Neues zum spanischen Generalstreik

ÄRalf sTreck 12.04.2003 09:41 Themen: 3. Golfkrieg Militarismus Soziale Kämpfe
Zwischen 70 und 4 und 0 Prozent lag die Beteiligung am Generalstreik im spanischen Staat am Donnerstag, um gegen den Irak-Krieg zu protestieren, an dem Spanien direkt beteiligt ist. So gehen die Aussagen über die Beteiligung auseinander. Während die Arbeitgeber von Null-Beteiligung spricht, ist die Regierung bereit den Streik eine Teilnahme von 4,39 Prozent zuzugestehen. Die Gewerkschaften dagegen, allen voran der Chef der Arbeiterunion (UGT), spricht von einer "massiven Beteiligung" von etwa 70 Prozent. In einigen Bereichen, so Candido Méndez, hätten sogar 90 Prozent gestreikt.
Doch die Demonstrationen, als mögliche Messlatte, blieben weit hinter den bisherigen Demonstrationen gegen den Krieg zurück. In Madrid und Barcelona demonstrierten jeweils "nur" etwa 50.000 Menschen, vor vier Wochen waren es noch jeweils eine Million. Statt streikende Arbeiter waren im wesentlichen streikende Schüler und Studenten auf der Straße. Doch auch die "geringe" Beteiligung sagt nur wenig über die Stärke des Streiks aus. Nie war es so schwer einen Streik einzuschätzen, denn die Verwirrung um den zweistündigen Generalstreik könnte größer nicht sein.

So hatte die UGT, als federführende Organisation, nicht einmal einen konkreten Streikzeitpunkt vorgegeben. Die Arbeiter sollten jeweils die ersten zwei Stunden der Arbeitszeit nicht erscheinen. Da sich der Arbeitsbeginn über den ganzen Tag verteilt, konnte es nicht zu großen Mobilisierungen kommen. Das war offenbar bezweckt, um ein mögliches Scheitern verdecken zu können.

Dazu kommt, dass die anarchosyndikalistischen Gewerkschaften (CGT und CNT) einen 24stündigen Streik ausgerufen haben. Doch bei der großen Autofirma Seat, trauten sich die Militanten der CGT offenbar nicht, den Zentralbeschluss in die Tat umzusetzen und schlossen sich der UGT an. Der interne Aufruf liegt der junge Welt vor. Doch tatsächlich haben es CGT und CNT mit ihren Militanten in einigen Großbetrieben, wie bei der spanischen Bahn, geschafft, die Produktion oder den Verkehr zum Teil massiv zu behindern.

Die Verwirrung rührt daher, weil sich die Führung des traditionellen Partners der UGT, die Arbeiterkommissionen (CCOO) gegen den Streik gestellt hatten. Da es die kleinere UGT nicht gewohnt ist, ohne die großen, einst linkeren und kämpferischeren, Arbeiterkommissionen (CCOO) zu streiken, hat sie versucht das Beste aus der Situation zu machen. Es ist positiv, dass sie sich in dem Fall nicht dem Diktat des Chefs der CCOO, José María Fidalgo, gebeugt hat. Fidalgo hatte zwar ständig mit den Generalstreik gedroht, aber wieder einmal den Schwanz eingezogen. Mit einem Machtwort hat er gar lokale Gliederungen unter die Knute gezwungen, die mit der UGT streiken wollten. Fidalgo hat ihnen den Streik verboten. Nur 15 symbolisch Minuten waren erlaubt. Damit hat er seine Gewerkschaft endgültig an den Rand der Spaltung gebracht. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Auf einer Demonstration wurde er von zahlreichen Gewerkschaftlern schwer beschimpft und zum Rücktritt aufgefordert.

Alle Positionen über die Streikbeteiligung liegen daneben. Die Regierung der postfaschistischen Volkspartei (PP) unter José María Aznar reduziert Aktionen gegen ihre Politik stets schamlos. Beim letzten Generalstreik, gegen ein Dekret zur Neuordnung des Arbeitsmarktes im vergangenen Juni, hatte sie behauptet, ein Streik habe nicht stattgefunden. Doch danach hat sie sukzessive das Dekret zurückgenommen.

Doch diesen Manipulation sind leider auch spanische Gewerkschaften verfallen. Zwar sind über 90 Prozent der Bevölkerung im spanischen Staat gegen den Krieg, aber wegen der Zerstrittenheit der Arbeiterbewegung war ein massiver Generalstreik unmöglich. Zu dem Streit unter den großen Gewerkschaften gesellt sich ohnehin stets der Streit mit den Anarchisten. Dann sind da noch die ?Autonomen Regionen?, die sich selbst zum Teil nicht zu Spanien zählen. So haben spanische Gewerkschaften im Baskenland zum Teil keinen Einfluss. Das Baskenland hatte schon vor zwei Wochen erfolgreich gegen den Krieg gestreikt. Da spanische Gewerkschaften die baskischen Kollegen stets aus ihren Entscheidungen ausgrenzen, hatten die nicht zum Streik aufgerufen, aber ihren Mitgliedern die Teilnahme freigestellt. Praktisch gab es im Baskenland keinen Streik, wie auch die CNT gegenüber der jungen Welt anerkennt..

Dass die Arbeitgeberorganisation CEOE die Begrünung von Fidalgo gegen den Streik anführte und Streikenden mit Entlassung gedroht, weil der Streik illegal sei, spricht Bände
Die Position der offiziellen CCOO ist auch deshalb merkwürdig, da die konservative Regierung Aznar am Rand des Abgrunds steht, mit deren die Gewerkschaft wegen dem neoliberalen Kurs ständig im Konflikt ist. Aznar hat wegen der toten spanischen Journalisten im Irak nun auch die Unterstützung vieler Medienschaffender verloren. Tausende Journalisten legten schon am Mittwoch aus Protest die Kameras, Mikrophone und Kugelschreiber nieder, zahlreiche im Parlament Aznar direkt vor die Füße. Auf Demonstrationen wurde er nun selbst von Medienvertretern als Mörder bezeichnet, derweil lässt er gegen Vertreter der Vereinten Linken ermitteln, die ihn als ?Terroristen? bezeichnet haben. Doch zwei Journalisten aus Spanien sind bisher im Irak umgekommen, einer durch den gezielten Beschuss eines US-Panzers. Aznar bezeichnet dies, nach us-amerikanischer Sprachregelung, als Unfall. Auch hier sprechen bisher die Fakten eine andere Sprache, doch dass Aznar eine spezielle Wahrheit vertritt, ist inzwischen weltweit bekannt. Erstmals ist wegen der Vorfälle ein Parlamentarier seiner Volkspartei zurückgetreten und hat die Partei aus Protest verlassen. Die Luft wird also auch ohne Streikbeteiligung der CCOO für den ehemaligen Franco-Anhänger immer dünner.
Bei den Kommunalwahlen im Mai dürfte er die Quittung bekommen.

© Ralf Streck den 11.04.2003
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen