Residenzpflicht: Ein Mosaikstein im System der Abschreckung

i.A. Karawanegruppe Freiburg 22.08.2002 20:58 Themen: Antirassismus
Residenzpflicht: Ein Mosaikstein im System der Abschreckung - und was man dagegen tun kann Besuche von Verwandten und Freunden, der Gang zum Arzt, wenn man krank ist,die tägliche Fahrt zur Arbeit, die Teilnahme an Demonstrationen, das Trainingim Fußballverein.... für Deutsche ganz selbstverständliche (Freizeit-)Beschäftigungen. Nicht jedoch für Flüchtlinge: zum Teil, weil Ihnen mancheTätigkeiten praktisch verboten sind, wie z.B. Arbeiten. Manches wird aber auchdadurch zum großen Problem, dass man für diese Dinge eine Kreisgrenzeüberschreiten muß.
Dazu braucht man als Flüchtling zuvor eine Genehmigung der zuständigenAusländerbehörde. Ausnahmen von der Genehmigungspflicht gibt es nur, wennman zu einer Besprechung mit dem Anwalt geht oder für Termine beiOrganisationen wie dem UNHCR. Als Flüchtling ist man also gezwungen, fremden Beamten Dingezu erzählen, die oft sehr privat sind. Denn man muß den genauen Grund fürdie Genehmigung nennen Man ist in der Gestaltung seines Lebens von derEntscheidung anderer abhängig. Diese Bevormundung und Kontrolle ist sehrentwürdigend. Noch diskriminierender ist es, dass man als Flüchtling bestraft wird, wennman ohne Erlaubnis die Kreisgrenze überschreitet. Es ist unvorstellbar, dassdie Behörden Deutschen gegenüber so handeln würden.
Trotzdem ist dieses Verhalten der Behörden gegenüber Flüchtlingen rechtlichin Ordnung. Sagt sogar das Bundesverfassungsgericht, das oberste deutscheGericht. Wie ist das möglich? Wie sieht das System aus, zu dem diese demütigendeRegelung gehört? Welche Absichten werden damit verfolgt? Und: Was kann mandagegen tun? I. „Residenzpflicht“- ihre Funktion und Geschichte Jeder Flüchtling darf sich grundsätzlich nur in dem Landkreis aufhalten, indem er im Lager untergebracht ist. In offiziellem Amtsdeutsch heißt das dann„Residenzpflicht“. Diese Verpflichtung ist in dieser Form seit1982 im Asylverfahrensgesetz festgeschrieben. Mit der Schaffung dieses Gesetzesim Jahr 1982 wurde auch die Unterbringung von Flüchtlingen in Lagerneingeführt, die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge erheblich eingeschränkt und diePflicht zu gering entlohnten gemeinnützigen Tätigkeiten festgelegt. Kurz:all die diskriminierenden Strukturen bestehen seit 1982. Ausnahme: dasAsylbewerberleistungsgesetz gab es noch nicht. Es gab - offiziell - noch keineSozialstandards für Flüchtlinge, die unter dem Existenzminimum liegen, das fürDeutsche gilt. Die Höhe der Sozialhilfe bildet die Grenze des Existenzminimums,das aus Gründen der Menschenwürde gesichert sein muß. Gegen die Einführungdieser Regelungen - besonders die Unterbringung in Lagern, die Beschränkung derBewegungsfreiheit und das Arbeitsverbot, hat das Flüchtlingshilfswerk derVereinten Nationen seit 1982 immer wieder protestiert. 1983 haben zweiunabhängige Kommissionen des UNHCR mehrere Flüchtlingslager in verschiedenenBundes-ländern besucht. Als Ergebnis ihrer Reise verfaßten sie Berichte an dieverschiedenen UNO-Gremien. In einem der Berichte heißt es, dass durch dasAsylverfahrensgesetz „Abschreckungsmanahmen gegen Asylbewerber zum Tragengebracht worden sind, die einzigartig in Europa sind.“ Die BRD hat sich nieum die Kritik des UNHCR gekümmert. Im Gegenteil: die rechtlichen Regelungenund die Lebensbedingungen von Flüchtlingen haben sich seitdem in der BRD nocherheblich verschlechtert. Vorallem auch durch die faktische Abschaffung desAsyl-rechts im Jahr 1993. Nun müssen Flüchtlinge beinahe mit dem Fallschirmüber Deutschland abspringen, um noch Asyl zu bekommen.
Die politisch „Verantwortlichen“ gehen von einer zynischenAnnahme aus: die meisten, wenn nicht gar alle Flüchtlinge, die in die BRD kommen,seien „Wirtschaftsasylanten“, kämen also nur wegen materiellerVorteile ins Land. Diese diskriminierende und ausländerfeindliche Behauptungwird auch in den Medien viel verbreitet. Alle gesetzgeberischen Maßnahmen gegenFlüchtlinge haben daher das Ziel: durch möglichst schlechte Behandlung derFlüchtlinge, die schon im Land sind, sollen andere Flüchtlinge davonabgehalten werden, in die BRD zu kommen. Und die Flüchtlinge, die schon da sind,sollen keine Chance bekommen, sich hier einzuleben. Auch die Residenzpflicht dientdiesen Zwecken. So wie die Unterbringung in Lagern. Das läßt sich z.B ausder Begründung des Gesetzesantrags herauslesen. Offiziell werden für die„Residenzpflicht“ folgende Gründe genannt: die gleichmässige Verteilungder Flüchtlinge führt auch zu entsprechender Verteilung der Kosten für dieeinzelnen Gemeinden und Kreise. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung istdadurch besser geschützt. Die Flüchtlinge sind für das Asylverfahren, dieSozialverwaltung und - man höre und staune - für das Arbeitsamt besser erreichbar.Doch man sollte sich von der offiziellen Begründung nicht täuschen lassen.Denn schon in dieser Begründung stecken Widersprüche und entlarven sich dieeigentlichen Ziele. Denn die gleichmäßige Verteilung wird ja schon durch dieZuweisung in ein bestimmtes Lager festgelegt. Wieso ist es so wichtig, dassFlüchtlinge fürs Arbeitsamt erreichbar sind, wenn sie praktisch gar nicht dieMöglichkeit bekommen zu arbeiten? Und das Sicherheitsargument entlarvt eindiskriminierendes und ausländerfeindliches Vorurteil: Flüchtlinge sind potentielleKriminelle, die man unter Kontrolle halten muß. Und für die Gestaltung der Lebensbedingungen in Flüchtlingslagern gibt es inGerichtsurteilen der obersten Gerichte eindeutige Aussagen, die den Zweckdes Rechts, das für Flüchtlinge gilt, beim Namen nennen: Abschreckung. Dasgesamte Asyl- und Ausländerrecht ist diskriminierenden Strukturen durchzogen.Manche diser Strukturen reichen bis in die NS-Zeit zurück, z.B. die komplizierteAbstufung der Aufenthaltsrechte. Zuletzt wurden mit demAsylbewerberleistungsgesetz auch noch Substandards für Flüchtlinge eingeführt. Wenn die Sicherungdes Existenzminimums eine Frage der Menschenwürde ist und es aber fürDeutsche und Flüchtlinge hier unterschiedliche Regelungen gibt, ergibt sichlogischerweise eine Schluss-folgerung: also gehen wohl die Gesetzesmacher davon aus,dass Deutschen mehr Menschenwürde zukommt als Flüchtlingen. Das ist einschlimmer Verstoß gegen Menschenrechte. Denn Menschenwürde ist nicht teilbar. Undin einem Land, das in seiner Geschichte von einem Regime regiert wurde, dasbestimmte Menschen als „Untermenschen“ bezeichnete und sie auchso behandelte, darf eine solche Diskriminierung eigentlich nicht mehrvorkommen. In Deutschland waren bisher ausländische Menschen leider immer nur alsArbeitskräfte und Wirtschaftsfaktor willkommen. Angefangen von denZwangsarbeitern über die Gastarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Diskussion umindische Computerspezialisten heute. Nun nennt sich die BRD „Rechtsstaat. Also liegt der Gedanke nahe, sichmit einer Klage vor Gericht gegen die „Residenzpflicht“ zuwehren. Das haben Flüchtlinge auch versucht. Folgendes ist dabei herausgekommen: Ein Gericht, das einen Flüchtling wegen Verstoßes gegen die Residenzpflichtverurteilen sollte, war überzeugt, dass die Residenzpflicht gegen dieGrundrechte der Verfassung verstößt. Gegen das Recht auf Menschen-würde, gegen dasRecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und gegen das Gleichheitsgebot.Die Reisefreiheit, also das Recht, sich in der BRD frei bewegen zu können,ist gerade nach den Erfahrungen des Herbstes 1989 ein wichtiger Teil des Rechtsauf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Zur Erinnerung: eine derwichtigsten Forderungen der DDR-Bürger bei ihren Demonstrationen war„Reisefreiheit“. Die BRD hatte der DDR viele Jahre lang Menschenrechtsverletzungenvorgeworfen, weil sie ihre Bürger nicht in den Westen reisen lie. DieResidenzpflicht verletzt die Menschenwürde, weil über Jahre keine freieLebensplanung ohne Kontrolle der Behörden mehr möglich ist. Auerdem verstöt es gegendas Gebot der Menschen-würde, wenn Flüchtlinge der„Residenzpflicht“ unterworfen werden, um andere Flüchtlinge davon abzuhalten, nachDeutschland zu kommen. Damit werden Menschen zu Werkzeugen staatlicherAb-schreckungspolitik herabgewürdigt. Das ist mit dem Recht auf Achtung der Menschenwürdenicht vereinbar. So die Begründung des Gerichts. Die Richter folgten in ihrerArgumentation den Ansichten kritischer Juristen in der BRD. Mit dieser Begründung versehen legten sie den Fall demBundesverfassungsgericht vor. Dieses sollte darüber entscheiden, ob die Residenzpflicht mit denGrundrechten des Grundgesetzes vereinbar ist. In seinem Urteil kam das Bundesverfassungsgericht 1997 zu folgendenErgebnissen: Die Residenzpflicht verstöt nicht gegen das Grundgesetz. Es ist mit denGrundrechten auch vereinbar, dass Verstöe gegen die Residenzpflichtbestraft werden. Dadurch, dass es die Möglichkeit der vorherigen Genehmigung gibtund Termine beim Anwalt sogar ohne Genehmigung möglich sind, sei der Flüchtlingnicht übermäig belastet. Die Gründe für die Einführung der Residenzpflichtseien nicht zu beanstanden. Auerdem seien die Ziele, dass der Flüchtlingjeder Zeit erreichbar ist und der Schutz der öffentlichen Sicherheit nur zuerreichen, wenn Verstöe bestraft werden. Eine Auswertung der Kriminalstatistik macht aber deutlich, dass dieEinführung der „Residenzpflicht“ kein brauchbares Mittel zur Senkung derStraffälligkeit von Flüchtlingen darstellt. Dabei ist zu beachten, dassschwere Straftaten nur ganz selten von Flüchtlingen begangen werden. In denletzten Jahren haben aber kleine Eigentumsdelikte wie Diebstähle zugenommen. Dasist aber vor dem Hintergrund der Einführung von Substandards unddiskriminierender, weil fremdbestimmter, Versorgung mit Sachleistungen gemä AsylbLG nichtverwunderlich. Die ganz, ganz überwiegende Zahl von Straftaten derFlüchtlinge besteht gerade in Verstöen gegen die Residenzpflicht oder inUnregelmäigkeiten, ihre Aufenthaltspapiere betreffend. Also Straftaten, die Einheimischegar nie begehen können. Die Residenzpflicht ist damit kein Mittel zurVerhinderung von Straftaten, wie das behauptet wird - und die Zahlen derKriminalstatistik belegen, dass solche Manahmen gegenüber Flüchtlingen auch gar nichtnotwendig sind - sondern ein Instrument, um Flüchtlinge zu Kriminellen zumachen. Sogenannte Randgruppen der Gesellschaft zu diskriminieren und zukriminalisieren und sie dann noch zu Sündenböcken und vermeintlichen Verursacherngesellschaftlicher und politischer Probleme zu stempeln, hat aber in Deutschlandleider eine lange und furchtbare Tradition. Das oberste deutsche Gericht istalso auf die kritischen Argumente oder auch die Jahre lange Kritik des UNHCRgar nicht eingegangen. Eine ƒnderung der Rechtsprechung ist nicht zuerwarten. damit können Flüchtlinge vom deutschen Rechtsstaat keine Hilfe mehrerwarten. II. Situation in anderen Ländern und das Völkerrecht Angesichts dieser Situation in der BRD wird es um so wichtiger, sich damitzu beschäftigen, wie die rechtliche und politische Situation in anderenLändern ist und welchen Schutz das Völkerrecht bietet. in keinem andereneuropäischen Land gibt es eine Regelung, die mit der „Residenzpflicht“vergleichbar ist. So die Auskunft des UNHCR. Manche Länder sind gegenüberFlüchtlingen auch aufgeschlossener als die BRD. So hat Italien z.B. vor nichtallzulanger Zeit 250 000 illegalen Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht gegeben. Undder Bürgermeister einer italienischen Grostadt setzte sich in seinemWahlkampf für einen legalen Status der bisher illegalen Flüchtlinge ein. Und er wurdevon den Einwohner der Stadt wieder-gewählt. Würde ein Bürgermeister einerdeutschen Grostadt das gleiche tun, würde er mit ziemlicher Sicherheit dieWahl verlieren. An dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fällt auf, dass esnicht auf völkerrechtliche Verträge zum Schutz von Menschenrechten eingeht.Obwohl solche Normen gegenüber den einfachen Gesetzen wie demAsylverfahrensgesetz höherrangig sind. Sie haben nach deutschem Recht allerdings nicht dengleichen Rang wie die Verfassung. Andere Länder in Europa messen dem Völkerrechtmehr Bedeutung bei, als das deutsche Rechtssystem dies tut. So haben inBelgien die Normen des Völkerrechts den gleichen Rang wie die Verfassung. Und inGrobritannien gilt das Völkerrecht unmittelbar als verbindlichesinländisches Recht. In der BRD ist dies ebenfalls anders. Interessant ist vielleichtauch, dass hohe britische Gerichte in Urteilen festgestellt haben, dassDeutschland kein sicheres Zufluchtsland für Flüchtlinge mehr ist; z.B. weil hierKurden die Abschiebung in die Türkei droht. Es gibt drei völkerrechtliche Menschenrechtspakte auf die sich Flüchtlingezu ihrem Schutz berufen können. Die Europäische Menschenrechtskonvention(EMRK) und die UN-Pakte über bürgerliche und politische Rechte bzw. überwirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Die EMRK kommt jedem Menschen zugute, der sich im Hoheitsgebiet einesMitgliedstaates aufhält. Welche Staatsangehörigkeit er besitzt ist unerheblich.Nach Art.3 darf niemand entwürdigender Behandlung ausgesetzt werden. Es sprichtvieles dafür, dass zumindest das Gesamtsystem der Regelungen über dieLebensbedingungen diesem Verbot widersprechen. Ein Fall des Art.3 ist z.B., dass einStaat bestimmten Bevölkerungsgruppen bewut Armut und/oder diskriminierendeBehandlung zumutet. Ebenso liegt eine Verletzung des Art.5 EMRK nahe, desRechts auf persönliche Freiheit. In diesem Zusammenhang ist dann nicht nur dieResidenzpflicht sondern auch die Unterbringung in bewachten Sammellagern,nicht selten in sehr entlegenen Gegenden, anzusprechen. Auerdem ist im ProtokollNr.4 zur EMRK in Art.2 festgelegt: „Jedermann, der sich rechtmäig imHoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhält, hat das Recht, sich dort freizu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen.“ Dieses Recht darf zwaraus Gründen der öffentlichen Sicherheit eingeschränkt werden. Wie wir abergesehen haben, gibt es für die Residenzpflicht und andere diskriminierendeRegelungen keine solchen Gründe. Art.8 EMRK gewährleistet das Recht auf Achtung der Privatsphäre. Dasbedeutet vor allem: jeder Mensch hat das Recht, sein Leben nach eigener Entscheidungzu leben, ohne dass Behörden das Recht haben, mit ihren Entscheidungenbestimmen zu können, was er in seinem Privatleben zu tun und zu lassen hat. Dementspricht die Genehmigungspflicht sicherlich nicht. Auch die Unterbringung inLagern ist eine Verletzung der Privatsphäre. In Art.10 und 11 EMRK sind wichtige politische Menschenrechtefestgeschrieben: die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit. Zwar erlaubt Art.16EMRK den einzelnen Staaten, die politische Betätigung von Ausländerneinzuschränken. Das darf aber nicht soweit gehen, dass Betroffene nicht einmal mehr ihreeigenen Anliegen und Forderungen öffentlich äuern dürfen. Seit derFranzösischen Revolution von 1789 gehört es zur europäischen politischen Kultur, dassdie Menschen, die von staatlichen Manahmen betroffen sind, ihre Meinung undihre Forderungen gegenüber der Staatsgewalt äuern dürfen, der sieunterworfen sind. Deshalb kann die Teilnahme von Flüchtlingen an diesem Kongre aufkeinen Fall ein Rechtsversto sein. Das Menschenrecht auf freieMeinungsäuerung gebietet es unter allen Umständen, jedem der hier teilnehmen will, dieTeilnahme zu ermöglichen. Und nicht zu vergessen: Art.14 EMRK enthält ein Diskriminierungsverbot:Ausländern darf die Inanspruchnahme von Rechten der EMRK nicht schwerer gemachtwerden als Einheimischen. Die obengenannten Regelungen der EMRK finden sich in entsprechender Formauch in den beiden UN-Menschenrechtspakten. Im UN-Pakt über bürgerliche undpolitische Rechte (IPbpR) gewährt Art.17 den Schutz der Privatsphäre, in Art.19und Art.22 sind Meinungs- und Versammlungsfreiheit normiert. Darüber hinausist im Hinblick auf die „Residenzpflicht“ noch Art.12erwähnenswert. Er gewährt uneingeschränkte Bewegungsfreiheit in einem Land und die freieWahl des Wohnsitzes. Der Pakt enthält wie die EMRK ein Diskriminierungsverbot(Art.2). Zum Schluss sei noch auf zwei Artikel des Paktes über wirtschaftliche,soziale und kulturelle rechte (IPwskR) hingewiesen. Art.15 gibt jedem das Recht,ungehindert am gesellschaftlichen bzw. kulturellen Leben teilzunehmen. Art. 12gewährt das Recht auf ein Höchstma an psychischer und physischerGesund-heit. Und auch dieses Recht ist durch die „Residenzpflicht“betroffen, sieht man sie im Zusammen-hang mit dem Zwang, jahrelang in Lagern zu„wohnen“. Diese Lebenssituation der (sozialen) Isolation führtnachge-wie-sener Maen zu erheblichen körperlichen und psychischenGesundheitsbeein-trächtigungen. Auch dieser UN-Pakt enthält in Art.2 einDiskriminierungsverbot. Die EMRK bietet den Vorteil, dass derjenige, der von Rechtsverletzungenbetroffen ist, sich mit einer Klage an den Europäischen Gerichtshof fürMenschenrechte (EGMR) wenden kann. Allerdings erst, wenn er alle Möglichkeiten desnationalen Rechts ausgeschöpft hat. Das ist ein langer Weg und es gibt auchleider nicht so viele Anwälte, die bereit sind, diesen Weg zu gehen. Es ist aber,gerade angesichts der Situation in der BRD, der einzige Weg, der nochChancen bietet. Und er wurde bezüglich des Problems Residenzpflicht noch nichtbeschritten, soweit ich es in Erfahrung bringen konnte. Es wäre aber einenVersuch wert. Der Schutz durch die UN-Menschenrechtspakte ist noch nicht soweitausgestaltet. Es gibt für den Pakt über politische Recht ein Verfahren zurIndividualbeschwerde, in dem Betroffene ihre Fälle vorbringen können. Die Entscheidungendes Ausschusses, der über die Beschwerden berät, haben aber keine rechtlicheVerbindlichkeit, wie das z.B. bei einem Urteil der Fall ist. Für den Paktüber soziale Rechte gibt es so ein Beschwerdeverfahren noch nicht. Es soll aberin nächster Zeit eingeführt werden. III. Menschenrechte: Sand im Getriebe des herrschenden Systems Der Kampf für Menschenrechte wird immer wichtiger, weil das herrschendeglobale Wirtschaftssystem dem Grundsatz des maximalen Profits und der sinnlosenAnhäufung von Kapital dient. Dadurch werden Menschen zu bloenWirtschaftsfaktoren und potentiellen ausbeutbaren Ressourcen herabgewürdigt. Es betrachtetden Menschen als bloes Mittel zur Profitmaximierung, als Objekt, das im Sinnedes Systems zu funktionieren hat. Das ist unmenschlich denn der einzelnemensch in seiner Einzigartigkeit besitzt keinen wird in seinem Wert nicht umseiner selbst willen geschätzt. Und wenn Menschen nicht nicht den Zwecken desSystems dienlich sind, werden sie zum lästigen Kostenfaktor, der möglichstminimiert werden mu. Also werden Menschen, die nur Kostenfaktoren betrachtetwerden, ausgrenzt, isoliert, diskriminiert, ihnen werden die Existenzgrundlagenbeschnitten oder gar ganz entzogen. Und Sie als Flüchtlinge sind die amstärksten betroffene Gruppe, weil sie die schwächste politische und finanzielleLobby haben, weil Politiker - und nicht nur sie - Sie als Flüchtlinge alswillkommene Sündenböcke mibrauchen, um von ihren wirklichen Zielen und Absichtenabzulenken. Und um die Tatsache zu verschleiern, dass diesesWirtschaftssystem und seine Folgen unmenschlich und asozial - nämlich gegen eine menschlicheGesellschaft gerichtet sind. Und das dämmert mittlerweile sogar ganzprominenten Vertretern der Globalisierung: z.B. Georges Sorroes, dem Guru derAktienspekulanten oder dem ehemaligen Wirtschaftsberater der früheren britischenPremierministerin Thatcher. Sie haben schon warnende Bücher geschrieben. Und trotzdem machen sich immer mehr verantwortliche Politiker in immerstärkerem Mae zu Handlangern der Globalisierung. Die 29 wichtigstenIndustriestaaten verhandeln noch immer über ein Multilaterales Investitionsabkommen. Indiesem Vertrag sollen Unternehmen gegenüber den Staaten, in denen sie tätigsind, eine überragende Stellung eingeräumt bekommen. Mit faktischer Möglichkeit,Einflu auf die Politik dieser Staaten nehmen zu können. Und mit derMöglichkeit, Länder vor internationalen Gerichten verklagen zu können, wenn Staatenversuchen sollten, den Firmen z.B. Sozial- und Umweltstandards aufzuerlegen. Die Länder des Südens wären von diesem Abkommen am stärksten betroffen. DieFreiheit des Kapitals wird damit über die Menschenrechte gestellt. KeinWunder: werden doch Menschenrechte von denen, die für dieses System sind, als Sandim Getriebe der totalen Globalisierung der Wirtschaft empfunden. Und speziell im Bereich des Flüchtlingsrechts sind folgende aktuellenEntwicklungen zu beobachten: In der BRD wird über die Abschaffung des individuellen Asylrechtsdiskutiert. Kritiker werden damit beschwichtigt, dass es ja dann immer nochinternationale Regelungen gibt. Das wirkt aber unehrlich. Denn die BRD versucht schonseit längerer Zeit - zusammen z.B. mit ÷sterreich - andere Staaten dazu zubringen, die Genfer Flüchtlingskonvention so zu verändern, dass sie in ihrem Kernpraktisch ausgehölt wird. Gleichzeitig wird auf europäischer Ebene eine „Harmonisierung“des Asylrechts angestrebt. Es spricht leider vieles dafür, dass dies auf demdeutschem Niveau stattfinden wird. Was dies bedeuten würde, brauche ichniemandem zu sagen. Die UNO war traditionell immer die Institution, die sich am erfolgreichstenfür den Schutz der Menschenrechte eingesetzt hat. Doch der politischeEinfluss der UN wird immer geringer. Das letzte Beispiel für Europa: der Krieg derNATO-Staaten gegen Jugoslawien. Nicht zufällig sagte der UN-Generalsekretär amTag als der Krieg begann: „Dies ist ein schwarzer Tag für dieMenschenrechte und für die Vereinten Nationen.“ Den Menschenrechten bleibt also nur noch eine Chance: dass Betroffene undMenschen, die die überragende Bedeutung der Menschenrechte erkannt haben, sichzusammenschlieen und aktiv werden. Ein menschliches Zusammenleben, dasdiesen Namen verdient, wird es nur geben, wenn die sozialen und politischenMenschenrechte vollständig und in gleichem Umfang verwirklicht sind. Es wird einsehr langer Weg werden. Aber die Anstrengung lohnt sich - es gibt auch keinenanderen sinnvollen Weg.
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Ergänzungen