerusalem-Tag" oder "Quds-Tag". An diesem von KHOMEINI ins Leben gerufenen Aktionstag nahmen am 08.12.01 in Berlin etwa 1.000 Personen teil, darunter 100 bis 150 aus Hamburg. Der Tag soll allen Muslimen die Wiedereroberung Jerusalems und seine Befreiung vom Zionismus als Ziel ins Bewusstsein bringen.<

 http://www.hamburg.de/Behoerden/LfV/publika/bericht-01/ausland/6_2.htm
Islamisches Zentrum Hamburg:  http://www.islamic-centre-hamburg.de/

Rechte Opposition

Hassan 13.07.2003 - 13:49
Die rechte Opposition gegen die Islamische Republik Iran besteht aus Nationalisten und Monarchisten. Sie ist v.a. in den USA tätig, weil sie dort staatliche Gelder bekommt, um ihre Radio- und TV-Sendungen über Satellit gen Iran zu senden. Außerdem wird sie von früheren Machthabern des Schah-Regimes, die ihr Vermögen nach der Revolution aus dem Land schaffen konnten, mit großen Summen unterstützt.

Damit haben die Sender auch ganze Arbeit geleistet. Sie haben starken Einfluss unter Jugendlichen, Intellektuellen und den Neureichen im Iran.

Der Inhalt der Sendungen ist aber eintönig. Mit einer Mischung aus Shows, alten Filmen und nationalistischen Gefühlsdusseleien versuchen sie die Bevölkerung gegen das islamische Regime zu mobilisieren. Zuweilen nehmen die "Informationssendungen" komische Züge an: Aus 10.000 Demonstranten werden leicht 3 Millionen. Aus den Basij-Schlägern und Pasdaran werden "Araber", die "unsere iranischen Landleute" schlagen und foltern. Der Rassismus ist für sie ein Instrument, zumal sie alle Mullahs als "geistige Araber" bezeichnen. (Denn ein arischer Iraner würde ja niemals seine Landleute unterdrücken...)

Sie stellen Reza Pahlavi, den Sohn des gestürzten Schahs, als einzige Alternative dar. Der wiederum mimt gerne den (bürgerlichen) "Demokraten", obwohl er sich niemals von den Verbrechen des alten Regimes distanziert hat und sich mit Schergen der Schah-Diktatur umgibt.

Ihr Hauptslogan ist "Referendum". Ein beliebtes Instrument auch der Mullahs, die sich 1979 damit die Machtlegitimität gaben. Damit soll die Masse der Bevölkerung und Werktätigen von den Strassen ferngehalten werden. Denn wenn ein "nationales Referendum" abgehalten wird, um das Regime zu wechseln, gibt es danach keine Notwendigkeit mehr für die Bevölkerung auf die Strasse zu kommen, und für die Arbeiterklasse zu streiken und ihre Rechte einzufordern.

Wie gesagt, haben die Nationalisten und Monarchisten ihre Anhänger v.a. unter der Mittelschicht und den Neureichen, die durch die Mullah-Diktatur ihrer politischen Macht beraubt sind. Die Arbeiterklasse ist gegen ihre nationalistisch-rassistischen Slogans weitgehend immun. Die Arbeiterklasse erkennt ganz richtig, dass hier nur ein Austausch der Machthaber und herrschenden Klasse bezweckt ist.

In Deutschland schießt die "Jungle World" immer wieder den Vogel ab, indem sie unkritisch den Standpunkt der Nationalisten wiedergibt. Zuletzt wieder durch ein Interview mit dem SMCCDI ( http://www.jungle-world.com/seiten/2003/26/1153.php). Der SMCCDI stellt sich als "die Studentenbewegung" dar, hat aber keinerlei Einfluss auf die Studentenproteste im Iran. Außerdem ist es für eine linke Zeitung unwürdig die Lügen und Übertreibungen der rechten iranischen Opposition wiederzugeben. Von den rassistischen (sprich: anti-arabischen) Kommentaren ganz abgesehen, die man auf der SMCCDI Homepage findet.


PS. Übrigens ist einer der Parolen der rechten Opposition "Iran den Iranern!" - man beachte die Analogie zu den deutschen Faschos...

solikundgebung in Göttingen

Rosa 16.07.2003 - 14:32
Iran-Kundgebung zum 9. Juli


Bei der Kundgebung Samstag 12.7.03, 12 Uhr am Gänseliesel waren ca 50-60 anwesend. Die meisten aus der linken Szene und IranerInnen. Es wurde 5 Redebeiträge gehalten.
1. Iranisch-afghanische Frauen vom 8. märz
2. Einige iranische Linke und "Karawane"
3. Aktion "Kein Mensch ist illegal"
4. Iran Solidaritätsverein
5. Grußadresse von "Einigen göttinger Linken"


Die Frauen von der Bewegung zum 8. März mit T-SHirts "Our Demands Dissolution of Sexual Apartheid..." und mit Kinderwagen und Baby-Füttern
Grußadresse von Göttinger Linken an die Kundgebung
"Wir, einige Linke aus Göttingen, schicken Euch solidarische Grüße und wünschen Eurer Kundgebung viel Erfolg.
(...) Wie wir es wahrnehmen, ist eine soziale Bewegung entstanden, die eine immer größere Breite bekommt und sich immer weiter radikalisiert. Die Menschen dort kämpfen für ihre Befreiung. Dieser Kampf um Befreiung muß unterstützt werden und zwar auch hier in den Metropolen. Eine radikale Linke, die ihren internationalistischen Anspruch noch ernst nimmt, muß diese Proteste wahrnehmen und diese hier z.B. in der Bundesrepublik durch Aktionen unterstützen. Einmal, um den Protestierenden zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Um linke Positionen in dem Protest zu unterstützen, da es immer wieder zu Unterwanderungsversuchen der Bewegung durch Monarchisten kommt. Und um Druck auf die Regierung der Bundesrepublik auszuüben, ihre Unterstützung des Regimes Chatami endlich aufzugeben. Ein Abbruch der Beziehungen hätte wahrscheinlich weitgehende Konsequenzen, da die Bundesrepublik der Hauptwirtschaftspartner des Iran ist. Und wir müssen diese Proteste wahrnehmen, um auch von ihnen zu lernen und zu sehen, dass die Menschen im Iran uns gerade zeigen, dass Widerstand möglich ist. Daher rufen wir alle, aber gerade die radikale Linke auf, die Proteste im Iran zu unterstützen."

Im Folgenden Auszüge aus dem Text des Aufrufes, der der Redaktion zugesandt wurde (siehe auch die frühere Aktion am Tag des Flüchtlings):
Aufruf zur Solidaritätskundgebung
Am 9. Juli 2003 wollen StudentInnen im Iran an den vierten Jahrestag der blutigen Niederschlagung ihres Protestes gegen eine weitere Verschärfung der Pressegesetze erinnern. Am 9. Juli 1999 kam es mit dieser neuen Bewegung der StudentInnen zu ersten größeren Protest seit der Etablierung der islamischen Herrschaft. Damals wurden die Protestierenden brutal angegriffen und ermordet bzw. verhaftet und zum Tode verurteilt.
Seit 3 Wochen kommt es jeden Abend zu größeren Demonstrationen gegen das islamische Regime. Nach aktuellen Meldungen sind dabei über 5-6 Tausend DemonstrantInnen verhaftet und zahlreiche verletzt worden. Die Demonstrationen hatten sich ursprünglich gegen eine Privatisierung von Universitäten und die Einführung von Studiengebühren gerichtet, sich dann aber rasch ausgeweitet.
Viele EinwohnerInnen schlossen sich an. Sie verursachen absichtlich Verkehrsblockaden um die StudentInnen zu unterstützen. AnwohnerInnen öffnen ihre Haustüren, um DemonstrantInnen vor offiziellen Schlägerbanden und Militär in Sicherheit zu bringen.
Im Unterschied zu 1999 ist die neue Protestbewegung der iranische Menschen politisch deutlich weiter gegangen. Sie stellt nun die gesamte islamische Herrschaft in Frage. Es ist für die iranische Bevölkerung offensichtlich geworden, dass sich die "liberalen Reformer" um Staatspräsident Khatami vollkommen diskreditiert haben.
Die islamische Regierung hat alle Demonstrationen anlässlich des Jahrestages der Studentenaufstand am 9. Juli 1999 außerhalb der Universitäten verboten. Die religiösen Führer plädieren für die Hinrichtung inhaftierter StudentInnen um vor weiteren Protesten abzuschrecken.
Tausende Menschen protestieren in den Strassen, um endlich dem islamischen Terror und dessen Brutalität ein Ende zu setzen. Sie tun das nicht, weil die US-Regierung das will, wie das teilweise in den Medien präsentiert wird.
Die deutsche bzw. EU-Politik unterstützt im Rahmen des sogenannten "kritischen Dialogs" das iranische Regime. Dabei beachten und respektieren sie die staatlichen Normen und Prinzipien, damit ihre wirtschaftlichen Interessen ungestört funktionieren können. Gleichzeitig tolerieren sie die Verletzung der Menschenrechte. Im Rahmen des verlogenen "kritischen Dialog" wurden und werden diktatorischen Staaten wie Iran, Irak, Türkei, usw. in ihrer Machterhaltung unterstützt.
Wir solidarisieren uns mit dem Massenprotesten im Iran und unterstützen energisch ihre Forderungen:
• Freilassung aller politischer Gefangenen
• Trennung von Staat und Religion
• Gleichberechtigung der Frauen, Abschaffung der Zwangverschleierung
• Presse-, Meinungs-, Versammlungs- und Organisationsfreiheit
Samstag, 12. Juli 2003 – 12.00 Uhr vor dem Gänseliesel
Einige Göttingener linke IranerInnen
Kontaktadresse:  amo@unicum.de


Im Unterschied zu einigen iranischen Oppositionellen, die wieder einen Schah eingesetzt haben möchten, sprechen sich die Aufrufenden strikt gegen die Wiedereinführung der Monarchie aus und lehnen sie genauso vehement ab wie die islamische Herrschaft Für den, der sich an die Herrschaft des Schah Reza Pahlewi und dessen Geheimdienst SAVAK erinnert ist das auch selbstverständlich. Die Aufrufenden propagieren eine grundlegende Umwälzung der sozialen Strukturen im Iran.
Text von einem Mitgied des AK Asyl:
Soziale Proteste im Iran
Vor dem 9. Juli: Das islamische Regime war spätestens seit den massiven und sich immer weiter radikalisierenden Protesten Ende Juni in höchster Alarmbereitschaft. In den Tagen vor dem Jahrestag der Studentenunruhen in Iran kam es zu massiven Einschüchterungsversuchen durch das islamische Regime. 4-5000 StudentInnen wurden allein in Teheran im Vorfeld verhaftet. Die Demonstrationen und Veranstaltungen waren verboten worden. Einige Universitäten wurden geschlossen. Auch StudentInnenwohnheime wurden dicht gemacht. Am 9. Juni selbst, wurde das zentrale Uni-Gelände von militärischen Verbänden besetzt. Trotzdem gingen am Mittwoch den 9. Juli 2003 Zehntausende von Menschen überall im Iran auf die Strasse, riskierten dabei ihr Leben, um an die brutale Niederschlagung der Studentenproteste 1999 zu erinnern und ihre Forderungen auf die Strasse zu bringen: Pressefreiheit, Freilassung der politischen Gefangenen, Trennung von Staat und Religion, das Regime Chatami muss weg. Schon am morgen des 9. Juli hielten sich in der Gegend um die Universität von Teheran nach Augenzeugenberichten mehr Menschen auf als sonst. An allen Ecken bildeten sich spontan kleine Gruppen, die Parolen gegen das islamische Regime skandierten; nur um dann wieder von Sicherheitsagenten des Systems mit Gewalt auseinander getrieben zu werden. Überall kam es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitsagenten und Leuten. Viele der Protestierenden waren von weit her gekommen, um an der Demonstration teilzunehmen. Nach einer Pressekonferenz an diesem Mittwochmorgen, wurden 3 Studentenführer von "Office of Consolidating Unity" verhaftet. Auf der Pressekonferenz hatten die 3 die Demonstrationsverbote kritisiert und Chatamis angeblichen Reformkurs für gescheitert erklärt. Am Nachmittag sah es so aus, als ob das Regime den Widerstand unter Kontrolle bekommen hätte. Teheran war in einer Art Ausnahmezustand. In dem Gebiet um die Universität stand praktisch alle paar Schritte ein Agent des Systems. Für Autos wurde ein großes Gebiet generell gesperrt. Überall Polizei auf Motorrädern. Gegen sich doch formierende Kundgebungen wurde sofort vorgegangen. Trotzdem hatten sich abends ca. 20.000 Menschen um die Universität und den Revolutionsplatz in der Nähe versammelt. Ganz viele fuhren hupend mit Autos durch die Gegend, um ihren Protest auszudrücken. Zivil-Agenten reagierten auf diesen Protest, indem sie die Scheiben von hupenden Autos zerschlugen. . Überall wurden Menschen von Sicherheitsagenten angegriffen. Ein Augenzeuge: " Sie schlugen die Leute einfach mit allem, was ihnen in die Hände kam, Knüppel, Ketten, Peitschen und Eisenstangen." Wasserwerfer und Tränengas wurden eingesetzt. Trotzdem formierten sich Demonstrationszüge. Nach Augenzeugen sollen sich allein auf dem Platz der Revolution 20-30.000 Menschen versammelt haben. Auch in anderen Städten im Iran kam es zu Demonstrationen. In Maschhad, an der Grenze zu., bildete sich ein Demonstrationszug mit Tausenden vorwiegend sehr jungen TeilnehmerInnen. Dieser Demonstrationszug wurde von Sicherheitsagenten, der Polizei mit Handgranaten attackiert. Das Regime reagierte auf diese sozialen Proteste, den Kampf um Befreiung wie schon beschrieben, mit aller Härte. Mindestens 5 DemonstrantInnen wurden ermordet, Dutzende verwundet, bei einigen der Verletzten ist der Zustand kritisch. Hunderte wurden Verhaftet. Das Regime versucht mit diesem brutalen Vorgehen, weitere Proteste zu verhindern. Doch aus Berichten lässt sich entnehmen, das sich der Protest, getragen von breiten Teilen der Bevölkerung, gerade von der Jugend, eher weiter radikalisiert. Das Ziel: Der Fall des islamischen Regimes.

Ein kurzer Überblick: Proteste überall auf der Welt: Hunderte Protestierten vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in New York, Tausende IranerInnen blockierten den abendlichen Berufsverkehr in Los Angeles durch eine Demonstration., In Toronto demonstrierten 600 Menschen, In London liefen 2 Demonstrationszüge durch die Stadt, Weitere Demonstrationen in Berlin, Stockholm, Sydney, Rom.

Klassenkämpfe im Iran

... 28.07.2003 - 01:19
Der Diskussion täte es sicher gut, wenn sie auch auf die Klassenkämpfe im Iran bezugnehmen würde. Darin sind nicht nur weit mehr Menschen verwickelt als in die Studentenunruhen, in ihnen liegt wohl auch etwas mehr an Perspektive als die Fortsetzung der aktuellen iranischen Politik ohne Islamisten (Massenentlassungen, Privatisierungen der Staatsbetriebe usw.)
Ausserdem sollte vielleicht bei aller Freude über die "fortschrittlichen Kräfte" in der aktuellen Bewegung, der Umstand nicht vernachlässigt werden, dass die Unterschiede zwischen Monarchisten und selbst der Arbeiterkommunistischen Partei Irans im konkreten so groß nicht sind. Gemeinsame Demonstrationen und die Einladung des Schahsohnes (als Gast) zu einem Parteitag sprechen zumindest nicht dafür.
In der aktuellen Wildcat (vergleiche  http://www.wildcat-www.de) ist übrigens ein interessanter Artikel dazu...

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