Bye bye Arbeitsamt. Willkommen im Job Center

Svennie der Reifenwechsler 11.07.2003 16:15 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
Willkommen bei der Bundesagentur für Arbeit

Eine neue Etappe auf dem Weg zum gänzlichen Abbau aller in den letzten einhundert Jahren erkämpften sozialen Rechte und Absicherungen ist erreicht. Bis zum Jahr 2005 soll die Bundesanstalt für Arbeit in eine den Marktstrukturen angepasste Agentur umgewandelt werden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden zu Kunden - und für Vermittlungsleistungen der zukünftigen Bundesagentur für Arbeit zur Kasse gebeten. Hauptkunde ist der Arbeitgeber. Noch in diesem Sommer werden in Deutschland flächendeckend sogenannte Job Center und KompetenzCenter eingerichtet. Ein arbeitsloser oder versicherter Mensch hat nun einen Anlaufpunkt, einen Agenten und Anspruch auf eine Leistung. Arbeitgeber zahlen ein bis drei Monatsgehälter für die Vermittlung einer Arbeitskraft durch die Bundesagentur.
DIE WIRTSCHAFT IST KÖNIG

Nach den Vorstellungen des Chefs der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, soll die Umstrukturierung zur Agentur bis Ende 2005 ohne zusätzliche Gelder vom Bund vollzogen sein. Im Gegensatz zu früheren Statements, die beinhalteten, dass die Hälfte der Belegschaft der Bundesanstalt abgebaut werden soll, heisst es in seiner jüngsten Presseerklärung vom 10. Juli 2003, dass ein interner Personalabbau erst mit sinkender Arbeitslosigkeit vorgenommen werden solle.
93.300 Menschen sind für die Bundesanstalt für Arbeit tätig. 23.000 von ihnen haben den Status eines Beamten. Ein Vermittler ist im Schnitt für 600 Arbeitslose zuständig. Ebenfalls dementiert wurde die Behauptung der BILD Zeitung, die Umbenennung und Umstrukturierung würde 7,5 Millionen Euro beanspruchen. Stattdessen würden nur ein Drittel der Kosten anfallen.

ERWERBSLOSE SIND NEBENKUNDEN

Riesters Pläne, die staatlichen Zuschüsse für die Bundesanstalt für Arbeit von 9,5 Milliarden Euro auf Null herunterzufahren, werden nun in die Wirklichkeit umgesetzt. Die neuen Agenturen sollen künftig auf wirtschaftlich eigenen Füssen stehen und konkurrenzfähig werden. Schon jetzt ist die Arbeitsverwaltung keine rein öffentliche Aufgabe mehr. Erwerbslose haben nun keinerlei Ansprüche auf die zu verrichtende Arbeit mehr. Bereits heute arbeiten 55 Prozent aller Facharbeiter nicht mehr in ihren erlernten Berufen. Beim Besuch des neuen Job Centers werden "Qualifizierung", "Mobilisierung" und "Überbrückung" zu neuen Zauberwörtern stilisiert. Der Arbeitsbeamte wird nun zum Makler von Arbeitsdienstleitungen.

SPIESSRUTENLAUF: JETZT NEU

Das Berliner und Duisburger Pilotprojekt wird in diesen Wochen zur bundesweiten Realität. Wer Anspruch auf eine Leistung, also das neue Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld erhebt, wendet sich an das Job Center. Von dort kann man entweder zum KompetenzCenter oder zur Clearingstelle weitervermitelt werden. Das KompetenzCenter ist für die Deckung des Arbeitskräftebedarfs zuständig und soll die potentielle Arbeitskraft beraten und an Leiharbeitsfirmen, Trainingsprogramme, Jobvermittlungen oder sogar an Unternehmen weitervermitteln.

Der Gang zur Clearingstelle und dem integrierten ärztlichen Dienst soll über die Arbeitsfähigkeit einer Person entscheiden. Wer arbeitsunfähig ist, wird zum Sozialamt geschickt und bekommt u. U. Sozialgeld. Unbezahlte Vollzeit-Praktika sind schon heute für Sozialhilfeempfänger an der Tagesordnung. Soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und Pflegeheime greifen gern auf diesen kostenlosen staatlichen Service zurück, um feste Stellen einsparen zu können.

Arbeitsfähige Menschen schickt die Clearingstelle zur Fallmanagerin. Diese erstellt ein detailliertes Persönlichkeitsprofil der Arbeitskraft. Hierbei geht es sog. "hard skills, "soft skills" und psychische Stärken und Schwächen der Arbeitskraft. Sie entscheidet, ob es sich um einen Beratungskunden oder einen Informationskunden handelt, der zum Beispiel eine "Ich-AG" aufbauen könnte. Der Beratungskunde wird zur Vermittlerin weitergeleitet. Sein Profil landet in der zentralen Berwerberdatenbank. Auf diese haben Personal Service Agenturen (Leiharbeitsfirmen), Coachingprogramme, Jobbörsen und Unternehmen Zugriff. Zwischen diesen Agenturen und der Bundesagentur bestehen Kooperationsverträge. Die Fallmanagerin ist dafür verantwortlich, die Arbeitskraft unter Druck zu stellen und somit zu formen. Sie erläutert, was materiell, geografisch und gesellschaftlich zumutbar zu sein hat und informiert über deren Mitwirkungspflicht. Im Klartext heisst das:
Annahmebereitschaft von unattraktiven Niedriglohnjobs in allen Teilen des Landes bzw. der EU ohne Rücksicht auf soziale Einbindung im Heimatort. Freunde, Familie, Hobby, gesellschaftliches Engagement zu Hause haben in den Hintergrund zu treten. Wer nicht nachweisen kann, sich selbst in höchstem Masse um Arbeit zu bemühen, darf keinen Anspruch auf Vermittlung erheben. Erwerbslose haben nur noch Anspruch auf eine Leistung, die unter Umständen sogar gestrichen werden kann. Das Arbeitslosengeld wird unterteilt in Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II.
"ALGI" wird 6 Monate pauschal ausgezahlt und 6 Monate aus den gezahlten Beiträgen.
"ALGII" kann in verschiedenen Abstufungen ausgezahlt aber auch eingestellt werden. Dann bekommt man gar nichts mehr.

KAMPF DEN ARMEN, NICHT DER ARMUT

Florian Gerster, der ehemalige Sozialminister von Rheinlandpfalz, der nach der Vermittlungsstatistik-Affäre als neuer Kopf der Bundesanstalt für Arbeit eingesetzt wurde, ist sich dessen bewusst, dass er mit der Umsetzung der Hartz-Vorschläge und der Umstrukturierung des Arbeitsamtes weder an der Arbeitslosigkeit noch an der am Boden liegenden Wirtschaft etwas ändern kann. Damit mutiert das neue Agenturmodell zur Augenwischerei auf Kosten von Millionen von Menschen. Ein Ansatz zur Schaffung neuer Arbeitsplätze geht aus den 13 Hartz-Modulen nicht hervor.



Anhang:
Übersicht über Rechts- und Strukturabbau und dessen Folgen

Rechtsabbau:
- Abbau des Tarifrechts
- Abbau des Kündigungsschutzes
- Abbau des Mitbestimmungsrechts
- Abbau der freien Berufswahl
- Verschlechterung der sozialen und rechtlichen Situation von Erwerbslosen

Strukturumbau:

- Förderung einer Krisen- und Kriegs-tauglichen Struktur des Arbeitsmarktes
- Wirtschaftsförderung geht über Arbeitsförderung
- Anpassung der Menschen an den Arbeitsmarkt statt Anpassung des Arbetsmarktes an die Menschen
- Staat nur noch zuständig für Kontrolle, Bestrafung
- Lohnersatzleistungen sinken
- Arbeit wird billiger angeboten/ schlechter bezahlt
- höhere Zumutbarkeitsgrenze für schlechte Jobs
- mehr Dienstboten- und Niedriglohnjobs
- mehr Sanktionen gegen Erwerbslose
- Leiharbeit billiger als Festanstellung
- Aufhebung der 325-Euro-Grenze für Mini-Jobs in Privathaushalten auf 500 Euro
- private Ausbildungsförderung durch Mami, Papi, Omi und Opi
- Bewerbungszwang
- Mobilitätszwang
- unbezahlte Leiharbeit zur Sicherung des ALGII-Bezugs

Folgen des Strukturumbaus:
- weniger Lohn
- weniger Kaufkraft
- Konjunkturrückgang
- Verarmung
- Verschuldung
- soziale Isolation


Pressemitteilung der Bundesanstalt für Arbeit vom 10.Juli 2003

Tatort Arbeitsmarkt
 http://de.indymedia.org//2002/10/31523.shtml

 http://www.gegeninformationsbuero.de/hartz/tatort_arbeitsmarkt.pdf
Broschüren-Bestellungen über:  mail@gegeninformationsbuero.de

Schöne grüsse aus dem Hartz
 http://de.indymedia.org//2002/08/27264.shtml

Den Armen nehmen, den Reichen geben
 http://de.indymedia.org//2002/11/33421.shtml

Das Berliner Anti-Hatz Bündnis ruft auf
 http://de.indymedia.org//2003/01/39990.shtml

Goedart Palm: Konsumisten aller Klassen bewegt Euch. 04. Juli auf telepolis.de
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/15131/1.html

Goedar Palm: Der milde Mut zur Besserung. Telepolis.de 14.03.2003
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/14381/1.html

Goerdart Palm: Vom Menschenrecht auf Faulheit. 09.04.2001 auf Telepolis.de
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/7336/1.html

Helge Meves: Die politische Antipolitik des Neoliberalismus. auf Telepolis.de 01.05.2003
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/14697/1.html

Stefan Krempl: Bis es Klick macht im Kopf des Gegenüber. auf Telepolis.de 28.01.03
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/14697/1.html

Deutschland bewegt sich
 http://www.bundesregierung.de/-,413.498133/artikel/Deutschland-bewegt-sich.htm

Informationen der Bundesregierung zur Agenda 2010
 http://www.bundesregierung.de/Themen-A-Z/-,9757/Agenda-2010.htm

Spezial zum Konzept von Peter-Hartz von der Volkswagen AG auf labounet.de
 http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/modelle/hartz/quer.html

Kurzusammenfassung und Stellungnahme des Verbandes der deutschen Arbeitgeberverbände zu den Hartz-Papieren als pdf
 http://www.bda-online.de/www/bdaonline.nsf/MainFrameSet

Portal der Bundesanstalt für Arbeit
 http://www.machs-richtig.de
 http://www.arbeitsamt.de

Wer ist Dr. rer. pol. h. c. Peter Hartz:
Vorstandsmitglied der Volkswagen AG seit 1. Oktober 1993, Labour Director, zuständig für Human Resources, Government Relations und für Südamerika und Afrika.
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Ergänzungen

Gewerkschaften unterstützen den Sozial-Abbau

XXX 11.07.2003 - 18:18
Nicht vergessen werden sollte, daß Gewerkschaften diesen Sozialabbau unterstützen. Bei ver.di und DGB sind es nur Einzlene, die sich gegen diese Umstrukturierungen ausgesprochen haben. Als Gesamtorganisationen lehnen verdi und DGB es ab, Widerstand gegen die Pläne zu leisten. Das höchste was drin wäre: Ein bischen Protest erlauben, um die Unzufriedenen in der Basis bei Laune zu halten.
Sonstige widerständige Strukturen sind in Dumpfland nicht in Sicht, die Sozialforen funktionieren nur durch Bündnisse mit den staatstragenden Gewerkschaften - fallen also auch weg. Und so werden diese Sachen ohne den geringsten Widerstand umgesetzt.

Entlassungen drohen ohne Ende...

Oelfütze 11.07.2003 - 18:30
Die deutsche Tochter des US-amerikanischen Mineralölkonzerns Exxon Mobil, die ESSO AG in Hamburg, will sich von mindestens 200 Mitarbeitern trennen. Die amerikanische Zentrale plant, in Deutschland ganze Abteilungen zu schließen und ins weniger lohnintensive Ausland zu gehen. Prag, Budapest und Brüssel sind im Gespräch. Auch in Frankreich sollen bis zu 300 Stellen abgebaut werden. ESSO beschäftigt in Deutschland etwa 3000 Mitarbeiter, 900 davon in der Hamburger Zentrale.
Exxon Mobil führt vor, wohin die globalisierte Wirtschaft führt. Andere Multi-Konzerne folgen. Das Schicksal der Arbeitnehmer ist nicht entscheidend, sehr wohl aber die Rendite des Unternehmens.




berlinberlin hey

die 7 sozialfuzzies 11.07.2003 - 19:04
im berlin-weddinger job active center (jac) kommt es vermehrt zu unhaltbaren vorfällen. so werden sozialhilfeempfänger/innen die sich lediglich einen negativ-bescheid für arbeitslosengeld holen möchten zu zuständigkeitsverwirrungen. die betroffenen werden vom zuständigen arbeitsamt zum jac verwiesen, das jac wiederum sieht die zuständigkeit beim arbeitsamt. so wird kein negativbescheid erlassen, das sozi macht dann wieder druck. ein teufelskreis.
im fachjargon heisst dies dann gewährung vertreibender hilfe.

Gesunde Firmen werden bewußt ruiniert

Brummi 11.07.2003 - 20:50
Der traditionsreiche deutsche Lastwagen- und Maschinenbaukonzern MAN (Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg) steht offensichtlich kurz vor der Zerschlagung. Die größten Anteilseigner, die Allianz-Versicherung, die Münchener Rückversicherung und die Commerzbank, die zusammen 27 % der Aktien halten, seien mit dem Kurs der Aktien des Maschinenbauers nicht zufrieden. Die Börse bestrafe Mischkonzerne wie MAN, heißt es in gut informierten Wirtschaftskreisen.
Der Wolfsburger Autobauer VW interessiert sich für den Nutzfahrzeugbau, also die LKW-Sparte. Die übrigen Teile von MAN, nämlich Druckmaschinen, Schiffsdiesel, Anlagenbau und Stahlhandel sollen nach dem Willen der dominierenden Anteilseigner an eine "Private Equity Firma" verkauft werden, was immer das dann sei.

Wohlgemerkt: MAN steckt keineswegs in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Allein die Lastwagensparte erwirtschaftete im Jahr 2002, 6,5 Milliarden EURO Umsatz. Nur der Börsenwert, der mit der Produktivität eines Unternehmens im Allgemeinen nichts zu tun hat, entscheidet auch hier wieder einmal über die Zukunft eines deutschen Unternehmens. Die zukünftigen Eigentümer der einzelnen Industriesparten von MAN dürften in der ganzen Welt zu finden sein und nur eines im Auge haben: Ausschlachten solange es geht. Da könnten sich dann zu mindestens die Lastwagenbauer freuen, daß sie bei VW untergekommen sind.





DGB verrät werktätige Bevölkerung

Ri-sa 11.07.2003 - 21:48
Zu Beginn des Jahres 2004 ist mit dem Inkrafttreten der Tarifverträge des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit den Verbänden der Zeitarbeitsfirmen (BZA und IGZ) zu rechnen. Schon Lenin formulierte vor rund 100 Jahren sehr treffend, die Führung der Arbeiterbewegung sei ein Bestandteil der Bourgeoisie geworden, und diese Tatsache bewahrheitet sich einmal mehr. Den „Arbeitnehmervertretern“ – Arbeitnehmerverräter wäre wohl die passendere Bezeichnung – ist das Meisterstück geglückt, die ohnehin schon bedenklichen Regelungen des Hartz-Paketes Arm in Arm mit den Vertretern der sozialparasitären Leiharbeitsunternehmen auszuhebeln.

Sah das Hartz-Gesetz noch das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, also die gleichberechtigte Entlohnung der modernen Arbeitssklaven vor, so kann man dank der unergründlichen Weisheit des DGB und seiner Teilgewerkschaften hiervon nur noch träumen. Wichtig ist vor allem, dass die zeitliche Begrenzung für den Einsatz eines Leiharbeitsnehmers abgeschafft wurde. Für die Verleihfirmen wird dadurch die Kalkulation entscheidend erleichtert, für die Entleihfirmen der Einsatz von je nach Betriebsbedarf anzuheuernden Arbeitskräften entsprechend attraktiver: Der Zeitrahmen des Verleihs und das Abschließen mehrerer Verträge mit einem Entleiher hintereinander kann problemlos und je nach Bedarf gemanagt werden. Die immer beliebtere ‚Mischkalkulation´ mit ‚Rand-´ und ‚Stammarbeitsplätzen´ im Interesse eines insgesamt niedrigeren Lohnniveaus wird dadurch angefacht; namhafte Unternehmen tummeln sich mittlerweile in diesem profitablen Geschäftszweig und gründen eigene Leiharbeitsfirmen, nicht zuletzt um eigene Entlassene als Leiharbeiter lockerer, bedarfsgerechter und billiger einzusetzen. Ist Leiharbeit in den Reihen der werktätigen Bevölkerung ohnehin schon für Lohndumping und Arbeitsplatzvernichtung („Outsourcing“) verhasst, so ist solcherlei Bestrebungen des asozialen Kapitals nun keinerlei Grenze mehr gesetzt. Angesichts der katastrophalen Lage auf dem Arbeitsmarkt und mit einem bereitstehenden Heer von Zwangsarbeitern, die demnächst in die Personal-Service-Agenturen der Arbeitsämter abgeschoben werden, etabliert sich in der BRD ein Billiglohnsektor von monumentalen Ausmaßen.

Aus bislang 5 Entgeltgruppen wurden kurzerhand 9 gemacht, zudem strich man einvernehmlich die noch im Frühjahr vorgesehenen Regelstundensätze. Sehen wir uns zunächst die Entgeltgruppen an:

Entgeltgruppe 9: Tätigkeiten, die ein Hochschulstudium bzw. Tätigkeiten, die ein Fachhochschulstudium und mehrjährige Berufserfahrung erfordern.

Entgeltgruppe 8: Tätigkeiten, die ein Fachhochschulstudium erfordern.

Entgeltgruppe 7: Tätigkeiten, die zusätzlich zu den Merkmalen der Entgeltgruppe 6 mehrjährige Berufserfahrung erfordern.

Entgeltgruppe 6: Tätigkeiten, die eine Meister- bzw. Technikerausbildung oder vergleichbare Qualifikationen erfordern.

Entgeltgruppe 5: Tätigkeiten, die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden. Zusätzlich sind Spezialkenntnisse erforderlich, die durch eine Zusatzausbildung vermittelt werden sowie eine langjährige Berufserfahrung.

Entgeltgruppe 4: Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden und die eine mehrjährige Berufserfahrung voraussetzen.

Entgeltgruppe 3: Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine Berufsausbildung vermittelt werden. Diese Kenntnisse und Fertigkeiten können auch durch mehrjährige Tätigkeitserfahrung in der Entgeltgruppe 2 erworben werden.

Entgeltgruppe 2: Tätigkeiten, die eine Anlernzeit erfordern, die über die in der Entgeltgruppe 1 erforderliche Anlernzeit hinausgeht sowie Einarbeitung erfordern.

Entgeltgruppe 1: Tätigkeiten, die eine kurze Anlernzeit erfordern.

Waren beispielsweise für die Entgeltgruppe 1 ab 2004 ursprünglich ein Eingangsstundenlohn von 6,85 EUR und ein Regelstundensatz von 8,40 EUR vorgesehen, so können die Lohnsklaven dieser Gruppe grundsätzlich nur noch 6,85 EUR stündlich erwarten. Die Verhandlungsführer der Gewerkschaften und der Arbeitgeber einigten sich darauf, die höheren Regelstundensätze kurzerhand ersatzlos zu streichen. Immerhin ist man so gnädig, bis 2007 den Stundenlohn der Entgeltgruppe 1 auf 7,38 EUR anzuheben - knapp 50 Cent Stundenlohnerhöhung zwischen 2004 und 2007! Der Facharbeiterlohn sollte 2004 10,80 EUR betragen und wurde auf 8,70 EUR abgesenkt, indem man die alte Entgeltgruppe 3 kurzerhand in mehrere neue Gruppen aufteilte. Offiziell heißt es, dass es sich hierbei nur im Mindestlöhne handelt, die langfristig den betriebsüblichen Gehältern anzugleichen sind, aber diese Bestimmung dürfte nur dort greifen, wo es noch einen seiner Verantwortung bewussten Betriebsrat bzw. entsprechende Haustarife gibt. Letztendlich handelt es sich also um ein Objekt der Unternehmerwillkür, und der Betrieb, der freiwillig höhere Löhne zahlt, muss wohl noch erst gegründet werden.

Diese ursprünglich vorgesehene Unterscheidung zwischen Eingangs- und Regellohn erklärt sich folgendermaßen: Der Leiharbeitnehmer fängt mit seinem Eingangsstundenlohn an. Nach 12 Monaten erfolgt der Sprung in die Hauptstufe mit einer Lohnerhöhung von 3 %, und nach 24 Monaten erreicht mensch mit einer Lohnerhöhung von weiteren 3,5 % seinen Regelstundensatz. Leistungsbeurteilungen durch den Entleiherbetrieb können das Aufsteigen in die Hauptstufe um ein halbes Jahr beschleunigen, vorausgesetzt, sie fallen „außergewöhnlich gut“ aus. Ein klassischer Fall von Augenwischerei, denn 80 % aller Leiharbeitereinsätze dauern nur maximal 6 Monate lang an. Notfalls hätte der Arbeitgeber das Massenverbrauchsgut Mensch kurzerhand austauschen können – Sicherungen wurden jedenfalls keine eingebaut.

Bei wohlwollender Betrachtung, also nach Angaben der Arbeitgeberseite, liegen die vereinbarten Löhne um 10-15 % unter den Ecktarifen der einzelnen Branchen. Mit dem Anheuern von Leiharbeitern sparen sich entleihende Betriebe Sozialabgaben und Kündigungsschutz und Teile des Stundenlohns. Die Leiharbeiter bekommen am Ende Stundenlöhne ausgezahlt, die um 30% und 40 % unter den betriebsüblichen Gehältern liegen. An ihrer Ausbeutung muss eben noch ein zweiter Kapitalist, der Zeitarbeitsunternehmer verdienen. Berechnungen kritischer Gewerkschafter zufolge können die Lohnunterschiede zwischen Festangestellten und Leiharbeitnehmern mehr als 400 Euro betragen. So bewährt sich die Leiharbeit als Öffnungsklausel für den angeblich überregulierten Arbeitsmarkt; mehrere tausend Zeitarbeitsfirmen sorgen mit ihrem Geschäft für die Senkung der betrieblichen Lohnkosten und damit im Allgemeinen für die Senkung des nationalen Lohnniveaus und damit der Inlandsnachfrage – was soll´s, wir sind ja Exportweltmeister.

Grundlage des Schandvertrages ist die 35-Stunden-Woche bei einer Monatsarbeitszeit von durchschnittlich 151,67 Stunden. Durch die Einführung von Zeitkonten hat der Leiharbeitnehmer unentgeltlich Überstunden zu kloppen. Diese werden nämlich bis zu einem Maximum von 230 (!!!) Stunden auf dem Zeitkonto gutgeschrieben und können, wenn die Personalabteilung gnädig ist, abgefeiert werden. Üblich waren bislang um die 20 bis 35 Stunden, also auch hier eine himmelschreiende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Sind 2,5 Urlaubstage pro Monat weit verbreitet, so haben Leiharbeitnehmer nur Anspruch auf 2,0. Erst ab dem 5. Beschäftigungsjahr wird der Anspruch schrittweise auf 30 Tage angepasst. Mit 150 bis 300 EUR fallen Urlaubs- und Weihnachtsgeld auch nicht gerade üppig aus, zudem besteht erst nach mehr als 12monatiger Betriebszugehörigkeit ein Anspruch. Die Verleiherfirmen werden sich auch in einem weiteren Punkte freuen: Unseres Wissens nach tauchen nämlich die bislang durchaus üblichen steuerfreien Verpflegungs- und Fahrtkostenzuschüsse nicht mehr auf.

Ebenfalls gestrichen wurden die vereinbarten Branchenzuschläge, also die gleichberechtigte Entlohnung nach den Maßstäben des Einsatzbetriebes ab dem 8. Einsatzmonat. Die Verhandlungen darüber verschob man auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Zu allem Überfluss hat das Machwerk eine Laufzeit von sensationellen 48 Monaten, zusammen mit den 6 Monaten ab dem 01.07.2003 sind das 56 Monate, und die Lohnsteigerungen betragen jährlich lächerliche 2,5 %, beginnend mit dem 01.01.2005. Die Regel- und Mindeststundensätze sollen ausdrücklich nicht an die kalenderjährliche Tarifentwicklung angeglichen werden und sind damit von den ortsüblichen Tariflöhnen abgekoppelt.

Wenden wir uns nun einem wichtigen Punkt unserer Betrachtung zu, nämlich den Entgeltgruppen 1 und 2. Hier finden sich Menschen mit „Vermittlungshemmnissen“ wieder – Langzeitarbeitslose ab dem 7. Monat, Arbeitnehmer über 50 Jahre, Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Schüler und Studenten, in ihren Beruf zurückkehrende Mütter, chronisch Kranke und Schwerbehinderte. Diese Personengruppen stellen bekanntermaßen den Hauptjagdbestand der Zeitarbeitsfirmen und PSA dar. Und gerade sie sind gezwungen, für einen Lohn von 6,85 EUR die Stunde zu arbeiten – vor Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, versteht sich. Wohlwollend berechnet, kommt hierbei ein Nettomonatslohn von vielleicht 750-800 EUR zustande – und das bei ins uferlose steigenden Sozialversicherungsbeiträgen, kletternden Mietpreisen, explodierenden Gebühren und der permanenten „persönlichen Inflation“ (gemeint ist das schleichende Ansteigen der unmittelbaren Lebenshaltungskosten). Kanonenfutter für die bundesdeutsche Ausbeutungsmaschinerie. Damit nicht genug: Unterlaufen die Löhne in den Entleiherbetrieben infolge miserabler Tarifverträge die Vorgaben, springt das Arbeitsamt mit Zuschüssen ein. Bislang galten Löhne, die um mehr als 30 % unterhalb der ortsüblichen Tariflöhne lagen, von Rechts wegen als sittenwidrig, aber diese Zeiten gehören unter sozialdemokratischer Regierung wohl der Vergangenheit an.

Betroffen von diesen ausbeuterischen Regelungen werden Hunderttausende, womöglich bald Millionen, sein. Der „freiheitlichste Staat, der je auf deutschem Boden existierte“ liefert ganze Bevölkerungsgruppen rücksichtslosester Ausbeutung aus, speist sie im Einvernehmen mit dem Kapital mit sich auf die relative Armutsgrenze zubewegenden Hungerlöhnen ab. Hunderttausende werden nicht nur wie bisher faktisch, sondern nun ganz legal aus dem volkswirtschaftlichen Kreislauf ausgeschlossen und letztendlich aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt. Von den gegen Null tendierenden sozialen Aufstiegschancen (Stichwort Selbstreproduktion der Eliten), welche der kapitalistische Klassenstaat BRD den Kindern aus armen Familien laut PISA-Studie bietet, ganz zu schweigen. Die Zweifünftelgesellschaft steht vor der Tür – zwei Fünftel der Bevölkerung leben im Wohlstand, der Rest kann sehen, wo er bleibt. Und die Führungen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften sind als Mittäter an dieser endgültigen Zerstörung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Solidarprinzips beteiligt.

Die Gewerkschaftsführungen handelten ohne jeglichen Auftrag der Mitglieder oder irgendwelcher legitimierten Organe. Es gab keine demokratisch bestimmte Tarifkommission, die zu den Verhandlungsergebnissen hinzugezogen wurde. Die Bundesführungen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften handelten aus eigener Machtvollkommenheit, sie handelten im Sinne einer sozialreaktionären Bundesregierung, bestehend aus der reformistischen SPD und den neoliberalen Grünen, und sie handelten im Sinne eines rein an Profitinteressen orientierten, von Grund auf unmenschlichen Systems – des globalen Kapitalismus.

Es droht die Deflation

Stutend 11.07.2003 - 22:11
Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst der Deflation. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte jetzt vor einer "deflationären Entwicklung" und daraus folgenden gefährlichen Verschärfung der Wirtschaftskrise in Deutschland. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schloss sich dieser Beurteilung an und verwies auf seine früheren Mahnungen. Während bei den Deutschen eine tiefe Angst vor der Inflation sitzt, bei der die Preise galoppieren, werden die verheerenden Auswirkungen einer Deflation meist unterschätzt. Manche glauben sogar, die mit dieser Form des wirtschaftlichen Ungleichgewichts einhergehenden sinkenden Preise seien doch begrüßenswert.

Die Deflation ist gekennzeichnet durch ein Absinken des Preisniveaus auf breiter Front und damit verbunden die Kaufkraftsteigerung des Geldes. Ursache ist ein Überhang des Güterangebots über die Güternachfrage. Man spricht von einer deflatorischen Lücke oder Nachfragelücke, wenn das Wachstum der Geldmenge längere Zeit geringer ist als das Wachstum des Sozialproduktes. Erhöht der Staat in einer solchen Situation auch noch die Steuern und Abgaben und kürzt gleichzeitig seine Investitionen, wie dies derzeit geschieht, wird das der Volkswirtschaft zur Verfügung stehende Geld immer knapper und die Nachfrage immer geringer.

Die Deflation setzt eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang. Die Unternehmen müssen, um ihre Erzeugnisse absetzen zu können, die Preise immer weiter senken, am Ende die Produktion drosseln oder gar einstellen. Mitarbeiter müssen entlassen werden, die Arbeitslosigkeit steigt. Betriebe, die keine oder nicht mehr genügend Einnahmen erwirtschaften, können ihre Kredite nicht mehr tilgen. Banken brechen zusammen. Wer noch einen Arbeitsplatz hat, muss mit drastischen Lohnkürzungen rechnen. Der Konsum geht immer weiter zurück. Und wer Geld hat, legt es angesichts der schlechten Aussichten lieber auf die hohe Kante oder verschiebt geplante Anschaffungen in der Hoffnung auf noch niedrigere Preise.

Die Deflation lässt die Wirtschaft schrumpfen. Ein Wachstum von 0,75 Prozent für dieses Jahr, wie von der Bundesregierung vorausgesagt, ist illusorisch. Experten halten auch das von den sechs großen Wirtschaftsinstituten im Frühjahrsgutachten geschätzte Wachstum von 0,5 Prozent für nicht mehr erreichbar. In den ersten drei Monaten dieses Jahres ging jedenfalls die deutsche Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,2 Prozent zurück. Wir stecken bereits in der Rezession. Es ist eine Tragödie, dass Deutschland als Mitglied der Europäischen Währungsunion nicht mehr mit einer eigenständigen Geldpolitik der Bundesbank gegensteuern kann.

Dabei ist es so einfach zu begreifen, dass niedrigere Steuern und Abgaben Investitionen auslösen und den Konsum ankurbeln würden. Zur Belebung der Konjunktur bedarf es aber auch gewaltiger staatlicher Investitionen in vielfacher Milliardenhöhe. Für ein wirkungsvolles Investitionsprogramm aufgenommene Schulden können nach einem wirtschaftlichen Aufschwung leicht wieder getilgt werden. Der EU-Stabilitätspakt, der eine ausreichende Neuverschuldung verhindert, muss daher weg! Die Gefahr der Inflation, die er bannen soll, ist weit und breit nicht zu sehen, statt dessen droht die Katastrophe der Deflation.

Die Bundesregierung aber wandelt auf den Spuren des Reichskanzlers Heinrich Brüning, der Anfang der dreißiger Jahre die schwere Wirtschaftskrise ebenfalls mit eisernem Sparen in den Griff bekommen wollte. Löhne und Gehälter wurden gesenkt, Steuern erhöht, die Investitionen des Staates zurückgefahren. Trotz sinkender Preise gaben die Bürger kein Geld mehr aus, die Wirtschaft trudelte nach unten. Die Zahl der Arbeitslosen schwoll auf sechs Millionen an. Ganze Landstriche verelendeten. Öffentliche Suppenküchen speisten die Hungernden. Die Suppenküchen unserer Zeit aber sind die Sozialämter, die immer mehr Bedürftige finanzieren müssen und deren Kassen schon jetzt mehr als leer sind...

Bist du dir sicher,das

Mimi 14.07.2003 - 18:48
mit den job-centern diesen Sommer der Fall ist,in der jungen welt steht was von Januar/Februar nächsten Jahres.?

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Das gute, alte? — Gegen Arbeit