Spanien schafft demokratisches Rechtssystem ab

Ralf Streck 18.03.2003 14:21
Am Montag hat der Oberste Gerichtshof in Madrid die baskische Partei Batasuna (Einheit) verboten. Betroffen ist auch die Vorgängerin Herri Batasuna (HB/Volkeinheit) und das Wahlbündnis Euskal Herritarrok (Baskische Bürger). Kleine Parteien, wie Zutik, Batzarre und Aralar, die in dem Bündnis kandidiert haben, sind bedroht. In Madrid wurde das Verbot euphorisch begrüßt. Ministerpräsident, José María Aznar war "erfreut" und "zufrieden" mit seinen Richtern.
Am Montag hat der Oberste Gerichtshof in Madrid die baskische Partei Batasuna (Einheit) verboten. Betroffen ist auch die Vorgängerin Herri Batasuna (HB/Volkeinheit) und das Wahlbündnis Euskal Herritarrok (Baskische Bürger). Kleine Parteien, wie Zutik, Batzarre und Aralar, die in dem Bündnis kandidiert haben, sind bedroht. In Madrid wurde das Verbot euphorisch begrüßt. Ministerpräsident, José María Aznar war "erfreut" und "zufrieden" mit seinen Richtern: "Man kann keine terroristische Organisation zerschlagen, wenn man einem ihrer Teile erlaubt, legal zu leben". Mit Blick auf den Irak, fügte Aznar an, Terroristen dürften weder "innerhalb noch außerhalb Spaniens" die Regeln diktieren.

Dabei konnte in 25 Jahren kein Beweis für eine Verbindung zur ETA erbracht werden, sonst hätte man auf das neue Parteiengesetz verzichten können. Das wurde zum Verbot von Batasuna im letzten Sommer in Eile durchs Parlament gepeitscht. Manipulationen und Lügen ersetzten Beweise, wie in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde. Es ist falsch, dass die ETA den Batasuna Vorgänger gegründet habe. Dass hat sogar der Geheimdienst der Guardia Civil eingeräumt. Dass Gutachten, worauf sich die Regierung in ihren Verbotsantrag stützte, sei auf ihren Wunsch erstellt worden und enthalte "etliche Fehler" und "unhaltbare Vorwürfe". 15 Seiten seien aus einer Expertise von 1997 heraus kopiert worden. Doch dessen Inhalt wurde einst vom Staatsanwalt verworfen, weil er "keine strafrechtliche Relevanz hat".

Im Baskenland hat das Verbot Bestürzung ausgelöst, obwohl es erwartet wurde. Für den Batasuna Chef, Arnaldo Otegi, handelt es sich um einen neuen Akt des "spanischen Faschismus" mit dem die Basken "ausgelöscht" werden sollen. Nur die Basken könnten Batasuna verbieten aber nicht Madrid. "Das Baskenland kennt alle Formen der Repression von jeder Art Regime". Die Verbote von Zeitungen und die Ausweitung der Folter zeigten, dass auch Madrid weiiß, die Schlacht verloren zu haben. "Wir sind keine militärische, noch eine politische oder kulturelle Bedrohung und haben keine Massenvernichtungswaffen", trotzdem habe man dem Land seit vielen Jahren den Krieg erklärt.

Für die Baskisch Nationalistische Partei (PNV) ist, "ein elementares Recht, wie die Organisationsfreiheit, gestürzt worden". Die Solidaritätspartei (EA) beklagt ein Urteil, das die Lösung des Konflikts entferne, und bis zu 20 Prozent der Wähler zu Waisen mache. Die größte Gewerkschaft ELA bedauert, das sich die Gewaltenteilung, im Fall der Basken verflüchtigt habe. Das Urteil sei der "Höhepunkt einer peinlichen institutionellen Vermischung", in der nicht einmal "der äußere Schein gewahrt wird". Die Regierung habe das "Drehbuch geschrieben, den Rhythmus und das Ergebnis vorgeben."

Jetzt ist klar, dass grundsätzliche Rechtsnormen in Spanien nicht gelten. Normalerweise sanktioniert eine Demokratie eine Handlung und keine Unterlassung: Batasuna verurteilt die Anschläge der ETA nicht ausdrücklich, bedauert sie nur als Ausdruck eines politischen Konfliktes, der über einen Dialog gelöst werden müsse. Letztlich ist dies das einzige Vergehen dass der Partei auch nach dem neuen Parteiengesetz vorgeworfen werden kann, doch dies ist auch nach spanischem Recht nicht einmal eine Straftat.

Für den Verteidiger, Iñigo Iruin habe das Verbot vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg keinen Bestand. Wie schwach die Anklage war, zeigt, dass die Staatsanwaltschaft die Meinung eines Politikers als "Beweis" anführte. Alfonso Alonso hatte erklärt: "Im Baskenland weiß jedes Kind, dass Batasuna und ETA das gleiche sind."

Doch bis Strassburg entscheidet, vergehen Jahre. Erst muss der Rechtsweg im Land ausgeschöpft werden. Ein Urteil in sechs Monaten, wie erstmals bei der Abweisung der Verfassungsklage gegen das Parteiengesetz, ist nicht zu erwarten. Nur wenn es um Interessen der Regierung geht, entscheidet die Justiz schnell. So wurde schnell auch ein Mißtrauensantrag gegen den Präsidenten des Verfassungsgericht abgeschmettert und der Oberste Gerichtshof hat nur vier Tage für ihre Verbotsentscheidung gebraucht.

Eigentlich müssten sich mit dem Gesetz dessen Betreiber nun selbst verbieten. Die regierende Volkspartei (PP) distanziert sich nicht vom Terror der Franco-Diktatur, der Zehntausenden, Tod, Verstümmelung und Vertreibung gebracht hat. Die oppositionellen Sozialisten (PSOE), die den Kurs der Regierung im Baskenland voll unterstützen, haben sich nicht von ihren Todesschwadronen (GAL) distanziert. Für deren Verbrechen wurden sogar Parteiführer verurteilt. Beide Parteien decken und unterstützen auch die Folter im Land, die jährlich von der UNO oder Amnesty International, oder gerade erst wieder vom Komitee zur Prävention der Folter des Europarats (CPT) angeprangert wurde.

Erneut schreien PP und PSOE nach einem Verbot, nachdem am Samstag die Wahlplattform Autodeterminaziorako Bilgunea (AuB/Plattform für die Selbstbestimmung) erklärte, an den Kommunalwahlen im Mai teilzunehmen.
Der PP-Sprecher, José Antonio Bermúdez, meinte, weil Batasuna AuB gut heiße, sei es deren Nachfolger. Die PSOE, die im Fall Irak auf Kriegsgegner macht, stimmt ein. Das Führungsmitglied, Juan Fernando López Aguilar, sagte: "Es war zu erwarten, dass sich das ETA-Umfeld neu strukturiert und dafür alle Tricks benutzt". Das Parteiengesetz biete "genug Instrumente, um darauf zu reagieren". Es ist zu befürchten das im Windschatten des Irak-Kriegs die Offensive gegen die Basken erst richtig beginnt.

© Ralf Streck den 18.03.2003
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Ergänzungen

Quatsch ...

Anti-Demokrati 18.03.2003 - 17:36
Das demokratische Rechtssystem ist nicht abgeschafft, sondern angewandt worden. Was anderes als die Durchsetzung von Macht auf der Basis der Regeln, die von denen gleichen gemacht werden, die sie dann anwenden (Gesetze, Verordnungen, Urteile, Anordnungen an Vollzugsbehörden usw.), und im Namen des "Volkes", also jener wiederum durch die VertreterInnen des Volkes zum Volk erklären unterwürfigen Masse Mensch, ist denn Demokratie?

Spanien und Recht

vyfken 18.03.2003 - 17:45
Da Spanien sich im Irakkonflikt ebenso rechtswidrig verhält, ist diese Methode gegenüber einer ungeliebten Partei nicht überraschend. Es wird mit der Angst der Menschen gespielt, so wie in den USA, und jeder denkt, die beiden Parteien seien wirklich dasselbe. Natürlich ist da ein Gefahrenpotenzial, wie bei vielen anderen Parteien auch (bei manchen CDUlern sind ja auch Rechtsextreme dabei und insofern formiert sich dort auch Gefahr), aber natürlich unmöglich diese Partei abzuschaffen. Hier darf man noch nicht mal die NPD abschaffen...

Auch Quatsch

Ralf 18.03.2003 - 23:10
Also es gibt, auch wenn man nicht dran glauben muss, ein paar demokratische Pfeiler, wie Meinungsfreiheit, Unschuldsvermutung oder eben die Tatsache dass keine Gedanken sondern Handlungen bestraft werden. Dass das regelmäßig verletzt wird, ist ne andere Sache, aber in welcher Form das geschieht und gleich alle demokratische Normen gleichzeitig ausser Kraft gesetzt werden, entzieht den Faschisten spätestens jetzt das Recht sich noch demokratisch zu bemänteln. Um mehr gehts nicht. Die politische Wertung und die Rückschlüsse daraus, soll jeder selbst ziehen

boykott

fr 18.03.2003 - 23:46
Vielleicht sollte man lieber mal über einen effektiven Boykott der USA, Spaniens und der Briten nachdenken. Am besten mit dem kleinen häßlichen Spanier anfangen, er ist das schwächste Glied in der Kette. Zudem ein ausgewiesener Faschist, nicht nur aktuell, sondern er hatte schon Francos Falange den rechten Arm oben. Urlaub in Katalonien oder dem Baskenland, statt in Spanien. Dann bekommt Spanien wegen dem Autonomieabkommen nur einen kleinen Teil des Geldes. Solidarität mit der baskischen und katalanischen Unabhängigkeitsbewegung

vielleicht sollte man mal

23 19.03.2003 - 00:37
Deutschland endlich zu grabe tragen. wenn dieser scheißstaat endlich weg ist, dauerts bei den nachbarn nämlich auch nicht mehr lange.
jeder kapitalistische staat ist böse und gehört zerschlagen.
boykott von spanien, england, usa...was für ein schwachsinn!

der hauptfeind steht im eigenen land, das kapiert bloß scheinbar in der schafspelz-zeitphase der deutschen kriegstreiber keine/r mehr.
die baskischen und wasweißichvonwoimspanischenstaat-genossInnen brauchen keine deutschen vorm-pc-sitz-und-zum-boykott-aufruferInnen. mensch kann auch in deutschland genug druck auf die spanische bzw. auf die deutsche regierung ausüben, damit sie, um ihre demokratie-fassade zu wahren, den spanischen quasifascisten mal einen vor den koffer knallen.

wie wärs mit besetzungen von bundestag, gerichten, radio und fernsehstationen, um auf die situation im spanischen drecksstaat aufmerksam zu machen und das demokratengesindel zum handeln zu zwingen? zu schwierig?
dann lieber gar nichts machen? dann lieber zum boykott anderer länder aufrufen?
weil deutschland ist ein prima-land? nur spanien, england und usa sind böse?
und morgen russland und frankreich? und übermorgen mal wieder italien und österreich?
und wenn deutschland dann mal wieder ganz böse ist? dann halten wir lieber wieder das maul?

manchmal denke ich wirklich, hier haben alle nur noch mikrochips im kopf...

kein Quatsch

selva 19.03.2003 - 00:45
Um auf dieser Basis = frommer Wunsch Demokratie
aufzubauen muss erst mal gegeben sein, dass alle
Wählenden dasselbe Informationsniveau besitzen
das heisst 1 ) Chancengleichheit und die gibt es
auch in Europa nicht real
2) keine Fehl-Falsch Informationen im Sinne psychologischer
Kriegsführung und keine unterschlagenen Informationen
keine subjektiven Diformierungen - gezinkten Statistiken -
usw.usw
was BATASUNA angeht - auf wessen Seite hat sich die Beweislast verschoben ??? und WAS IST bewiesen - dass
15% der Basken ETARRAs sind? awa....

19.03.2003 - 09:22
@00:37
hast ja recht wenn man im eigenen Land anfangen sollte.
aber scheinbar ist dir nicht klar, warum du der anscheinend einzige bist der dies erkannt hat. Vielleicht hat dies doch mit gesetzmäßigkeiten zu tun, von wegen revolutionärer situation und so. und in deutschhland ist davon bislang noch nichts zu spüren, auch wenn die deutschen weltmeister im jammern sind, geht es hier doch allen verdammt gut. vielleicht hat ja gerhard schröder nun einen anfang mit seinen einschnitten im sozialsystem gemacht. doch noch viel zu wenig ....
im übrigen brauchen die menschen im baskenland wirklich unsere solidarität, denn im schatten des golfkrieges ist mit weitaus mehr repression als ohnehin schon zu rechnen.
und da können auch "deutsche vorm-pc-sitz-und-zum-boykott-aufruferInnen" sehr nützlich sein.




@ Ralf Streck

B-L 19.03.2003 - 11:32
Ich muss dem ersten Kommentar zustimmen. Das Parteienverbot ist eine Eingriffsmöglichkeit des demokratischen Rechtsstaates und daher wurde nicht das Rechtssystem abgeschafft, sondern angewandt. Das kann man doof finden, aber Empörung ist kein Gegenstand von Kritik. Was dabei alles hinzukommt, also Repression gegen die anvisierte Partei, resultiert weiterhin nur schlichtweg aus der Tatsache, dass der demokratische Machthaber keine Konkurrenten neben sich duldet, schon gar keine "Extremisten". Demokratie und Rechtsstaat nicht idealistisch betrachten, mein Lieber!