Deutschland Lagerland!

res publica 25.05.2003 14:00 Themen: Antirassismus
Update 25.5: Demo voller Erfolg
30.000 Abschiebungen jedes Jahr. Hinter jeder verbirgt sich ein Schicksal. Die meisten Flüchtlinge, die von der Abschiebung betroffen sind, haben seit ihrer Flucht nach Deutschland in Unterkünften, Containern, Abschiebelagern und Abschiebehaft "gelebt" und mit Verwaltungsterror zu kämpfen. Die Abschiebung ist für sie das Ende jeder Hoffnung auf persönliche Freiheit und Sicherheit, auf eine Lebensperspektive frei von Verfolgung, Armut und Hunger.
Derzeitige Abschiebungen | 1 | 2
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Flüchtlinge in Deutschland haben kaum mehr die Chance, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Sie sind von der Gleichbehandlung aller Menschen und von einer eigenständigen Lebensplanung ausgenommen. Sie haben keine Möglichkeit, nach ihrer oft jahrelangen Flucht vor Verfolgung, Armut, Hunger oder fehlenden Lebensperspektiven zur Ruhe zu kommen.

Mit der Ankunft beginnt ihre Odyssee durch die bundesdeutschen Lager: Die restriktive Flüchtlingspolitik zwingt sie über die ?zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber? in die ?Gemeinschaftsunterkünfte?. Diese Lager sind meist umzäunte Containerunterkünfte oder ehemalige Kasernen in den Außengebieten oder fernab der Städte, die die Insassen von der übrigen Bevölkerung isolieren. Rigide Hausordnungen, häufige Kontrollen und private Sicherheitsdienste begünstigen rassistische Übergriffe. Die Flüchtlinge fristen dort ihr Dasein, ohne Privatsphäre, auf engstem Raum (in der Regel vier Personen auf 15 m²), häufig ohne Kontakte nach außen, die ihnen bei Sprachproblemen oder zum Verständnis des deutschen Rechtssystems behilflich sein könnten. Gefangen in den Landkreisgrenzen, ohne Arbeitserlaubnis, versorgt mit Sachleistungen und einem minimalen Barbetrag von 40 Euro monatlich warten sie auf den Bescheid über ihren Asylantrag. Fällt er negativ aus, werden sie unverzüglich abgeschoben, mit einem eventuellen Zwischenstopp in der Abschiebehaft; genau in die Länder, aus denen sie schutzsuchend nach Deutschland geflohen sind.

Flüchtlinge, die nicht sofort abgeschoben werden können, weil z.B. die Herkunftsländer sie nicht ?zurücknehmen? oder ihnen keine Papiere ausstellen wollen, befinden sich in einer teilweise über Jahre dauernden Situation der Ungewissheit und Perspektivlosigkeit. Für sie wurde das Instrument der Abschiebelager geschaffen, die im Behördenjargon zynisch ?Ausreisezentren? genannt werden.

Abschiebelager abschaffen
?Ausreisezentren?, die nicht umsonst auf den zweiten Platz des Unworts des Jahres 2002 gewählt wurden, geben den Ausländerbehörden die Möglichkeit, Flüchtlinge zur Ausreise zu zwingen, selbst wenn tatsächliche Abschiebehindernisse vorliegen. Wie das funktioniert, erklärt Lagerleiter Christoph Hammer (Abschiebelager Fürth): ?Wenn man so will, dann kann man es als Zermürbetaktik bezeichnen?. Und nach Aussagen des bayerischen Innenministers Günther Beckstein dienen die neuen Abschiebelager dazu, Panik unter den Flüchtlingen zu verbreiten. Selbst einige deutsche Gerichte sprechen im Zusammenhang mit Abschiebelagern von illegitimen Beugemaßnahmen, die mit der unverletzlichen Freiheit der Person nach Art. 2 GG nicht vereinbar sind.

Die Zermürbungsinstrumente im Abschiebelager Fürth:
- Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge auf das nahe Umfeld des Lagers
- Leben hinter Gittern
- regelmäßige Verhöre
- Bewachung und Kontrolle durch private Sicherheitsdienste
- Botschaftsvorführungen
- Entzug des Barbetrags (40,- Euro monatlich)
- striktes Arbeitsverbot
- tägliche Lebensmittelrationen zur Sicherstellung der Anwesenheit
- Zimmerdurchsuchungen
- Meldepflichten
- Anwesenheitskontrollen

Abschiebungen stoppen - Recht auf Bleiberecht
Das Ende der Hoffnungen von Flüchtlingen auf persönliche Freiheit und Sicherheit, auf eine Lebensperspektive frei von Verfolgung, Armut und Hunger ist die Abschiebung. Häufig werden Flüchtlinge in den frühen Morgenstunden in Abschiebehaft genommen, direkt zum nächsten Flughafen verfrachtet und abgeschoben, in aller Stille, in einer Nacht- und Nebelaktion. Im Falle von Widerstand geschieht dies mit Hilfe von speziellen Fesselungsgurten, Schutzhelmen und Beruhigungsmitteln. Wer sich zur Wehr setzt, muss mit brutaler Gewalt durch deutsche Bundesgrenzschutz-Beamte rechnen, die bereits mehrfach tödlich endete. Familien werden dabei auseinandergerissen, Kinder, Ehemänner und Ehefrauen bleiben alleine zurück, erst später erfahren sie vom Schicksal ihrer Angehörigen.
So wurden am 3. März 2003 in einer gemeinsamen Großaktion von deutscher und französischer Polizei 55 Flüchtlinge aus dem Senegal und der Elfenbeinküste abgeschoben. Durch die unmenschliche Behandlung starb ein Senegalese, eine schwangere Frau erlitt einen Abgang. (Quelle: African Times)
In München laufen die Abschiebungen von TogoerInnen und ÄthiopierInnen auf vollen Touren. Alle abgelehnten Flüchtlinge werden durch das Kreisverwaltungsreferat in Kollaboration mit den Botschaften einem wachsenden Druck ausgesetzt, Deutschland zu verlassen. Am 8. Februar traf es Frau Dikewu, die zwei Tage vor Ihrer Heirat abgeschoben und dabei vom Bundesgrenzschutz misshandelt wurde. (Quelle: Süddeutsche Zeitung)

Es ist dringend an der Zeit, die Missachtung der Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen nicht mehr weiter hinzunehmen, denn die Rechte aller Menschen auf Freiheit, Gleichheit und auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde lassen sich nicht erbetteln. Wir müssen sie gemeinsam erkämpfen!

Am 24. Mai 2003 leisten wir in Bayern unseren Beitrag dazu. Mit der Demonstration von Bayerischem Flüchtlingsrat, Interkulturellem Forum, Karawane München, Münchner Flüchtlingsrat und res publica tragen wir einen großen, bunten, lauten Protest auf die Straßen Münchens. Programm:

10 Uhr Infomarkt Karlsplatz/Stachus
12 Uhr Auftaktkundgebung, Karlsplatz/Stachus
13 Uhr Demonstration
16 Uhr Abschlußkundgebung, Nähe EineWeltHaus
17 Uhr KulturDult: On Stage, EineWeltHaus, Schwanthalerstr. 80
20 Uhr Ausstellung Deutschland Lagerland , Glockenbachwerkstatt, Blumenstr. 7
21 Uhr Out of Lagerland - Raggae Party, sunny red, Hansastr. 41

LinksOrganisatorInnen:
Interkulturelles Forum
Karawane
Münchner Flüchtlingsrat
res publica

Deutschland Lagerland:
Indymedia 22.08.2002: Residenzpflicht: Ein Mosaikstein im System der Abschreckung

Indymedia 29.01.2003: "Bundesdeutsche und ihre tödlichen Folgen" 10 Jahre im Rückblick

Indymedia 26.03.2003: Video: Erfahrungen im Abschiebeknast Köpenick - ein Interview

Indymedia 31.03.2003: Rassismus in der Ausländerbehörde in Ludwigshafen

Abschiebelager abschaffen:
Indymedia 30.10.2002: Die Verhältnisse im Abschiebelager Fürth
Indymedia 8.3.2003: Stürmische Zeiten...BILDhetze und Hintergrund
Indymedia 23.11.2002: Innenminister über "Ausreisezentren" uneins
Indymedia 19.04.2003: Russischer Deserteur und Karawaneaktivist in Abschiebehaft
Indymedia 24.04.2003: Abschiebung von Dimitri Olenin erneut gescheitert
Indymedia 27.04.2003: Abschiebung von Olenin: Behörde vertuscht ihre Pannenserie
Indymedia 28.04.2003: Regierung von Mittelfranken leugnet Abschiebeversuch
Indymedia 05.05.2003: Erste Abschiebung aus dem Abschiebelager Fürth
Indymedia 15.05.2003: Ausreiselager Fürth schließen!
20.5. 2003: Dokumentation unbedingten Abschiebewillens - Dimitris Geschichte
Abschiebungen stoppen - Recht auf Bleiberecht:
Indymedia 17.03.2002: Selbstmord aus Angst vor Abschiebung
Indymedia 19.12.2002: Flughafen-Aktion gegen die Abschiebung des Togoers Koumai Agoroh
Indymedia 22.12.2002: Brutale Abschiebung der Familie Gülec aus Altenkirchen
Indymedia 24.12.2002: Advent in Deutschland
Indymedia 12.03.2003: Lufthansa schiebt ab
Indymedia 18.03.2003: Afrikaner auf der Flucht vor der Polizei ertrunken
Indymedia 20.04.2003: München: do it again - Karawane stoppt Abschiebung
Indymedia 13.05.2003: Polizeipfarrer hilft bei Abschiebung
Repression gegen Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen:
Indymedia 04.02.2003: Razzia bei der Karawane-Gruppe München
Indymedia 09.05.2003: München: Razzien bei Karawane/Flüchtlingsrat
Indymedia 09.05.2003: München: Erneute Polizeirazzia bei antirassistischen Initiativen

Allgemeine Links:
Pro Asyl
Deportation Class
Abschiebehaft Kampagne
Dokumentationsseite Ageeb

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Ergänzungen

@mods

Alex, res publica 18.05.2003 - 13:17
Wie ihr unter  http://de.indymedia.org/2003/05/51533.shtml sehen könnt, ist der obige Artikel bereits auf der Startseite. Meine Bitte, ihn in die Mittelspalte aufzunehmen, hat ein Indy-Moderator mit dem Hinweis beantwortet, daß für eine Aufnahme in die Mittelspalte noch Hintergrundrecherchen fehlen.
Die sind jetzt in der aktuellen Version drin und ich hoffe, ihr stimmt unserem Anliegen zu und nehmt ihn jetzt in die Mittelspalte rein.

Solidarische Grüße
Alex

@mods 2

alex 18.05.2003 - 13:19
Bitte schiebt nach dem Demo-Programm noch folgenden Hinweis ein:

Alle Infos zur und die Berichterstattung von der Demo:
 http://www.ausreisezentren.de

Danke

Lagerland auch anderswo

karl 18.05.2003 - 20:33
Dies alles ist richtig und der Widerstand hoechst ehrenwert.
Nur.. der Titel Deutschland Lagerland vermittelt, dass dies nur in Deutschland so sei.
Und das stimmt eben nicht. Es ist im ganzen Westen so, Europa - Nordamerika, Australien.
Und leider scheinen manche nicht gemeinsam handeln, sprich Humanitaet verteidigen zu wollen, sondern verharren in ihrem alten Nationaldenken (zum Nachteil der Fluechtlinge).

Schade und traurig !

aber karl...

kristina 19.05.2003 - 00:00
... es gibt auch diejenigen, die nur nach Nordamerika oder Australien schauen und darüber das Fleckchen Erde vergessen, auf dem sie selber leben. Vor Ort kann man mehr ausrichten als am anderen Ende der Welt. Was jetzt natürlich nicht heissen soll, das ich globale Solidarität ablehne, aber eben in vernünftigen Maßen.

@ mods again: MMITTELSPALTE!

muc 19.05.2003 - 22:13
liebe indymods,
ich kanns nicht glauben, dass bisher die zeit nicht da war, die infos zur BUNDESWEITEN mobilisierung für die demo nach münchen auf die mittelspalte zu setzen.
was wir brauchen, ist eine massive mobilisierung und (ich weiss, indy-kriterien, terminseiten, etc.) indy sollte die sache bitte fördern. lang ists ja nich mehr hin. wenn die texte erst am donnerstag, freitag auf der mittelspalte stehen, ist es denkbar spät.

solidarische grüsse aus münchen,
tom

ein weiterer schlimmer Abschiebeversuch

caraM 20.05.2003 - 12:04
hier noch ein link zu einem anderen, kürzlichen indymedia artikel:
 http://www.de.indymedia.org/2003/05/51742.shtml

Noch was zu Deutschland Lagerland

alex 21.05.2003 - 00:41
Noch eine Möglichkeit der Flüchtlingsunterbringung: "Einweisen" in ein videoüberwachtes Sammellager. Mehr dazu in:

Junge Welt 17.05.2003: Mauertaktik gegen Migranten
Stadt Celle pfercht Asylbewerber in videoüberwachter Unterkunft ein. Flüchtlingsinitiative läuft Sturm

 http://fluechtlinge.kommunikationssystem.de/mmnews/mmnews_read.php?groups=cl.politik.migration&group=cl.politik.migration&first=&count=&number=1050

Ergaenzung

locmod 22.05.2003 - 17:09

TRUHT.mean NATIONALDENKER??,Bin ICH.

WAS BIS du? 27.05.2003 - 01:36
BLICK OF WWW.alte_New Face..Keine anung und see Was du bis Nicht.( I SINCERE THINK YOU Still HAVE REAL TO LERN & NOW THE LEVEL OF DEINE NICHT OR WENIG NATIONALDenker)
HAVE PASS THE LEVEL OF....and BILDUNG AND NOW ARE ON THE LEVEL OF MATERIALISATION. YOU SEE!!,ABER DON't.

Frage

C. Stanetzek 31.05.2003 - 14:39
Darf man hier auch gute Vorschläge machen? Oder wird man dann rausgeworfen.

U.S. Konzentrationslager im Jahr 2002

peaceproject 20.06.2003 - 18:58
Auch in den USA gibt es solche zivile Internierungslager.
Aber es ist kaum zu glauben, (die Kapazität der Lager beträgt 20 Mio. Insassen) nur für illegale Einwanderer ist.
Vielleicht werden auch Schwarze und mittellose Menschen bald in diesen Lagern zu finden sein?